Friedrich Schiller über Tugend
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Diese Tugend,
ich fürchte sehr, ich kenne sie. Wie wenig
reicht sie empor zu jenem Ideale,
das aus der Seele mütterlichem Boden,
in stolzer, schöner Grazie empfangen,
freiwillig sproßt und ohne Gärtners Hilfe
verschwenderische Blüten treibt! Es ist
ein fremder Zweig, mit nachgeahmtem Süd
in einem rauhen Himmelsstrich getrieben,
Erziehung, Grundsatz, nenn' es, wie du willst,
erworbne Unschuld, dem erhitzten Blut
durch List und schwere Kämpfe abgerungen,
dem Himmel, der sie fordert und bezahlt,
gewissenhaft, sorgfältig angeschrieben.