Herbert von Karajan über Ziel

  • Wer all seine Ziele erreicht, hat sie zu niedrig gewählt.

Herbert von Karajan

österreichischer Dirigent

* 05.04.1908 Salzburg (Österreich)
† 16.07.1989 Anif bei Salzburg (Österreich)

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Wie stolz sind wir alle, wenn wir ein selbstgestelltes Ziel erreichen. Es erfüllt uns deshalb mit Freude, weil wir oftmals nicht nur einen langen Weg bis dorthin zurückgelegt haben, sondern auch alles gegeben haben, was in uns steckte. Haben wir dann das Ziel erreicht, hält der gefühlte Stolz oftmals nicht besonders lange an. Minuten, Stunden, Tage vielleicht. Dann kommt oftmals eine Leere, die neu gefüllt werden will. Ein neues Ziel muss her. Manchmal ergibt es sich auch schon im Vorfeld. Und wieder haben wir eine neue Aufgabe, die zu meistern ist. Das viele meistern macht uns nach und nach zu wahren Meistern – in was auch immer.

Herbert von Karajan meint aber nun, dass der, der seine Ziele im Leben alle erreicht habe, sie zu niedrig gewählt hat. Das mag durchaus sein. Denn es gibt eine Reihe von Menschen, die so erfolgssüchtig sind, dass sie die Messlatte an die eigene Leistung nicht besonders hoch legen, damit sie immer wieder neu in den Genuss des persönlichen Erfolges kommen. Dazu reicht vielen oftmals ein unteres oder mittleres Niveau schon aus – je nachdem, um welchen Bereich oder Genre es sich handelt.

Menschen, die an ihren Zielen aber immer wieder auch einmal zu scheitern oder gar zu zerbrechen drohen, spielen in einer anderen Liga. Ihnen geht es nämlich nicht um äußeren Erfolg oder Anerkennung, sondern in erster Linie um das Kennenlernen der eigenen Fähigkeiten. Wo sind meine wirklichen Grenzen? Das ist die innere Frage, die gestellt und beantwortet werden will. Grenzen markieren Schmerzpunkte. Grenzen zu überschreiten ist mit Risiken verbunden. Blamage, Scheitern oder Gefahren aller Art lauern am Wegesrand. Und dennoch wird’s gewagt, weil die Sehnsucht nach dem Echten, dem Authentischen noch mehr wiegt.

Was kann ich? Wie lange kann ich es? Warum kann ich es… oder warum kann ich es nicht? Die Liste innerer Fragestellungen kann lang werden. Die Erfahrung umso tiefer und nachhaltiger. Bei diesem Menschentypus ist das Ziel quasi offen. Hier kann gar nicht zu niedrig gewählt werden, weil man viele unbekannte Risiken eingeht. Es werden von solchen Menschen gewiss auch niemals alle Ziele erreicht werden, aber sie gehören zu den Mutigen, den Erwachten, die dem äußeren Erfolg ihrer Ziele keine große Beachtung mehr schenken, weil ihre eigene Grenzerfahrung über allem steht.

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