Jesus Sirach über Gefahr

  • Wer sich gern in Gefahr begibt, kommt darin um.

Jesus Sirach

jüdischer Weisheitslehrer

* 2. Jh. vChr

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Beim Verfasser des obigen Zitats zum Thema Gefahr handelt es sich um den jüdischen Lehrer Jesus ben Sirach, der ca. 180 bis 175 vor Chr. in Jerusalem lebte und dort das Buch Jesus Sirach schrieb. Der Kontext, aus dem dieses Zitat stammt, ist mir nicht bekannt, aber es regte mich deshalb zu weiterführenden Gedanken an, weil er das Wort "gern" dem Begriff der Gefahr zuordnete.

Wer, so mag man sich fragen, begibt sich denn "gern" in Gefahr. Eigentlich niemand. Erst recht nicht, wenn sie so groß ist, dass man um Leib und Leben fürchten muss. Doch Stopp! Wer sagt uns denn, ob es nicht auch schon über 2000 Jahre früher jenen Typus Mensch gab, der mit seinem Leben gern spielte?

Heute nennt man diesen Spieltrieb Stunt. Er ist mit körperlichen Höchstleistungen verbunden, die nicht nur eine enorme Portion Mut erfordern, sondern auch ein unglaubliches körperliches Geschick. Diese Disziplin gibt es in vielen Sportarten, die uns atemberaubende Bilder schenken … oder auch beim Zusehen die Haare zu Berge stehen lassen. Sie zeigen uns von den offenbar noch immer nicht ausgereizten Möglichkeiten körperlicher Fähigkeiten, deren Grenze noch ständig erweitert wird.

Der Begriff Stunt kommt aus dem Englischen und bedeutet: Gewagtes Kunststück. Es geht dabei beispielsweise um Stürze, Sprünge oder inszenierte Kämpfe. Fahrzeuge oder Sportgerätschaften und anderes an Gerätschaften kommen dabei zum Einsatz. Keine Statistik weist bisher sauber aus, wie viele Menschen, die sich freiwillig und gern in diese Form der Gefahr begaben, dabei auch zu Tode kamen.

Vor etwas über 2000 Jahren, als Jesus Sirach diesen Spruch tat, gab es diese Form der Stunts gewiss noch nicht. Aber es gab andere Möglichkeiten, die vielleicht im Kern der Sache ähnlich waren. Vielleicht waren es damals mehr die begeisterten Aufbrüche in Kriege, die seinerzeit noch Mann gegen Mann stattfanden. Mit Messern, Schwertern, Kampfäxten oder anderen tödlichen Waffen war das Leben zu verteidigen. Eingesetzt wurden Pferde oder Streitwagen, andere rannten zu Fuß mit Donnergeheul auf den Feind mit der Streitaxt zu.

Vom Unterschied zwischen Tollkühnheit und Mut>

In Bezug auf das Zitat und dem zugeordneten Wort "gern" wäre nun zu fragen: Inwieweit die Menschen, die sich gern einer Gefahr stellten, eventuell gefährdeter sind als jene Menschen, die sich nicht gern stellen und nur im Notfall eine Gefahr für Leib und Leben eingehen.

Wer sich "gern" in eine Gefahr begibt, so ist zu mutmaßen, wird von wohl einer gewissen Tollkühnheit getrieben, die sich von der Eigenschaft des Mutes unterscheidet. Wann genau es sich bei einer Tollkühnheit dann um eine krankhaft übersteigerte und vernunftwidrige Tat handelt, lässt sich nur am Einzelfall ablesen. In jedem Fall sprengt ein solches Tun das Maß des rational Sinnvollen und Nützlichen und kann dennoch in höchst gefährlichen Situationen eine Lage oder ein Leben retten.

Der Tollkühne hält sich selbst für stark, vielleicht auch für unbezwingbar und unterschätzt eventuell die Stärke oder die List seines Gegners. Im Gegensatz zu jenen Kämpfern oder Helden, die sich vorsichtiger, bedachtsamer und überlegter einem Kampf oder auch einem anderen großen Risiko stellen.

Der mutige Mensch wiederum handelt eher aus einer Beherztheit heraus. Auch er muss dabei Risiken eingehen aber er geht sie nicht gern und freiwillig ein, sondern allein aus Notwendigkeit einer Sache heraus, die ihm am Herzen liegt. Er liebt nicht die Gefahr und sucht sie auch nicht, aber er meidet sie auch nicht, wenn es nicht anders geht. Und das ist ein entscheidender Unterschied zur Tollkühnheit, die immer auch auf einer freien Entscheidung basiert.

Gern in diesem Zusammenhang bedeutet demnach auch: Man stürzt sich mit einer blinden Begeisterung in eine Situation hinein, übersieht diese nicht nicht klar und kann dabei dann sein Leben verlieren.

Ob Jesus ben Sirach das meinte? Ich weiß es nicht, aber es passt für mich deshalb, weil Tollkühnheit und Mut im Zusammenhang mit einer freiwillig (gern) eingegangen Gefahrensituation zwei völlig unterschiedliche und auch unvergleichliche Dinge sind.

 Top