Johann Wolfgang von Goethe über Gattenwahl
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Hatten die Eltern die Braut für ihren Sohn sich ersehen,
ward zuvörderst ein Freund vom Hause vertraulich gerufen.
Diesen sandte man dann als Freiersmann zu den Eltern
der erkorenen Braut, der dann in stattlichem Putze
sonntags etwa nach Tische den würdigen Bürger besuchte,
freundliche Worte mir ihm im allgemeinen zuvörderst
wechselnd und klug das Gespräch zu lenken und wenden verstehend.
Endlich nach langem Umschweif ward auch der Tochter erwähnet,
rühmlich, und rühmlich des Manns
und des Hauses, von dem man gesandt war.
Kluge Leute merkten die Absicht; der kluge Gesandte
merkte den Willen gar bald und konnte sich weiter erklären.
Lehnte den Antrag man ab, so war auch ein Korb nicht verdrießlich.
Aber gelang es denn auch, so war der Freiersmann immer
in dem Hause der Erste bei jedem häuslichen Feste;
denn es erinnerte sich durch's ganze Leben das Ehpaar,
daß die geschickte Hand den ersten Knoten geschlungen.