Johann Wolfgang von Goethe über Gattenwahl

  • Hatten die Eltern die Braut für ihren Sohn sich ersehen,
    ward zuvörderst ein Freund vom Hause vertraulich gerufen.
    Diesen sandte man dann als Freiersmann zu den Eltern
    der erkorenen Braut, der dann in stattlichem Putze
    sonntags etwa nach Tische den würdigen Bürger besuchte,
    freundliche Worte mir ihm im allgemeinen zuvörderst
    wechselnd und klug das Gespräch zu lenken und wenden verstehend.
    Endlich nach langem Umschweif ward auch der Tochter erwähnet,
    rühmlich, und rühmlich des Manns
    und des Hauses, von dem man gesandt war.
    Kluge Leute merkten die Absicht; der kluge Gesandte
    merkte den Willen gar bald und konnte sich weiter erklären.
    Lehnte den Antrag man ab, so war auch ein Korb nicht verdrießlich.
    Aber gelang es denn auch, so war der Freiersmann immer
    in dem Hause der Erste bei jedem häuslichen Feste;
    denn es erinnerte sich durch's ganze Leben das Ehpaar,
    daß die geschickte Hand den ersten Knoten geschlungen.

Johann Wolfgang von Goethe

deutscher Dichter

* 28.08.1749 Frankfurt am Main
† 22.03.1832 Weimar

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