Sprichwort über Fehler
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Fremde Fehler beurteilen wir als Staatsanwälte, die eigenen als Verteidiger.
Gedanken zum Zitat
Das Sprichwort »Fremde Fehler beurteilen wir als Staatsanwälte, die eigenen als Verteidiger« bringt ein universelles menschliches Verhalten prägnant auf den Punkt: die Neigung zur Doppelmoral. Wenn es um die Fehler anderer geht, sind wir oft scharf, unnachgiebig und urteilend – wie ein Staatsanwalt, der nach Schuld sucht und Strafe fordert. Geht es hingegen um unsere eigenen Verfehlungen, finden wir Erklärungen, mildernde Umstände, Rechtfertigungen – ganz wie ein Verteidiger, der um Verständnis bittet und das Beste für seinen Mandanten will.
Diese menschliche Tendenz ist tief in unserem psychologischen Schutzmechanismus verankert. Das eigene Fehlverhalten einzugestehen, kratzt am Selbstbild. Es ist einfacher, Schuld nach außen zu verlagern, statt sich selbst kritisch zu hinterfragen. Dabei geraten oft Gerechtigkeit, Objektivität und Mitgefühl aus dem Gleichgewicht.
Im sozialen Miteinander ist diese Haltung besonders problematisch. Denn sie fördert Misstrauen, Konflikte und mangelndes Verständnis. Wer andere hart beurteilt, ohne selbst zur Selbstkritik fähig zu sein, wird auf Dauer unglaubwürdig. Er stellt sich über andere – moralisch, intellektuell oder charakterlich – und vergiftet damit zwischenmenschliche Beziehungen. Umgekehrt entsteht echte Verbindung nur durch Ehrlichkeit, Einfühlungsvermögen und den Mut, sich selbst genauso streng oder milde zu beurteilen wie andere.
Das Sprichwort lädt zu einem Perspektivwechsel ein: Wie würden wir unser Verhalten bewerten, wenn wir es bei jemand anderem sähen? Und wie viel Nachsicht könnten wir anderen gewähren, wenn wir uns selbst einmal aus der Distanz betrachten?
Dieses Sprichwort ist eine Mahnung zur Demut. Wer Fehler als etwas Menschliches erkennt – bei sich wie bei anderen –, fördert Gerechtigkeit und Mitgefühl. Nicht der schärfste Ankläger ist weise, sondern der, der versteht, dass Wahrheit oft zwischen Verteidigung und Anklage liegt – und dass wir beides in uns tragen.