Sprichwort über Hunger

  • Hunger lehrt geigen.

Gedanken zum Zitat

Das Sprichwort »Hunger lehrt geigen« ist ein volkstümlicher Ausdruck dafür, dass Not erfinderisch macht. In Zeiten der Not – besonders bei Hunger oder Armut – sind Menschen bereit, neue Wege zu gehen, Fähigkeiten zu entwickeln oder Tätigkeiten auszuüben, die sie unter normalen Umständen nie in Betracht gezogen hätten. Der Hunger wird hier nicht nur wörtlich verstanden, sondern auch im übertragenen Sinn – als Sinnbild für Mangel, Antrieb oder Überlebenswille.

Die Vorstellung, dass Hunger jemanden dazu bringen kann, sogar das »Geigenspiel« zu lernen, also eine Kunst, die eigentlich viel Zeit, Übung und Hingabe erfordert, zeigt, wie stark der Überlebensinstinkt sein kann. Wer am Existenzminimum lebt, wird plötzlich kreativ, anpassungsfähig, bereit, ungewohnte Mittel zu nutzen, um über die Runden zu kommen. Geigen steht hier sinnbildlich für das Erlernen irgendeiner Fähigkeit, um durchzukommen – sei sie auch noch so ungeeignet oder überraschend.

Aus der Not entsteht eine Tugend, denn Druck, Mangel oder schwierige Umstände können motivieren. Viele Erfindungen, Fortschritte und Entwicklungen sind aus Krisensituationen heraus entstanden. Wenn der Wohlstand fehlt, entstehen oft Ideen. Wenn Sicherheit wegbricht, wird Initiative geboren. Der Mensch wächst mit seinen Herausforderungen.

Gleichzeitig darf das Sprichwort nicht romantisiert werden. Hunger bleibt ein Zustand von Leid, Not und sozialer Ungerechtigkeit. Dass Not kreativ macht, rechtfertigt nicht die Not selbst. Es ist ein Unterschied, ob jemand aus freiem Willen eine neue Fähigkeit erlernt oder durch Armut und Lebensgefahr dazu gezwungen wird.

Das Sprichwort »Hunger lehrt geigen« zeigt, wie aus Mangel Motivation erwächst – aber auch, wie wichtig es ist, die Ursachen von Not nicht zu verherrlichen. Kreativität ist bewundernswert, doch echte Würde bedeutet, sie aus Freiheit und nicht aus Zwang zu entfalten.

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