Sprichwort über Obrigkeit

  • Obrigkeit, bedenk Dich recht:
    Gott ist Dein Herr, Du bist sein Knecht!

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Wem wir die Mahnung an die Obrigkeit im Sprichwort zu verdanken haben, liegt im Dunkel der Geschichte. Heller dagegen ist seine Berechtigung, die Menschen in allen Kulturen und Kontinenten immer wieder neu erfahren. Das hat sich auch bis in die Gegenwart nicht verändert.

Die Obrigkeit hatte zu allen Zeiten das Sagen. Im Sinne des Gemeinwesen, das eine gewisse Struktur brauchte, um nicht im Chaos von Einzelinteressen zu versinken, ist dies auch sinnvoll. Doch der Mensch ist nun einmal eine Spezies, der die Egoismen ins Blut geschrieben sind. Dazu gehört es unter anderem, auch den Faktor Macht zu gebrauchen und ab einem gewissen Punkt vor allem auch zu missbrauchen. Dort, wo Macht sinnvoll eingesetzt und notwendig ist, wird sie auch gern von den Bürgern oder früheren Untertanen akzeptiert. Aber dort, wo sie zur Ungerechtigkeit, übertriebener Strenge, gar zur Unmenschlichkeit führt, wird sie hoch problematisch.

Menschen, die an der Macht sitzen, haben immer wieder neu das Bestreben, diese gewonnene Macht mehr und mehr auszuweiten. Vor allem dann, wenn ihnen dieses Tun durch die Machtkonstellationen leicht gemacht wird und niemand da ist, der ihnen Einhalt in ihrem ausufernden Tun des Machtmissbrauchs gebietet.

Die Menschheitsgeschichte ist voll von Machthabern, die sich nach und nach zu Tyrannen entwickelten und vom Größenwahn heimgesucht wurden. Nicht wenige wollten Gott gleich oder Gott ähnlich werden. Die persönliche Verblendung im Zusammenhang mit Macht konnte sie nicht stoppen. Sie gingen führten für diesen Machtzuwachs Kriege, zettelten Morde an oder gingen über Berge von Leichen, um ihr Ziel zu erreichen.

Immer feiner schmiedeten sie an ihrer eigenen Durchsetzungsfähigkeit auch dann, wenn große Bevölkerungsteile bereits gegen sie standen. Strafe, Folter oder Zwang waren probate Mittel und Kompromisse meist nicht mehr vorgesehen.

Das Sprichwort aus Volkes Munde mahnt diese Vorgehensweise an und verweist Machthaber auf seine wahre Stellung zurück. Nämlich sich nicht wie ein Gott aufzuführen, sondern als Knecht Gottes, dem zwar eine gewisse Macht verliehen ist, die jedoch nicht für eigene Zwecke missbraucht werden darf. Nun mag man einwenden, dass Machthaber auch oft „gottlos“, weil eben atheistische gesinnt sind und ihnen der Vergleich mit Gott nichts mehr bedeutet. Hier wäre dann stellvertretend an die Schöpfung, den Ethos, die Humanität zu appellieren.

Macht kann mittels Belohnung, Bestrafung oder Zwang ausgeübt werden. Man kann finanzielle Zuwendungen bekommen oder auch emotionale Aufmerksamkeit, die man als Belohnung empfinden kann – vor allem bei Kindern oder Menschen mit einem schwachen Selbstbewusstsein wirkt das Belohnungsprinzip noch besonders gut. Je nach Konstellation kann auch offener oder subtiler Zwang die Machtposition festigen. Besonders wenn es über die Schiene der Identifikation läuft, wird oft im Machtgefüge eine Verbundenheit hervorgerufen. Hier ist oft das Charisma entscheidend.

Wissen stellt eine enorme Machtfülle zur Verfügung. Als Experte für dieses oder jenes, der sowohl über die theoretischen Kenntnisse wie auch über die praktischen Erfahrungen verfügt, kann man in bestimmten Bereichen eine große Machtfülle anhäufen, weil man aufgrund seiner Befähigung nicht so schnell und beliebig ersetzbar ist. Kommt dazu noch ein Informationsvorsprung, wird die Machtfülle und damit auch die Gefahr des Machtmissbrauchs unter Umständen noch stark erhöht.

Macht ist eine Sache, die jedoch nicht nur die Obrigkeit in ihrer Verführbarkeit betrifft, sondern jeden Einzelnen von uns selbst, der sich auch im privaten Alltag immer wieder neu mit Macht konfrontiert sind. Ob es dabei um eine emotionale Übermacht handelt, eine intellektuelle oder soziale sei dahingestellt. Sie zu nutzen, kann sinnvoll und hilfreich für alle sein. Sie auszunutzen wird oft zum bitterbösen Bumerang, den uns das Schicksal oft schneller als geahnt um die Ohren schlägt.

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