Sprichwort über Wollust

  • Wollust nährt Sünde.

Gedanken zum Zitat

Das Sprichwort »Wollust nährt Sünde« entstammt einem moralisch-religiösen Weltbild, das im Mittelalter und in der frühen Neuzeit verbreitet war. Es stellt einen Zusammenhang zwischen körperlichem Verlangen und dem moralischen Fehlverhalten her. Doch wie aktuell ist dieses Sprichwort heute noch? Was sagt es über unser Menschenbild, über Lust, Moral und Schuld?

Das Wort »Wollust« wird heute kaum noch verwendet, und wenn doch, dann meist in einem negativen, veralteten oder ironischen Sinn. Es bezeichnet ein maßloses Verlangen nach körperlichem Genuss, insbesondere sexueller Natur. Die Aussage des Sprichworts ist eindeutig: Wer der Wollust nachgibt, öffnet der Sünde Tür und Tor. Die Lust wird hier als Ursprung des moralischen Verfalls gesehen, als Verführung zu schlechtem Verhalten, das gegen göttliche oder gesellschaftliche Gebote verstößt.

Diese Sichtweise ist historisch verständlich. In vielen Religionen galt - und gilt teilweise bis heute - die Kontrolle über die eigenen Triebe als Zeichen von Tugend und geistiger Reife. Wollust wurde als Gefahr für die Seele, als Hindernis auf dem Weg zu einem gottgefälligen Leben angesehen und fungierte als Warnung: Wer seine Begierden nicht zügelt, gerät in moralische Abgründe.

In der heutigen Zeit ist diese Sichtweise zunehmend überholt. Die moderne Gesellschaft hat ein differenzierteres Verhältnis zu Lust und Begehren entwickelt. Sexualität wird nicht mehr automatisch mit Schuld oder Sünde verbunden, sondern als Teil eines gesunden, selbstbestimmten Lebens betrachtet. Lust ist nicht per se negativ – sie kann Ausdruck von Liebe, Nähe und Lebensfreude sein. In diesem Licht betrachtet wirkt das Sprichwort streng, moralistisch und einseitig.

Gleichzeitig enthält das Sprichwort einen wahren Kern, wenn man es nicht wörtlich, sondern übertragen auffasst. Es warnt vor Maßlosigkeit und dem unkontrollierten Streben nach ständigem Genuss – sei es im Bereich der Sexualität, des Konsums oder der Macht. Wer nur nach kurzfristiger Befriedigung strebt, verliert leicht den Blick für das Wesentliche, für das Gegenüber, für moralische Werte. In diesem Sinne erinnert das Sprichwort an die Bedeutung von Maß, Achtsamkeit und Verantwortung.

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