Leben und Moralität

Wirklich zu leben ist das Kostbarste auf der Welt. Die meisten Menschen existieren bloß, sonst nichts.

Im Leben gibt es tatsächlich nichts Entscheidendes oder Unwichtiges. Alle Dinge sind gleichwertig und gleichgewichtig.

Völlig frei zu sein und zugleich völlig unter der Herrschaft des Gesetzes zu stehen ist das ewige Paradoxon des Menschenlebens, das jeder Augenblick uns spürbar macht.

Die erste Pflicht im Leben besteht darin, so künstlich wie möglich zu sein. Worin die zweite Pflicht besteht, hat noch niemand herausgefunden.

Ich weiß nur, daß das Leben nicht ohne barmherzige Nachsicht begriffen, nicht ohne barmherzige Nachsicht gelebt werden kann.

Man sollte Anteil nehmen an der Freude, der Schönheit, der Farbigkeit des Lebens. Je weniger über die Kümmernisse des Lebens gesagt wird, desto besser.

»Die Seele ist alt geboren und wird jung. Das ist die Komödie des Lebens.« »Und der Leib ist jung geboren und wird alt. Das ist die Tragödie des Lebens.«

»Das Buch des Lebens beginnt mit einem Mann und seiner Frau in einem Garten.« »Und endet mit Offenbarungen.«

Die Welt ist von Narren gemacht, damit Weise darin leben.

Meiner Ansicht nach ist das Geheimnis des Lebens überhaupt, die Dinge sehr, sehr leichtzunehmen.

Das Geheimnis des Lebens ist, nie eine Gemütsbewegung zu haben, die unkleidsam ist.

Das Geheimnis des Lebens ist, daß man das Vergnügen schätzt, sich schrecklich, schrecklich zu irren.

Des Lebens Geheimnis – es liegt in der Kunst.

Die Form ist alles. Sie ist das Geheimnis des Lebens. Gib der Trauer Ausdruck, und sie wird dir teuer. Gib der Freude Ausdruck, und sie vertieft dein Entzücken. Willst du Liebe empfinden? Dann stimme eine Liebeslitanei an, und die Worte werden jene Sehnsucht hervorrufen, von der die Welt glaubt, daß sie ihr entströmen. Zernagt Gram dein Herz? Dann tauche in die Sprache des Grams ein, lerne ihren Ausdruck von Prinz Hamlet und der Königin Constantia, und du wirst entdecken, daß der reine Ausdruck eine Form der Tröstung ist und daß die Form, die der Ursprung der Leidenschaft ist, gleichzeitig den Tod des Schmerzes bedeutet.

Die Suche nach der Schönheit das wahre Geheimnis des Lebens.

Gewöhnliche Leute warteten, bis ihnen das Leben seine Geheimnisse erschloß, doch den wenigen Auserwählten wurden die Mysterien des Lebens enthüllt, ehe der Schleier fortgezogen war.

Man sollte die Farbe des Lebens in sich aufnehmen, sich aber nie an seine Einzelheiten erinnern. Einzelheiten sind immer gewöhnlich.

Das Leben hält stets Mohn in den Händen.

Sie wollen mir doch nicht erzählen, Sie hätten das Leben erschöpft. Wenn einer das sagt, weiß man, daß das Leben ihn erschöpft hat.

Alles wird zum Genuß, wenn man es zu oft tut.

Das ist eines der wichtigsten Geheimnisse im Leben.

Wenn ein Mensch das Leben künstlerisch ansieht, dann ist sein Hirn für ihn das Herz.

Das Leben wird nicht von Wille und Absicht regiert. Das Leben ist eine Frage der Nerven und Fibern, der langsam aufgebauten Zellen, in denen sich der Gedanke verbirgt und die Leidenschaft ihre Träume hat.

In dieser Welt gibt es nur zwei Tragödien. Die eine ist, nicht zu bekommen, was man möchte, und die andere ist, es zu bekommen.

Gefahr ist im heutigen Leben so selten geworden.

Ich überrasche mich immer selbst. Das ist das einzige, was das Leben lebenswert macht.

Das Lebensziel, wenn man eins hat, ist einfach, stets nach Versuchungen Ausschau zu halten. Es gibt nicht annähernd genug. Mitunter verbringe ich einen ganzen Tag, ohne auch nur auf eine einzige zu stoßen. Das ist ganz fürchterlich. Das macht einen so nervös wegen der Zukunft.

Das Leben ist niemals gerecht.

Und vielleicht ist es für die meisten von uns gut, daß es nicht gerecht ist.

Gedächtnis ist das Tagebuch, das wir alle bei uns tragen.

In Freiheit mit Blumen, Büchern und dem Mond – wer könnte da nicht glücklich sein?

Es gibt zwei Arten von Menschen auf Erden, zwei große Überzeugungen, zwei unterschiedliche Wesensformen: nämlich die eine, für die das Leben Betriebsamkeit ist, und die andere, der es Nachdenken bedeutet.

Dieser junge Dandy erkannte, daß das Leben selbst eine Kunst ist und seine Stilformen hat, nicht weniger als die Künste, die es auszudrücken versucht.

Philosophisch gesprochen ist die Grundlage des Lebens – die Energie des Lebens, wie Aristoteles sagen würde – einfach das Verlangen nach Ausdruck, und die Kunst bietet immer die mannigfaltigsten Formen dar, durch welche der Ausdruck erreicht werden kann. Das Leben greift sie auf und benutzt sie, selbst wenn sie zu seinem Verderben sind.

Der Mensch ist, wenn er handelt, eine Marionette. Wenn er etwas schildert, ist er ein Dichter. Darin liegt das ganze Geheimnis.

Die Welt wird durch den Sänger für den Träumer geschaffen.

Wer in seine Vergangenheit schaut, verdient nicht, eine Zukunft vor sich zu haben, in die er schauen könnte.

In allen unwichtigen Dingen ist Stil, nicht Aufrichtigkeit, das Wesentliche. In allen wichtigen Dingen ist Stil, nicht Aufrichtigkeit, das Wesentliche.

Der Häßliche und der Dumme kommen auf dieser Welt am besten weg. Sie können gemütlich dasitzen und das Spiel begaffen. Wenn sie auch nichts vom Sieg wissen, es bleibt ihnen zumindest erspart, die Niederlage kennenzulernen. Sie leben so, wie wir alle leben sollten, ungestört, gleichgültig und ohne Ruhelosigkeit. Sie bringen weder Verderben über andere, noch wird ihnen dergleichen durch andere zuteil.

Ich bin dahin gelangt, die Verschwiegenheit zu lieben. Sie scheint mir das einzige zu sein, was uns heutzutage unser Leben geheimnisvoll und wunderbar machen kann. Das Alltäglichste wird reizvoll, wenn man es verheimlicht.

Eine Sensation kann man nie zu teuer bezahlen.

Es kommt häufig vor, daß wir mit anderen zu experimentieren glauben und dabei in Wahrheit mit uns selbst experimentieren.

Ich liebe das Spiel. Es ist soviel wirklicher als das Leben.

Häufig spielen sich die echten Lebenstragödien auf so unkünstlerische Weise ab, daß sie uns durch ihre rohe Gewalt, durch ihre absolute Inkonsequenz, durch ihre abgeschmackte Sinnlosigkeit, ihren völligen Mangel an Stil verletzen.

Seines eigenen Lebens Zuschauer zu werden bedeutet, den Leiden des Lebens zu entrinnen.

So etwas wie ein Omen gibt es nicht. Das Schicksal sendet uns keine Herolde. Dazu ist es zu weise oder zu grausam.

Aber für seine eigenen Fehler zu leiden – ach! – das ist der Stachel des Lebens.

Ich hab häufig Gewissensgeld gezahlt. Ich hegte die abenteuerliche Hoffnung, ich könnte das Schicksal besänftigen.

Kein Mensch kann leben, wenn er sich noch seines Nächsten Bürde auf die Schultern lädt.

Ich hab die Welt nicht gemacht. Mögen Gott und der Zar sich um sie kümmern.

Kein Verbrechen ist gewöhnlich, aber Gewöhnlichkeit ist ein Verbrechen. Gewöhnlich ist das Benehmen der anderen.

Ich selbst würde alles für eine neue Erfahrung hingeben und weiß doch, daß es so etwas wie eine neue Erfahrung überhaupt nicht gibt.

Ich glaube, ich wäre eher bereit, für das zu sterben, woran ich nicht glaube, als für das, was ich als wahr erachte. Ich würde den Scheiterhaufen besteigen um eines Gefühls willen und Skeptiker bleiben, bis zuletzt!

Nur eins wird für mich immer unendlich faszinierend sein, das Mysterium der Stimmungen. Herr über diese Stimmungen zu sein ist köstlich, von ihnen beherrscht zu werden noch köstlicher.

Es gibt schreckliche Versuchungen, und es erfordert Kraft, Kraft und Mut, ihnen nachzugeben.

Sein ganzes Leben in einem einzigen Augenblick aufs Spiel zu setzen, alles mit einem Wurf zu wagen, einerlei ob der Preis Macht oder Lust ist – darin liegt keine Schwäche. Darin liegt ein entsetzlicher, ein gewaltiger Mut.

Ich kann allem widerstehen, außer der Versuchung.

Vergnügen ist das einzige, wofür man leben sollte. Nichts altert so schnell wie das Glück.

Wer verlangt Konsequenz? Der Dummkopf und der Doktrinär, diese langweiligen Leute, die immer an ihren Prinzipien festhalten bis zum bitteren Ende, bis die Praxis sie ad absurdum führte. Ich verlange sie wahrhaftig nicht. Ich schreibe, wie Emerson, über die Tür meiner Bibliothek das Wort »Laune«.

Das Leben fordert uns einen allzu hohen Preis ab für seine Güter, und was wir ihm für das kläglichste seiner Geheimnisse zu entrichten haben, ist ungeheuerlich, ist ohne Maß.

Vergnügen, Vergnügen! Was sonst sollte einen irgendwohin führen?

Die Verehrung der Sinne ist oft und sehr zu Recht geschmäht worden, da die Menschen instinktiv ein natürliches Angstgefühl vor Leidenschaften und Gemütsregungen empfinden, die stärker zu sein scheinen als sie selbst und von denen sie wissen, daß sie sie mit den weniger hochorganisierten Lebewesen teilen.

Er wußte, daß die Sinne nicht weniger als die Seele ihre geistigen Geheimnisse zu offenbaren haben.

Nur die Sinne können die Seele heilen, so wie nur die Seele die Sinne heilen kann.

Ein neuer Hedonismus – das ist es, was unser Jahrhundert braucht.

Simple Vergnügen. Sie sind die letzte Zuflucht der Komplizierten.

Ich habe nie das Glück gesucht. Wer braucht Glück? Ich habe den Genuß gesucht.

Ich kann eine Gemütsbewegung nicht wiederholen. Niemand kann das, außer den Sentimentalen.

Nur oberflächliche Leute brauchen Jahre, um ein Gefühl loszuwerden. Einer, der seiner selbst Herr ist, kann einen Kummer so leicht beenden, wie er sich ein Vergnügen ausdenken kann.

Gut sein heißt mit sich selbst in Einklang sein.

Mißklang ist die Nötigung, mit anderen zu harmonisieren. Das eigene Leben – das ist das Wichtigste.

Optimismus beginnt mit einem breiten Grinsen, und Pessimismus endet mit einer blauen Brille. Außerdem sind beide nur Pose.

Alle Beweggründe sind albern.

Man sollte immer ehrlich spielen – wenn man die Trümpfe in der Hand hat.

Man sollte immer etwas unglaubhaft sein.

Nur die Oberflächlichen kennen sich selbst.

Sich selbst zu lieben ist der Beginn einer lebenslangen Romanze.

Wer zwischen Seele und Körper irgendeinen Unterschied sieht, besitzt keines von beidem.

Die Harmonie von Seele und Leib – wieviel das bedeutet! Wir in unserm Wahnsinn haben die beiden getrennt und einen Realismus erfunden, der vulgär ist, eine Idealität, die unwirksam ist.

Dennoch glaube ich, wenn auch nur ein einziger sein Leben voll und ganz auslebte, jedem Gefühl Gestalt und jedem Gedanken Ausdruck gäbe und jeden Traum verwirklichte – dann, glaube ich, würde die Welt einen so frischen Antrieb zur Freude erhalten, daß wir all die mittelalterlichen Krankheiten vergessen und zu dem hellenischen Ideal zurückkehren würden – möglicherweise zu etwas Schönerem, Köstlicherem als dem hellenischen Ideal.

Seine Seele in eine anmutige Form zu gießen und sie einen Augenblick darin verweilen zu lassen; die Ansichten des eigenen Geistes als Echo zurückkehren zu hören, bereichert um den Wohlklang von Leidenschaft und Jugend; die eigene Stimmung dem andern zu vermitteln, als wäre sie ein feines Fluidum oder ein seltsamer Duft: darin lag eine echte Freude – möglicherweise die am meisten befriedigende Freude, die uns in einer so beschränkten und vulgären Zeit geblieben war, in einer Zeit, die überaus sinnlich in ihren Genüssen und überaus gewöhnlich in ihren Zielen war.

Die Basis des Charakters ist die Willenskraft.

Noch immer bleibt auf dem Gebiet der Seelenforschung viel zu tun.

Wir haben nur die Oberfläche der Seele berührt, nichts weiter. In einer einzigen Gehirnzelle sind schönere und schrecklichere Dinge bewahrt, als selbst jene sich erträumen ließen.

Die Seele des Menschen ist nicht an eine Erscheinungsform gebunden. Es gibt so viele Möglichkeiten der Vollkommenheit, wie es unvollkommene Menschen gibt.

Erfahrung ist der Name, den jeder seinen Irrtümern gibt.

Jeder Erfolg, den wir erzielen, verschafft uns einen Feind. Um beliebt zu sein, muß man ein unbedeutender Mensch sein.

Man sollte nie etwas tun, worüber man nach Tisch nicht plaudern kann.

Ich habe keine Angst vor dem Tod. Das Nahen des Todes ist es, wovor mir graust.

Eine Zigarette ist das vollendete Beispiel eines vollendeten Genusses. Sie ist köstlich und läßt einen unbefriedigt.

Erziehung ist eine wunderbare Sache, doch muß man sich von Zeit zu Zeit besinnen, daß nichts, was von Wert ist, gelehrt werden kann.

Natürlich sein ist bloß Pose, und die aufreizendste, die ich kenne.

Lachen ist durchaus kein schlechter Beginn für eine Freundschaft und ihr bei weitem bestes Ende.

Ich mache einen großen Unterschied zwischen den Leuten. Ich erwähle meine Freunde nach ihrem guten Aussehen, meine Bekannten nach ihrem guten Namen und meine Feinde nach ihrer gesunden Vernunft. Man kann nicht vorsichtig genug sein in der Wahl seiner Feinde. Ich besitze nicht einen, der ein Dummkopf wäre. Alle sind Menschen von einer gewissen geistigen Fähigkeit, und deshalb schätzen sie mich alle.

Mir sind Menschen lieber als Prinzipien, und Menschen ohne Prinzipien sind mir lieber als sonst etwas auf der Welt.

Nur Dumme urteilen nicht nach dem, was sie sehen. Das wahre Geheimnis der Welt ist das Sichtbare, nicht das Unsichtbare.

Philanthropen verlieren jedes Gefühl für Menschlichkeit. Das ist ihr hervorstechender Charakterzug.

Nur die oberflächlichen Qualitäten überdauern. Die tiefere Natur des Menschen wird bald entlarvt.

Eigentlich sage ich gewöhnlich, was ich wirklich denke. Heutzutage ein großer Fehler. Man setzt sich so sehr der Gefahr aus, verstanden zu werden.

Eine strenge und unumstößliche Regel, was man lesen sollte und was nicht, ist albern. Man sollte alles lesen. Mehr als die Hälfte unserer heutigen Bildung verdanken wir dem, was man nicht lesen sollte.

Ich weiß natürlich, wie wichtig es ist, eine geschäftliche Verabredung nicht einzuhalten, wenn man sich ein Gefühl für die Schönheit des Lebens bewahren will.

Ich habe nie Appetit, wenn ich nicht zuerst eine Blume fürs Knopfloch habe.

Es ist immer schmerzhaft, sich von Leuten zu trennen, die man für sehr kurze Zeit gekannt hat. Die Abwesenheit alter Freunde kann man mit Gleichmut ertragen. Aber die vorübergehende Trennung von jemandem, dem man gerade vorgestellt wurde, ist fast unerträglich.

Ich reise nie ohne mein Tagebuch. Man sollte im Zug immer etwas Aufregendes zum Lesen haben.

Schauspieler sind so glücklich dran. Sie können sich aussuchen, ob sie in einer Tragödie oder in einer Komödie auftreten wollen, ob sie leiden oder vergnügt sein, lachen oder Tränen vergießen wollen. Aber im wirklichen Leben ist das anders. Die meisten Männer und Frauen sind gezwungen, Rollen zu spielen, für die sie nicht geeignet sind.

Die Welt ist eine Bühne, aber das Stück ist schlecht besetzt.

Handlungen sind die erste Tragödie im Leben, Worte die zweite. Worte sind vielleicht die schlimmste. Worte sind erbarmungslos ...

Wenn ich mich im Park herumtrieb oder die Picadilly hinabschlenderte, pflegte ich jeden anzusehen, der an mir vorüberging, und mich mit wahnsinniger Neugier zu fragen, welch ein Leben er wohl führen mochte. Manche faszinierten mich. Andere erfüllten mich mit Schrecken. Ein köstliches Gift lag in der Luft. Ich empfand ein heftiges Verlangen nach Sensationen ...

Ich verabscheue meine Verwandten. Das kommt vermutlich daher, daß unsereins es nicht ausstehen kann, wenn andere Leute dieselben Fehler haben wie wir.

Verdammte Plage, die Verwandten! Aber sie machen einen so verdammt achtbar.

Zuerst lieben die Kinder ihre Eltern. Nach einer gewissen Zeit fällen sie ihr Urteil über sie. Und selten, wenn überhaupt je, verzeihen sie ihnen.

Die Liebe einer Mutter ist natürlich sehr rührend, aber oft merkwürdig egoistisch.

Ihre Mutter ist eine herzensgute Frau. Aber gute Frauen haben so beschränkte Ansichten vom Leben, ihr Horizont ist so eng, ihre Interessen so unbedeutend.

Einmal in der Woche mit den eigenen Verwandten zu speisen genügt vollauf.

Da ich jetzt darüber nachdenke, fällt mir ein, daß ich nie einen Mann seinen Bruder habe erwähnen hören. Der Gegensatz ist anscheinend den meisten Männern zuwider.

Ich habe nie in meinem Leben einen Bruder gehabt und habe bestimmt nicht die geringste Absicht, in Zukunft je einen zu bekommen.

Niemand schert sich heutzutage um entfernte Verwandte. Sie sind schon vor Jahren aus der Mode gekommen.

Ich kenne eine Menge Leute, die hunderttausend Dollar hergeben würden, um einen Großvater zu besitzen, und noch viel mehr für ein Familiengespenst.

Ich fürchte, du hast dem Gespräch von Leuten zugehört, die älter sind als du. Das hat immer seine Tücken, und wenn du das zur Gewohnheit werden läßt, wirst du entdecken, wie fatal es sich auf jede intellektuelle Entwicklung auswirkt.

Moral ist einfach die Haltung, die wir gegen Leute einnehmen, von denen wir persönlich nicht erbaut sind.

Der Schrecken vor der Gesellschaft, die das Fundament der Moral ist, der Schrecken vor Gott, der das Geheimnis der Religion ist – das sind die beiden Dinge, die uns beherrschen.

Kunst und Moral sind völlig verschiedene und getrennte Bereiche.

Ich billige oder mißbillige niemals etwas. Das ist eine abgeschmackte Haltung dem Leben gegenüber. Wir sind nicht in die Welt gesetzt worden, um uns mit unseren moralischen Vorurteilen aufzuspielen.

Genuß ist der Prüfstein der Natur, ist ihr Zeichen der Zustimmung. Wenn wir glücklich sind, sind wir immer gut; aber wenn wir gut sind, sind wir nicht immer glücklich.

Ich moralisiere nie. Ein Mann, der moralisiert, ist gewöhnlich ein Heuchler, und eine Frau, die moralisiert, ist unweigerlich häßlich.

Intellektuelle Verallgemeinerungen sind stets interessant, aber moralische Verallgemeinerungen bedeuten absolut nichts.

Der einzige Unterschied zwischen dem Heiligen und dem Sünder ist, daß jeder Heilige eine Vergangenheit hat und jeder Sünder eine Zukunft.

Wenn Sünder zu Heiligen sprechen, sind sie immer roh.

Romantische Kunst befaßt sich mit dem Ausnahmefall und mit dem Individuum. Gute Menschen, da sie nun einmal normale und daher alltägliche Typen sind, sind künstlerisch unergiebig. Böse Menschen sind, künstlerisch gesehen, faszinierende Studienobjekte. Sie sind farbig, anders, fremdartig.

Gute Menschen reizen die Geduld, böse Menschen reizen die Phantasie.

Der Puritanismus ist niemals so offensiv und destruktiv wie in seinem Verhalten zur Kunst. Auf diesem Gebiet ist sein Einfluß von Grund auf schädlich.

Außerdem hat er die schlimme Angewohnheit, sich in moralischen Platitüden zu ergehen. Er versichert uns andauernd, gut sein bedeute gut sein und böse sein bedeute böse sein. Manchmal wirkt er fast erbaulich.

Der Tugendbold ist ein höchst interessantes psychologisches Phänomen, und obwohl von allen Arten der Pose die moralische die anstößigste ist, will es immerhin etwas heißen, überhaupt eine Pose zu haben.

Es ist ein Verhängnis mit allen guten Vorsätzen. Sie werden unweigerlich zu früh gefaßt.

Jede Beschäftigung mit Vorstellungen von gutem und schlechtem Benehmen zeigt einen Stillstand in der geistigen Entwicklung an.

Gute Vorsätze sind nutzlose Versuche, in wissenschaftliche Gesetze einzugreifen. Ihr Ursprung ist pure Eitelkeit. Ihr Resultat ist entschieden gleich Null.

Gute Vorsätze sind Schecks, auf eine Bank gezogen, bei der man kein Konto hat.

Das Gewissen macht uns alle zu Egoisten.

Die Nächstenliebe ruft eine Menge Unheil hervor.

Das bloße Vorhandensein des Gewissens, dieser Fähigkeit, von der die Menschen heutzutage so töricht daherreden und auf die sie aus Unwissenheit so stolz sind, ist ein Zeichen unserer unvollkommenen Entwicklung.

Tugenden! Wer weiß, was Tugenden sind, du nicht, ich nicht, niemand.

Alle Nachahmung in Dingen der Moral und im Leben ist von Übel.

Jedes Mitgefühl ist edel, aber Mitgefühl mit dem Leiden ist am wenigsten edel. Es ist mit Selbstsucht vermischt. Es trägt den Keim des Ungesunden in sich. Es liegt eine gewisse Angst um unsere eigene Sicherheit darin. Wir fürchten, selbst in den gleichen Zustand wie der Aussätzige oder der Blinde zu geraten, und wir fürchten, daß dann niemand für uns sorgen würde.

Mitgefühl für den Schmerz wird es natürlich immer geben.

Es mag dem Menschen das Elend erleichtern, aber das Elend selbst bleibt.

Ich kann mit allem Mitleid haben, außer mit Leiden.

Dafür habe ich kein Mitleid. Es ist zu häßlich, zu abscheulich und zu peinlich. Es liegt etwas schrecklich Morbides in dem heutigen Mitleid mit dem Schmerz. Man sollte die Farbe, die Schönheit, die Lebensfreude mitempfinden. Je weniger über die Betrübnisse des Lebens geredet wird, um so besser ist es.

Ich billige auch keineswegs dieses moderne Mitgefühl mit Kranken. Ich halte es für morbid. Krankheit, gleich welcher Art, ist schwerlich etwas, das man bei anderen ermutigen sollte. Gesundheit ist die erste Pflicht im Leben.

So etwas wie einen guten Einfluß gibt es nicht.

Jeder Einfluß ist unmoralisch – unmoralisch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus.

Weil einen Menschen beeinflussen soviel bedeutet wie ihm die eigene Seele geben. Er denkt nicht mehr seine natürlichen Gedanken oder entflammt in seinen natürlichen Leidenschaften. Seine Tugenden gehören in Wahrheit nicht ihm. Seine Sünden, wenn es so etwas wie Sünden gibt, sind geborgt. Er wird das Echo der Musik eines andern, der Darsteller einer Rolle, die nicht für ihn geschrieben wurde. Das Ziel des Lebens ist Selbstentfaltung. Seine eigene Natur vollständig zu verwirklichen – das ist es, wozu jeder von uns da ist. Heutzutage haben die Leute Angst vor sich selbst. Sie haben die höchste aller Pflichten vergessen, die Pflicht, die man sich selbst schuldig ist.

Die Menschen nehmen sich selbst zu ernst. Das ist die Erbsünde der Welt. Hätte der Höhlenmensch zu lachen verstanden, wäre die Weltgeschichte anders verlaufen.

Er kam prinzipiell zu spät, da sein Grundsatz lautete, Pünktlichkeit stehle einem die Zeit.

Ihr Leute, die ihr soviel Wert auf Konsequenz legt, habt genauso viele Launen wie andere. Der einzige Unterschied ist, daß eure Launen ziemlich sinnlos sind.

Mäßigung ist eine fatale Sache. Genug ist so schlecht wie eine Mahlzeit. Mehr als genug ist so gut wie ein Festschmaus.

Pflicht ist das, was man von anderen erwartet, nicht, was man selbst tut.

Maß ist etwas Verhängnisvolles.

Nichts ist so erfolgreich wie das Übermaß.

Die Stoiker. Es sind unkultivierte Leute. Sie sind lächerlich.

Weder Kunst noch Wissenschaft kennen moralische Zustimmung oder Ablehnung.

Die Moral ist mir keine Stütze. Ich bin der geborene Antinomist. Ich gehöre zu denen, die für die Ausnahmen geschaffen sind, nicht für die Regel.

Während ich weiß, daß in dem, was man tut, nie ein Unrecht liegt, sehe ich ein, daß in dem, was man wird, Unrecht liegen kann. Es ist gut, das gelernt zu haben.

Wer Buße tut in Sack und Asche, ist ein Tropf, doch wer Buße tut mit einem Anzug von Doré, den er einem anderen schenken will, ist des Paradieses würdig.

Ich habe nie einen moralwütigen Menschen getroffen, der nicht herzlos, grausam, rachsüchtig, strohdumm und ohne die geringste Menschenliebe gewesen wäre. Sogenannte moralische Menschen sind wilde Tiere. Lieber hätte ich fünfzig unnatürliche Laster als eine unnatürliche Tugend. Denn die unnatürliche Tugend macht denen, die Leid tragen, die Welt zur vorzeitigen Hölle.

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