England und die Gesellschaft

England ist die Heimat der abgestandenen Ansichten.

England – Heimatland der Heuchler.

Vermutlich ist das alte England so übervölkert, daß sie nicht genügend anständiges Wetter für alle haben.

England wird nicht eher eine Kulturnation sein, als bis es das Reich der Utopie seinem Herrschaftsgebiet eingegliedert hat.

Es liegt etwas Tragisches in dem Umstand, daß heutzutage in England eine sehr große Zahl junger Leute mit vollkommenem Profil ins Leben treten und schließlich doch einer nützlichen Beschäftigung nachgehen.

Nur England konnte ihn hervorgebracht haben, und seine ständige Rede war, das Land gehe vor die Hunde.

Es gibt in England kein literarisches Publikum für etwas anderes als Zeitungen, Abc-Bücher und Enzyklopädien. Von allen Völkern der Welt haben die Engländer am wenigsten Sinn für die Schönheit der Literatur.

Das Wort doktrinär – ein Wort voller Schrecken für den britischen Geist.

Die angestammte Dummheit der Rasse – gesunden englischen Menschenverstand nannte er sie gönnerhaft – wurde als das eigentliche Bollwerk der Gesellschaft kundgetan.

Zum Glück ist das Denken, in England jedenfalls, nicht ansteckend.

Das Verbrechen ist in England selten die Folge der Sünde. Es ist beinahe immer die Folge des Hungers.

Die Fortdauer der Persönlichkeit ist ein sehr schwieriges Problem der Metaphysik, und die Art, wie das englische Gesetz die Frage löst, ist gewiß äußerst hemdsärmelig.

Mit einem jener charakteristischen britischen Gesichter, an die man sich nie erinnert, wenn man sie einmal gesehen hat.

Wenn man einem echten Engländer eine Idee mitteilt – was stets eine Unvorsichtigkeit ist –, läßt er sich nie im Traum einfallen, darüber nachzudenken, ob die Idee richtig oder falsch ist. Für wichtig hält er einzig und allein, ob man selber daran glaubt.

Engländer werden nach Tisch immer romantisch, und das langweilt mich entsetzlich.

Die Engländer können keinen Mann ertragen, der immer behauptet, recht zu haben, aber sie haben sehr viel übrig für einen Mann, der zugibt, im Unrecht gewesen zu sein.

In England ist ein Mann, der nicht zweimal in der Woche einer großen unmoralischen Zuhörerschaft aus dem Volke Moral predigen kann, als ernsthafter Politiker völlig erledigt. Ihm bliebe als Beruf nichts übrig als Botanik oder die Kirche.

Die Engländer glauben, ein Scheckbuch könne jedes Problem im Leben lösen.

Wenn man nur den Engländern das Reden und den Iren das Zuhören beibringen könnte, wäre die Gesellschaft recht zivilisiert.

Es ist schwer, den Engländern Mitleid oder Menschlichkeit zu lehren. Sie lernen langsam.

Sie sind in tiefer Trauer und hochfidel. So sind die Engländer.

Dem englischen Publikum wird immer wohl zumute, wenn eine Mediokrität zu ihm spricht.

Die britische Öffentlichkeit ist im Grunde genommen nicht der geistigen Anstrengung gewachsen, alle drei Monate mehr als ein Thema zu haben.

Die englische Gesellschaft ist auf den Hund gekommen, ein Haufen Niemande, die über nichts reden.

Ich liebe politische Gesellschaften. Das ist der einzige Ort, der uns geblieben ist, wo die Leute nicht über Politik reden.

In England versuchen die Leute wahrhaftig, beim Frühstück zu glänzen. Das ist so schrecklich an ihnen! Nur fade Leute glänzen beim Frühstück. Und außerdem pflegt das Familienskelett die Hausgebete zu lesen.

Ich liebe die Londoner Gesellschaft! Ich glaube, sie hat sich ungeheuer verbessert. Sie besteht jetzt durchweg aus schönen Schwachköpfen und brillanten Irren. Genauso, wie die Gesellschaft sein sollte.

Ein Mann, der eine Londoner Dinnertafel beherrschen kann, kann die Welt beherrschen. Die Zukunft gehört dem Dandy. Die Männer von Welt sind es, die herrschen werden.

Heutzutage sind die Menschen so vollendet oberflächlich, daß sie die Philosophie des Oberflächlichen nicht begreifen.

England ist schlimm genug und die englische Gesellschaft durchweg im Unrecht.

In diesem Land genügt es, wenn ein Mensch vornehm ist und Geist besitzt, daß sich jede gemeine Zunge an ihm wetzt.

Die Mittelklassen machen ihren moralischen Vorurteilen an ihren ungepflegten Mittagstischen Luft und flüstern über das, was sie die Ruchlosigkeiten der Vornehmen nennen, um den Eindruck zu erwecken, als stünden sie in engem Verkehr und auf vertrautem Fuß mit den Leuten, die sie verlästern.

Die Naturgesetze werden sich der britischen Aristokratie zuliebe nicht aufheben lassen.

London ist zu angefüllt von Nebeln – und ernsten Leuten.

Ob die Nebel die ernsten Leute erzeugen oder die ernsten Leute die Nebel, weiß ich nicht, aber das alles geht mir ziemlich auf die Nerven.

Ich bin nicht der Ansicht, daß England im Ausland durch einen unverheirateten Mann vertreten sein sollte.
Das könnte zu Komplikationen führen.

Ich sympathisiere durchaus mit dem Zorn der englischen Demokratie gegen das, was sie die Laster der Oberklasse nennen. Die Massen spüren, daß Trunksucht, Dummheit und Unsittlichkeit ihr ureigener Bereich sein sollte und daß jeder von uns, der sich zum Narren macht, in ihrem Jagdgehege wildert.

Die ganze Theorie von moderner Erziehung ist von Grund auf ungesund. Zum Glück bringt wenigstens in England die Erziehung keinerlei Erfolg hervor.

Meiner Ansicht nach kann überhaupt niemand moralisch verantwortlich gemacht werden für das, was er oder sie in einem englischen Landhaus tut.

London ist voll von Frauen, die ihren Männern vertrauen. Man kann sie stets herauserkennen. Sie sehen alle ganz unglücklich aus.

Die englischen Frauen verbergen ihre Gefühle bis nach der Hochzeit. Dann zeigen sie sie.

Die meisten Frauen in London scheinen heutzutage ihre Räume mit nichts als Orchideen, Ausländern und französischen Romanen auszustatten.

Die Londoner Gesellschaft ist voll von Frauen vornehmster Herkunft, die aus eigener freier Wahl seit Jahren fünfunddreißig geblieben sind.

Es ist einfach skandalös, wie viele Frauen in London mit ihren eigenen Ehemännern flirten. Es wirkt so anstößig.

Die englische junge Dame ist der Drache des guten Geschmacks.

Nur eine Sache auf der Welt ist schlimmer, als Gesprächsthema zu sein, nämlich nicht Gesprächsthema zusein.

Ich liebe Klatsch über andere Leute, aber Klatsch über mich interessiert mich nicht. Er besitzt nicht den Reiz der Neuheit.

»Klatsch hat nie eine Basis.« »Die Basis jeden Klatsches ist unmoralische Gewißheit.«

Das ist der Grund, warum es sie so freut, anderer Leute Geheimnisse zu entdecken. Es lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit von ihren eigenen ab.

Mir liegt überhaupt nichts daran zu erfahren, was die Leute hinter meinem Rücken sagen. Das macht mich viel zu eingebildet.

Ein Mann, über den viel geredet wird, ist natürlich immer sehr anziehend. Man hat das Gefühl, es muß schließlich etwas an ihm dran sein.

Wenn die Leute über andere reden, sind sie gewöhnlich langweilig. Erzählen sie dagegen von sich, dann werden sie fast immer interessant.

Eine öffentliche Meinung gibt es nur dort, wo Ideen fehlen.

Es ist höchst bedauerlich, daß man heutzutage so wenig unnütze Neuigkeiten erfährt.

Ich liebe langweilige sachliche Themen. Was ich nicht liebe, sind langweilige sachliche Leute. Das ist ein großer Unterschied.

Es ist absurd, Menschen in gute und schlechte einzuteilen. Menschen sind entweder reizend oder langweilig.

Ich bin jetzt nicht mehr der Ansicht, daß Menschen in gute und schlechte eingeteilt werden können, als seien sie zwei gesonderte Rassen oder Schöpfungen. Die sogenannten guten Frauen können Schreckliches in sich haben, Wahnsinnslaunen der Rücksichtslosigkeit, Behauptung, Eifersucht, Sünde. Schlechte Frauen, wie man sie bezeichnet, können zu Leid, Reue, Mitleid, Aufopferung fähig sein.

Andere Leute sind einfach schrecklich. Die einzig mögliche Gesellschaft hat man an sich selbst.

Kein Land auf der ganzen Welt hätte unpraktische Leute so nötig wie das unsere. Bei uns ist das Denken durch seine ständige Bindung an das Tun heruntergekommen.

Wir leben im Zeitalter der Überarbeiteten und der Untergebildeten; einem Zeitalter, in dem die Leute derart geschäftig sind, daß sie völlig verdummen. Und so hart es klingt, ich muß sagen, daß solche Leute ihr Los verdienen. Das sicherste Mittel, nichts über das Leben zu erfahren, ist der Versuch, sich nützlich zu machen.

Er hat nichts, sieht aber nach allem aus.

Wenn man nicht wohlhabend ist, nützt es einem nichts, ein reizender Kerl zu sein.

Männer, die Dandys, und Frauen, die Schätzchen sind, regieren die Welt oder sollten es zumindest.

Gut erzogen zu sein ist heutzutage ein großer Nachteil. Es schließt einen von so vielem aus.

Die Wilden scheinen über fast alles genau dieselben Ansichten zu haben wie zivilisierte Leute. Sie sind außerordentlich fortgeschritten.

Die Welt ist einfach in zwei Klassen geteilt – jene, die das Unglaubliche glauben, wie die Öffentlichkeit – und jene, die das Unwahrscheinliche tun.

Die gescheiten Leute hören nie zu, und die geistlosen Leute reden nie.

Nichts verärgert die Leute mehr, als wenn sie keine Einladungen erhalten.

Wenn Leute mit mir über das Wetter reden, habe ich immer das ganz sichere Gefühl, daß sie etwas anderes sagen wollen. Und das macht mich so nervös.

Wir sind wahrlich ein ermattetes Geschlecht, und wir haben unser Erstgeburtsrecht für ein Gericht von Tatsachen verkauft.

Im heutigen Leben ist nichts so wirkungsvoll wie eine bewährte Platitüde.

Im Abendanzug mit weißer Halsbinde kann jeder, selbst ein Makler, in den Ruf kommen, kultiviert zu sein.

Wenn jemand ein Gentleman ist, weiß er durchaus genug; ist er kein Gentleman, dann nützt ihm auch sein ganzes Wissen nichts.

Seine Zeit zu beseelen – das ist der Mühe wert.

Nur zwei Arten von Menschen sind wirklich faszinierend – Leute, die einfach alles wissen, und Leute, die überhaupt nichts wissen.

Bequemlichkeit ist das einzige, was uns unsere Zivilisation geben kann.

Heutzutage sind wir alle so knapp bei Kasse, daß Komplimente die einzig erfreulichen Ausgaben sind. Es sind die einzigen Ausgaben, die wir uns leisten können.

Er wird bestimmt einen erstaunlichen Erfolg haben. Er denkt wie ein Tory und spricht wie ein Radikaler, und das ist heutzutage so wichtig.

Im heutigen Leben bedeutet Spielraum alles.

Meine eigenen Angelegenheiten langweilen mich stets zu Tode. Die anderer Leute ziehe ich vor.

Man kann heutzutage alles überleben, außer den Tod, und alles zuschanden machen, außer einen guten Ruf.

Nichts ist so aufreizend wie Gelassenheit.

Sprechen Sie zu jeder Frau, als liebten Sie sie, und zu jedem Mann, als langweilte er Sie, und am Ende Ihrer ersten Saison werden Sie in dem Ruf stehen, den vollendetsten gesellschaftlichen Anstand zu besitzen.

Um heutzutage in die beste Gesellschaft zu gelangen, muß man entweder die Leute traktieren, amüsieren oder schockieren – weiter nichts!

Die Gesellschaft – dazuzugehören ist bloß langweilig. Aber nicht dazuzugehören ist einfach eine Tragödie. Die Gesellschaft ist etwas Notwendiges. Kein Mann hat irgendeinen wirklichen Erfolg auf dieser Welt, wenn er nicht Frauen hat, die ihn fördern, und Frauen beherrschen die Gesellschaft. Haben Sie keine Frauen auf Ihrer Seite, ist es mit Ihnen aus und vorbei. Ebensogut könnten Sie gleich ein Anwalt oder ein Makler oder ein Journalist sein.

Eine Bekanntschaft, die mit einem Kompliment beginnt, hat alle Aussicht, sich zu einer echten Freundschaft zu entwickeln. Sie beginnt auf die rechte Art.

Nur wenn man seine Rechnung nicht begleicht, kann man hoffen, im Gedächtnis der Geschäftswelt weiterzuleben.

Die Zeiten leben in der Geschichte durch ihre Anachronismen.

Die Kultur hängt von der Kochkunst ab.

Eine Weltkarte, die das Land Utopia nicht enthielte, wäre nicht wert, daß man einen Blick darauf wirft, denn auf ihr fehlt das einzige Land, in dem die Menschheit immer landet.

Fortschritt ist die Verwirklichung von Utopien.

Der Staat soll ein unabhängiger Erzeuger und Verteiler lebensnotwendiger Waren sein. Sache des Staates ist es, das Nützliche zu schaffen. Sache des Individuums ist es, das Schöne hervorzubringen.

Der nationale Haß ist immer dort am stärksten, wo's um die Kultur am schwächsten bestellt ist.

Wenn wir versucht sind, einer andern Nation den Krieg zu erklären, werden wir uns erinnern, daß wir im Begriff stehen, einen Teil unserer eigenen Kultur zu zerstören und vielleicht ihren wichtigsten Teil. Solange man den Krieg als etwas Böses ansieht, wird er seine Anziehungskraft behalten. Erst wenn man ihn als Niedertracht erkennt, wird er seine Popularität verlieren.

Er war bestürzt über den Zwiespalt zwischen dem seichten Optimismus seiner Zeit und den wirklichen Tatbeständen des Daseins. Er war noch sehr jung.

Erscheint man gut, nimmt einen die Gesellschaft durchaus ernst. Erscheint man schlecht, ist das nicht der Fall. Das ist die verblüffende Dummheit des Optimismus.

Die beiden schwachen Punkte in unserem Zeitalter sind sein Mangel an Prinzip und sein Mangel an Profil.

Wie alle Leute, die ein Thema zu erschöpfen suchen, erschöpfte er seine Zuhörer.

Heutzutage kennen die Leute von allem den Preis und von nichts den Wert.

Er sagt Dinge, die mich ärgern. Er gibt mir gute Ratschläge.

Die Leute lieben es fortzugeben, was sie selbst am nötigsten brauchen. Ich nenne das den Abgrund der Freigebigkeit.

Zu Leuten, an denen einem nichts liegt, kann man immer freundlich sein.

Wir leben in einer Zeit, die zuviel liest, um weise zu sein, und zuviel denkt, um schön zu sein.

Vielleicht erscheint man niemals so ungezwungen, als wenn man eine Rolle zu spielen hat.

Tod und Vulgarität sind im neunzehnten Jahrhundert die beiden einzigen Tatsachen, die nicht wegdemonstriert werden können.

»Was ist ein Zyniker?« »Ein Mann, der von allem den Preis und von nichts den Wert kennt.« »Und ein Sentimentaler

ist ein Mann, der in allem einen unsinnigen Wert sieht und von keiner einzigen Sache den Marktpreis kennt.«

»Meinen Sie wirklich, man sollte von jedem schlecht denken?«
»Ich halte es für viel ungefährlicher.
So lange natürlich, bis man feststellt, daß die betreffenden Leute gut sind. Aber das erfordert heutzutage eine Menge Nachforschungen.«

Tatsache ist, daß wir heutzutage alle so hasten und drängen, daß ich staunen muß, wenn wir nach einem Abend noch etwas an uns zurückbehalten. Ich weiß von mir selbst, wenn ich aus einer Gesellschaft zurückkomme, habe ich stets das Gefühl, als hätte ich nicht einen Fetzen am Leibe, außer einem kleinen Anstandsfetzen, gerade genug, die niederen Schichten zu hindern, daß sie peinliche Bemerkungen durch das Wagenfenster machen. Unsere Gesellschaft ist in der Tat fürchterlich überbevölkert.

Jeder, den man heutzutage trifft, ist ein Paradoxon. Das ist sehr verdrießlich. Es macht die Gesellschaft so durchsichtig.

Wenn man einen Besuch macht, dann geschieht das, um andrer Leute Zeit zu vergeuden, nicht die eigene.

Ich habe eine geschäftliche Verabredung, die ich ängstlich bestrebt bin ... zu versäumen!

Mir gefallen Frauen, die an menschenfreundlicher Tätigkeit interessiert sind, nicht so recht. Ich finde es so anmaßend.

Sprechen wir nicht über ernste Dinge. Ich bin mir allzusehr bewußt, daß wir in einer Zeit geboren sind, die nur die Dummheit ernst nimmt, und ich lebe in der Angst, nicht mißverstanden zu werden.

Es ist amoralisch, Privateigentum zur Milderung der schrecklichen Übelstände zu verwenden, die aus der Einrichtung des Privateigentums entspringen. Es ist nicht nur amoralisch, sondern auch unehrlich.

Demokratie ist nichts anderes als das Niederknüppeln des Volkes durch das Volk für das Volk.

Jede Autorität erniedrigt. Sie erniedrigt gleichermaßen Herrscher und Beherrschte. Wird sie gewalttätig, brutal und grausam ausgeübt, so ruft sie eine positive Wirkung hervor, indem sie den Geist der Revolte und den Individualismus anstachelt, der sie vernichten soll. Wird sie mit einer gewissen Großzügigkeit ausgeübt und werden Preise und Belohnungen vergeben, so ist ihre Wirkung furchtbar demoralisierend. In diesem Fall werden sich die Menschen des furchtbaren Druckes, der auf ihnen lastet, weniger bewußt und gehen in einer Art von vulgärem Wohlbehagen durch das Leben wie zahme Haustiere, ohne jemals zu erkennen, daß sie wahrscheinlich die Gedanken anderer Menschen denken, nach den Normen anderer Menschen leben, daß sie gewissermaßen nur die abgelegten Kleider der anderen tragen und niemals, auch nicht einen Augenblick lang, sie selbst sind.

Liest man die Geschichte, aber nicht in den bereinigten Ausgaben für Schüler und Examenskandidaten, sondern in den Originalwerken der Zeit, so ist man angewidert, nicht von den Verbrechen, die die Bösen begangen, sondern von den Strafen, die die Guten verhängt haben; und eine Gesellschaft verroht viel mehr durch die gewohnheitsmäßige Anwendung von Strafen als durch das gelegentliche Vorkommen von Verbrechen. Es ist erwiesen, daß desto mehr Verbrechen geschehen, je mehr Strafen verhängt werden.

Der Hunger, nicht die Sünde, ist in unserer Zeit die Ursache des Verbrechens. Darum sind unsere Verbrecher, als Klasse, vom psychologischen Standpunkt aus völlig uninteressant. Sie sind keine erstaunlichen Charaktere wie Macbeth oder schrecklich wie Vautrin. Sie sind nur, was die gewöhnlichen achtbaren Spießbürger wären, wenn sie nicht genug zu essen hätten.

Die Verbrecherklasse ist uns so nah, daß sogar der Gendarm sie sieht. Sie ist uns so fern, daß nur der Dichter sie versteht.

Es gibt drei Arten von Despoten: den Despoten, der den Leib knechtet, den Despoten, der die Seele knechtet, und den Despoten, der Leib und Seele gleichzeitig knechtet. Der erste ist der Fürst. Der zweite ist der Papst. Der dritte ist das Volk.

Vulgarität und Dummheit sind zwei äußerst lebendige Tatsachen im Leben von heute.

Die Ärzte taugen zu rein gar nichts, außer Honorar aus einem herauszuholen.

Obgleich ich Ärzte hasse, liebe ich Medizin.

Der Künstler kann nur eins nicht sehen: das Offensichtliche. Das Publikum kann nur eins sehen: das Offensichtliche. Resultat: die Zeitungskritik.

Selbst die Zeitungen sind entartet. Sie sind jetzt absolut vertrauenswürdig. Man spürt es, wenn man ihre Spalten durchkaut. Nur das, was nicht lesenswert ist, kommt einem vor Augen.

Spione sind heutzutage von keinem Nutzen. Mit dem Beruf ist es vorbei. Ihre Arbeit tun statt dessen die Zeitungen.

Was den modernen Journalismus angeht, so ist es nicht meine Aufgabe, ihn zu verteidigen. Er rechtfertigt seine Existenz nach dem großen Darwinschen Prinzip vom Überleben der Niedrigsten.

»Was ist der Unterschied zwischen Literatur und Journalismus?«
»Der Journalismus ist das Lesen nicht wert, und die Literatur wird nicht gelesen. Das ist alles.«

In früheren Zeiten bediente man sich der Folter. Heutzutage bedient man sich der Presse. Das ist gewiß ein Fortschritt.

Wir werden vom Journalismus beherrscht.

Politik interessiert mich nicht. Kaum ein einziger im Unterhaus ist es wert, gemalt zu werden, wenn auch vielen ein wenig Tünche guttäte.

Nun, da das Unterhaus versucht, sich nützlich zu machen, richtet es eine Menge Schaden an.

Nur Leute, die langweilig aussehen, gelangen jemals ins Unterhaus, und nur Leute, die langweilig sind, haben dort jemals Erfolg.

Wenn man in der Stadt ist, vertreibt man sich die Zeit. Ist man auf dem Land, vertreibt man anderen Leuten die Zeit. Das ist in höchstem Grade langweilig.

Ich persönlich kann nicht verstehen, wie es jemand fertigbringt, auf dem Lande zu existieren, sofern er ein Mensch von Bedeutung ist. Mich langweilt das Land stets zu Tode.

Irgendwie habe ich das bestimmte Gefühl, wenn ich sechs Monate auf dem Land lebte, würde ich so unkompliziert und natürlich werden, daß niemand auch nur die geringste Notiz von mir nähme.

Das reine, unverfälschte Landleben. Sie stehen früh auf, weil sie so viel zu tun haben, und gehen früh zu Bett, weil sie so wenig zu denken haben.

Auf dem Land kann jeder gut sein. Dort gibt es keine Versuchungen. Das ist der Grund, warum Leute, die nicht in der Stadt wohnen, so völlig unzivilisiert sind. Zivilisation ist keineswegs leicht zu erlangen. Es gibt nur zwei Wege, sie zu erwerben. Entweder man ist kultiviert, oder man ist verdorben. Landleute haben zu keinem von beiden die Gelegenheit, deshalb stagnieren sie.

Ich hatte keine Ahnung, daß es auf dem Lande Blumen gibt.

In der Armut ist der einzige Trost die Verschwendung. Im Reichtum ist der einzige Trost die Sparsamkeit.

Wenn die Armen nur Profil hätten, gäbe es keine Schwierigkeiten, das Problem der Armut zu lösen.

Es gibt nur eine Gesellschaftsklasse, die mehr an das Geld denkt als die Reichen, und das sind die Armen. Die Armen können an nichts anderes denken.

Das Problem der Sklaverei, wir versuchen, es zu lösen, indem wir den Armen die Zeit vertreiben.

Die wahre Tragödie der Armen ist, daß sie nichts anderes als Selbstverleugnung leisten können. Schöne Sünden sind wie schöne Dinge das Privileg der Reichen.

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