Dankbar erkannte Wieland die zarte Aufmerksamkeit und Teilnahme der Herzogin Amalia, die ihn, um seinem Geiste eine andere Richtung zu geben, im Juli 1802 nach Tiefurt eingeladen, und nach Wielands eignem Geständnisse, ihr Möglichstes getan hatte, ihn zu erheitern und vergessen zu machen, dass er, „ohne seine Alceste, die ihm kein Herkules wieder bringe,“ wohl zuweilen glücklich scheinen, doch nicht glücklich sein könne. „Der besten Fürstin zu Gefallen“, schrieb Wieland, „arbeite ich, wiewohl unter mancherlei Unterbrechungen, etwas langsam in den Vormittagsstunden an einer Übersetzung der Helena des Euripides. Bevor ich mit dieser Arbeit zu Stande bin, ist an den Aristipp nicht zu denken; denn mit diesem kann und will ich nicht anders, als mit ganzer Seele, mit ganzem Gemüt und mit allen mir noch übrigen Kräften mich beschäftigen.“

Ermuntert fühlte sich Wieland zu dem eben erwähnten Werke, das später unter dem Titel: „Aristipp und seine Zeitgenossen“ erschien, durch die Teilnahme, die ihm nicht bloß in seinen nächsten Umgebungen, sondern auch durch briefliche Mittheilungen entgegen kam. „Was Sie mir“, schrieb er an Göschen, „über die Entwicklung und Ausführung der beiden Hauptcharaktere des Aristipp und der Lais schreiben, hat mir großes Vergnügen gemacht. Solche Leser, für welche nicht nur im Detail nichts verloren geht, sondern die auch Sinn für die Komposition, Haltung und Ausführung des Ganzen haben, d.h. gerade für das, worauf Alles ankommt — solcher Leser wünsch' ich mir recht viele. Aber unglücklicher Weise gibt es deren unter hundert kaum Einen, weil in der Tat beinahe eben so viel Genie, Kopf, Bildung und Kunstsinn dazu erfordert wird, ein solcher Leser zu sein, als ein Autor, der im Stande ist, solche Leser zu befriedigen.“

Unter einzelnen Unterbrechungen hatte Wieland so fleißig an seinem „Aristipp“ gearbeitet, dass er im Sommer 1801 das vollständige Manuskript seinem Verleger Göschen senden zu können glaubte. Das Werk erlitt jedoch eine Unterbrechung durch die Idee, seinem „Aristipp“ eine ausführliche Beurteilung der vorzüglichsten Werke Platos in den Mund zu legen. Schon vier Monate, schrieb Wieland an Göschen, beschäftige ihn einzig die Lösung dieser Aufgabe. „Sie können sich nicht vorstellen,“ heißt es in jenem Briefe, „was für ein Stück Arbeit dies ist. Wenn ich aber so glücklich sein sollte, mich mit Ehren aus der Sache zu ziehen, so wird es das wichtigste und beste Morceau meines ganzen Werks sein.“ Über den Umfang desselben war Wieland eine Zeitlang nicht mit sich einig. „Es findet sich“, schrieb er, „dass ich mit dem vierten Bande allerdings schließen kann, aber dass die Ausführung meines Plans, den Aristipp bis nahe an seinen Tod fortzuführen, wenigstens noch einen starken Band erfordern würde. Im vierten kann ich ihn nicht weiter bringen, als bis zum Tode seiner Kleone und zu seinem Entschluss, Cyrene wieder zu verlassen, und sich zu seinem Freunde Philistus zu Syrakus zu wenden. Ich bin aber gleichwohl entschlossen, es vor der Hand bei den vier Bänden zu lassen, und nicht eher an den fünften zu gehen, als bis unsre — merken, dass dem Werke noch was fehlt, und bis sie Ursache finden, mich nicht als Freund, sondern als Verleger, zum fünften Bande aufzufordern. Dabei muss und wird es einstweilen bleiben; denn wenn ich noch vor Fertigung dieses fünften Bandes aus der Welt ginge, so blieben die vier Bände ein doch für sich bestehendes Werk, und Niemand hätte sich zu beklagen, dass es unvollständig wäre.“

Eine Art von Fragment blieb gleichwohl der „Aristipp“, so lange Wieland nicht den vierten Band dieses Werks geliefert hatte. Darüber war jedoch eine geraume Zeit vergangen. Der Grund zu dieser Zögerung war der Gesundheitszustand seiner geliebten Dorothea. Wieland schwebte fortwährend zwischen Furcht und Hoffnung. Bei seinem Freunde und Verleger Göschen entschuldigte er sich, dass es ihm in den letzten sechs Wochen physisch und moralisch unmöglich gewesen sei, irgend einer Geistesarbeit sich mit dem freien und muntern Sinne zu widmen, der eine der unerlässlichsten Bedingungen sei. „Sein Sie indes versichert“, schrieb Wieland, „dass ich nicht ruhen werde, bis das Werk vollendet, und so vollendet ist, dass ich selbst einiges Wohlgefallen daran haben kann.“

Diesem Vorsatz blieb er treu, ohne sich durch den damals entworfenen Plan irre machen zu lassen, nach dem Muster des Théatre des Grecs, gemeinschaftlich mit Böttiger und Jacobs ein „Theater der Griechen“ herauszugeben, welches Übersetzungen, mit Anmerkungen und Abhandlungen begleitet, enthalten sollte. Von der Ausarbeitung des fünften Bandes seines „Aristipp“ ward Wieland indes bald wieder abgelenkt durch mehrfache neue Entwürfe zu literarischen Arbeiten, die jedoch zum Teil unausgeführt blieben, wie unter andern das Werk „Osmanstädtische Unterhaltungen“ betitelt, worin er einige sehr gelungene Erzählungen seines Sohnes Ludwig aufnehmen, und ihn dadurch als Schriftsteller ins Publikum einführen wollte.

Wielands literarische Tätigkeit war damals sehr groß. Ehe er seinen „Aristipp“ vollendet hatte, lieferte er einige Seitenstücke zu diesem Werke. Dahin gehörten die beiden griechischen Gemälde „Menander und Glycerion“, und „Krates und Hipparchia“, die er als Taschenbuch für die Jahre 1804 und 1805 herausgab, und außerdem sechs Erzählungen, zuerst in Almanachen gedruckt und hierauf unter dem Titel: „das Hexameron von Rosenhain“ in einem Bändchen vereinigt. Wieland war dadurch mit mehreren Buchhändlern in Verbindung getreten, mit Cotta in Tübingen, Wilmans in Bremen, und Vieweg in Braunschweig, wodurch sich sein vieljähriger Verleger Göschen verletzt fühlte. Wieland suchte ihn zu beruhigen. „Ich kann“, schrieb er, „den Gedanken nicht ertragen, dass die Irrungen, die ein doppeltes Paar alter Griechen und Griechinnen unschuldiger Weise zwischen uns veranlasst haben, das Grab unserer vieljährigen Freundschaft sein sollten. Ich glaube, Sie können sich meinen kleinen Verkehr mit den Taschenbüchern um so mehr gefallen lassen, da Sie auch nichts dagegen hätten, wenn ich dergleichen Aufsätze im Merkur abdrucken ließe, der noch unter meinem Namen und Böttigers Redaktion fortläuft. Wäre es nicht Torheit gewesen, wenn ich, in meinen Umständen, solche Gelegenheiten nicht hätte benutzen wollen?“

Schon in einem früheren Briefe an Göschen hatte Wieland offen gestanden, dass „die eiserne Not, die ehemals den Horaz zum Dichter gemacht, ihn drücke und dränge, und dass er alles, was seine alte Muse noch gebäre, bald möglichst in bares Geld umsetzen müsste.“ Dadurch hoffte er wenigstens einigermaßen sich die sorgenvolle Lage zu erleichtern, in die er durch den Kauf seines Guts, durch mannigfache kostspielige Bauten und Verbesserungen, und durch den geringen jährlichen Ertrag seines Besitztums geraten war. Dass er „bei seiner Landwirtschaft keine Seide spinne,“ gestand er offen seinem vieljährigen Freunde Göschen.

„Ich habe,“ schrieb Wieland den 21. April 1802, „eine Last auf mich geladen, unter der ich erliegen würde, wenn ich nicht ernstlich darauf bedacht wäre, sie je eher je lieber von meinen alten Schultern abzuwälzen, insofern es ohne Nachtheil und vielmehr zum wirklichen Vorteil meiner armen Kinder geschehen kann. Solange der holde Engel, der mich vor sechs Monaten verlassen musste, noch sichtbar um mich war, fühlt' ich diese Last zwar auch, aber sie drückte mich weniger. Ich hatte mehr Muth und Hoffnung, mehr Lust und Freudigkeit zum Arbeiten, und alles, was mein Geist unternahm, ging leicht und munter von statten. Seitdem ist alles leider ganz anders. — Ich fühle, wenn ich noch einige Jahre den Meinigen, der Welt und meinen Freunden leben soll, so ist es schlechterdings notwendig, dass ich mich gänzlich schuldenfrei mache — und dazu ist möglicher Weise nur Ein Mittel. Das ganze Gut zu verkaufen, wenn sich auch ein Käufer dazu fände, der mir dafür geben wollte, was mich's kostet, dazu kann ich mich aus mehreren und verschiedenen Ursachen nicht entschließen. Meine Idee ist, das Gut zu zerschlagen, den Pavillon, den ich bewohne, nebst dem Garten und einer einzigen Hufe Ackerland für mich zu behalten, aus allem Übrigen aber ein für sich bestehendes kleines Erblehngut zu machen, und es gegen bare Bezahlung an den, der Lust dazu haben wird, zu verkaufen. Da das Gütchen so klein ist, so ist es natürlicher Weise keine Sache für reiche Leute. Indessen könnte und sollte sich doch wohl in ganz Germanien unter 24 Millionen Menschen irgend Jemand finden, dem gerade ein solches kleines Landgut anstünde, und in dessen Augen es dadurch noch einen besonderen Wert erhielte, dass er mein lieber Nachbar würde, und (alles vorausgesetzt, was hierbei vorauszusetzen ist), mit mir und meiner Familie in einem beiden Teilen angenehmen freundschaftlichen Verhältnis leben könnte. Wenn meine Imagination bei guter Laune ist, so poetisiert sie mir verschiedene Arten möglicher Subjekte vor, die hierzu geeignet sein könnten. Ich gestehe übrigens gern, dass diese meine Idee einem utopischen Traum ziemlich ähnlich sieht. Indessen sind doch schon viel unwahrscheinlichere Dinge realisiert worden.“

Im August 1802 meldete Wieland seinen Entschluss, das ganze Gut zu verkaufen, doch mit Vorbehalt des von ihm bewohnten Hauses und dazu gehörigen Gartens, von welchem er jedoch den usum fructuum und jede selbstbeliebige Benutzung dem Käufer des Guts überlassen wolle. „Der Garten,“ schrieb er, „soll, so lange es nur immer möglich sein wird, meiner Familie bleiben, und dies umso mehr, da er das heilige Grab meiner Geliebten, und dereinst auch das meinige neben ihr, in sich schließt. Finde ich einen annehmlichen Käufer zum Gute, so lebe ich künftig wieder in der Stadt, und bringe nur die schöne Jahreszeit in meiner Osmanstädtischen Villa zu.“

Eine unverhoffte Fügung des Schicksals, oder, wie Wieland sich ausdrückte, „seines, noch immer zu seinem Besten geschäftigen guten Genius,“ hatte ihm im Februar 1803 in dem Hofrat Kühn aus Hamburg einen Käufer seines Guts zugeführt, der sich zu der Kaufsumme von 30,000 Thalern. anheischig machte. „So ungern,“ schrieb Wieland, „ich mich auch von dem Boden trenne, worin die heiligen Gebeine meiner geliebten Dorothea ruhen, so kann ich diesen Verkauf doch nicht anders, als für das Glücklichste halten, was mir in meinem Leben noch begegnen konnte. Ich bin dadurch von einer Last befreit, die mich öfters zu Boden drückte; ich werde auf einmal schuldenfrei, und es bleibt immer noch so viel übrig, dass ich für meine noch unversorgten Kinder ungleich mehr tun kann, als mir möglich gewesen wäre, wenn ich das Gut noch länger hätte behaupten müssen.“

Wielands damalige Briefe enthielten mehrfache rührende Geständnisse über seine drückende Lage und über die Mittel, die er ergriffen, sie durch eine erweiterte literarische Tätigkeit zu verbessern, die beinahe seine Kräfte überstieg. In Bezug auf seine Beiträge zu mehreren Taschenbüchern schrieb er: „Ich schäme mich, dass ich durch die Etourderie, mit der ich mein ganzes Leben hindurch zu kämpfen gehabt, mich selbst in meinem siebzigsten Jahre noch zu Projekten solcher Art hinreißen lassen konnte. Aber die Summe, deren ich bedurfte, um bloß meine unvermeidlichen Ausgaben zu bestreiten, stand, zumal in den letzten Jahren, mit dem Ertrag des Gutes und meiner übrigen fixen Einnahmen in einem so unproportionierten Verhältnis, dass ich, um das sehr beträchtliche Defizit zu decken, alle meine Kräfte aufbieten musste, das Vakuum, das Ceres und Pales in meinem Beutel ließen, durch den Ertrag der Früchte meines Geistes zu ersetzen. Ich fühlte von Zeit zu Zeit, dass ich über Vermögen arbeitete, oder wenigstens dass ich, wenn es noch länger so fortgehen müsste, Gefahr liefe, in den traurigen Zustand von Erschlaffung und Kraftlosigkeit zu geraten. Aber Not hat kein Gesetz. Die Hoffnung, mein Gut ohne beträchtlichen Schaden verkaufen zu können, war sehr gering, die Last, die auf mir lag, immer drückender, und die Gefahr, mit jedem Jahr ärmer zu werden, immer größer. Welche Lage für einen Siebzigjährigen, von einer zahlreichen Familie umgebenen Mann von meiner Sinnesart und Konstitution!“

Mit Böttiger, der ihn kurz zuvor besuchte, ehe sich im Februar 1803 sein früher so heiß ersehntes Idyllenleben in Osmanstädt schloss, durchwanderte Wieland noch einmal den geräumigen Garten. Nicht ohne Rührung betrachtete er alle seine Lieblingsplätze. Eine tiefe Wehmut ergriff ihn, als er vor den Gräbern seiner Dorothea und der Sophie Brentano stand, und sich sagen musste, dass er auch diese in fremden Händen zurücklassen müsste. Nach einigem Schweigen sagte Wieland: „Ich traue es dem wackeren Käufer meines Guts zu, dass die Stätte, wo auch ich einst neben meiner Gattin begraben zu sein wünsche, ihm stets heilig und unantastbar sein werde.“ Darin täuschte sich Wieland nicht. Der neue Besitzer seines Gutes ehrte die heilige Stätte, wo die geliebten Toten ruhten.

In einem Schreiben aus Osmanstädt an die Herzogin Amalia hatte Wieland sich sehr gefreut, eine Wohnung in der Nähe des Palastes seiner von ihm innig verehrten Fürstin beziehen zu können. Aus den Fenstern seiner von dem Schauspielhause nur durch einen Garten getrennten Wohnung sah er auf freundliche Anlagen hinaus, in denen, wie er sich äußerte, die geliebte Fürstin als „die wohltätigste aller Feen walte.“ Nur der Vergünstigung eines Schlüssels, meinte er, werde es bedürfen, um mit aller Bequemlichkeit ins Himmelreich einzugehen. „Denn das wird für mich,“ schrieb er, „jeder Ort sein, wo sich die über alles verehrte und geliebte Fürstin aufhält, deren Huld und herablassende Güte so wohltätige Sonnenblicke auf den späten Abend meines Lebens geworfen.“

Seine kühnsten Erwartungen übertraf die wohlwollende Aufnahme, die Wieland, als er wieder nach Weimar zurückgekehrt war, bei der hochherzigen Fürstin fand. Sie zog ihn in ihre nächsten Umgebungen und erweiterte den Kreis seiner älteren Freunde durch neue Bekanntschaften, unter denen ihm Fernow, nach Jagemanns Tode zum Bibliothekar der Herzogin ernannt, eine der interessantesten war. Während des Sommeraufenthalts der Fürstin in Tiefurt befand sich Wieland oft dort. Wie sie ihn überall auszeichnete, bewies auch sein Ehrenplatz in der herzoglichen Loge. Seine Liebe zur Bühne, auf der damals manches vielversprechende Talent sich entfaltete, fand wieder neue Nahrung, und er bedurfte nicht mehr der Opfer, mit denen er während seines Aufenthalts in Osmanstädt den theatralischen Genuss hatte erkaufen müssen. Erfreulich und belehrend waren für ihn auch die damaligen Kunstausstellungen unter Goethes und Meiers Leitung. Wieland glaubte so wenigstens einigen Ersatz dafür zu finden, dass die von Goethe herausgegebene Zeitschrift: „die Propyläen“, für die er sich lebhaft interessiert, aufgehört hatte.

So vereinigten sich mehrere Umstände, ihn in einer ruhigen Gemütsstimmung zu erhalten, die jedoch durch den Tod Herders am 18. Dezember 1803 heftig erschüttert ward. Seiner Freundin Sophie la Roche schrieb er damals: „Es ist ein großer unersetzlicher Verlust für seine Familie, für die Welt und für seine Freunde. Er war mein bester und gewissermaßen mein einziger Freund in Weimar. Ich habe sehr viel an ihm verloren, und hatte große Ursache, auch um meiner selbst willen zu wünschen, dass er, der so beträchtlich jüngere Mann, mich Alten überleben möchte. Geduld und Ergebung ist alles, was uns in solchen Fällen übrig ist; und mir wird diese Ergebung freilich insofern leichter, als mein Gefühl für Schmerz und für Freude durch den 8. November 1801 abgestumpft worden ist. Indessen ist es Pflicht, sich für die Lebenden so lange als möglich zu erhalten, und sich an der geistigen Gemeinschaft genügen zu lassen, dass wir mit unsern Geliebten, nachdem sie unsern Augen und Armen entschwunden sind, uns noch immer fort unterhalten können. Das egoistische Gefühl unseres Verlustes ist menschlich; aber immer verliert es sich wieder in dem süßen Gedanken, dass sie ausgelitten haben, dass ihnen nun wohl ist, und unendlich besser, als uns.“

In ein dumpfes Hinbrüten artete Wielands Ergebung in das unvermeidliche Schicksal selten aus, und seine Tätigkeit ward dadurch nicht gelähmt. Von besonderem Interesse war in seiner damaligen Stimmung für ihn die Schrift: „Meiner Gattin wirkliche Erscheinung nach ihrem Tode.“ Ihr Verfasser, Dr. Wötzel, hatte sie dem Herzog von Weimar zugeeignet, und sie ward in einem Hofzirkel, in welchem sich auch Wieland befand, vorgelesen und vielfach besprochen. Den 20. Oktober 1804 schrieb Wieland an seinen Freund und Verleger Göschen: „Ich arbeite seit einigen Monaten an einem kleinen Werke, wovon ich aus wesentlichen Ursachen wünsche, und es daher zu einer Bedingung machen muss, dass es besonders, und als ein Werk für sich, im Buchhandel erscheine. Der Titel ist: Euthanasia, oder Gespräche über das Leben nach dem Tode, veranlasst durch die Schrift: Meiner Gattin wirkliche Erscheinung nach ihrem Tode. Diese Euthanasia wird aus drei oder vier Dialogen bestehen, wovon der erste und größte vollkommen fertig ist. Das Ganze wird mich noch bis Ende dieses Jahres beschäftigen.“

Ein sehr scharfes Urteil fällte Wieland in einem späteren Briefe über die vorhin erwähnte Schrift und ihren Verfasser. „Ich glaube,“ schrieb er, „dass der Herr Doktor oder Magister Wötzel durch meine Analyse seines über allen Ausdruck elenden und abgeschmackten Buchs in Reputation kommen wird. Aber damit er Ursache habe, sich dafür bei mir zu bedanken, möcht' ich ihm raten, sich in bevorstehender Messe um Geld sehen zu lassen. Wirklich wäre ein Hermaphrodit mit drei Köpfen, sechs Armen und vier Beinen kein sehenswürdigerer Irrtum der Natur, als dieser in seiner Art gewiss einzige Mensch, in welchem Dummheit, Eigendünkel, Pfiffigkeit, Albernheit und Plattheit auf eine Art, die allen Psychologen zu schaffen machen sollte, vereinigt sind. Wer sollte nicht vier Groschen daran spenden, ein solches Missgeschöpf mit Augen zu sehen!“

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