Die Bestrebungen der Neuzeit zielen dahin, das Ideal des »freien Menschen« aufzustellen. Könnte man's finden, gäb's eine neue – Religion, weil ein neues Ideal, gäbe ein neues Sehnen, ein neues Abquälen, eine neue Andacht, eine neue Gottheit, eine neue Zerknirschung.

Mit dem Ideal der »absoluten Freiheit« wird dasselbe Unwesen getrieben, wie mit allem Absoluten, und nach Heß z. B. soll sie »in der absoluten menschlichen Gesellschaft realisierbar sein«. Ja diese Verwirklichung wird gleich nachher ein »Beruf« genannt; ebenso bestimmt er dann die Freiheit als »Sittlichkeit«: es soll das Reich der »Gerechtigkeit« (d. i. Gleichheit) und »Sittlichkeit« (d. i. Freiheit) beginnen usw.

Lächerlich ist, wer, während Genossen seines Stammes, Familie, Nation usw. viel gelten, – nichts ist als »aufgebläht« über der Genossen Verdienst; verblendet aber auch derjenige, der nur »Mensch« sein will. Keiner von ihnen setzt seinen Wert in die Ausschließlichkeit, sondern in die Verbundenheit oder in das »Band«, welches ihn mit Andern zusammenschließt, in die Blutsbande, Nationalbande, Menschheitsbande.

Durch die heurigen »Nationalen« ist der Streit wieder rege geworden zwischen denen, welche bloß menschliches Blut und menschliche Blutsbande zu haben meinen, und den andern, welche auf ihr spezielles Blut und die speziellen Blutsbande pochen.

Sehen Wir davon ab, daß Stolz eine Überschätzung ausdrücken könnte, und nehmen Wir's allein für Bewußtsein, so findet sich ein ungeheurer Abstand zwischen dem Stolze darauf, einer Nation »anzugehören«, also ihr Eigentum zu sein, und dem, eine Nationalität sein Eigentum zu nennen. Die Nationalität ist meine Eigenschaft, die Nation aber meine Eignerin und Herrin. Hast Du Körperstärke, so kannst Du sie geeigneten Ortes anwenden und auf sie ein Selbstgefühl oder Stolz haben; hat hingegen dein starker Körper Dich, so juckt er Dich überall und am ungeeignetsten Orte, seine Stärke zu zeigen: Du kannst Keinem die Hand geben, ohne sie ihm zu drücken.

Die Einsicht, daß man mehr als Familienglied, mehr als Stammesgenosse, mehr als Volksindividuum usw. sei, hat endlich dahin geführt zu sagen: man ist mehr als alles dies, weil man Mensch ist, oder: der Mensch ist mehr als der Jude, Deutsche usw. »Darum sei Jeder ganz und allein – Mensch!« Konnte man nicht lieber sagen: Weil Wir mehr als das Angegebene sind, darum wollen Wir sowohl dies als auch jenes »mehr« sein? Also Mensch und Deutscher, Mensch und ein Welfe usw.? Die Nationalen haben Recht; man kann seine Nationalität nicht verleugnen, und die Humanen haben Recht: man muß nicht in der Borniertheit des Nationalen bleiben. In der Einzigkeit löst sich der Widerspruch: das Nationale ist meine Eigenschaft. Ich aber gehe nicht in meiner Eigenschaft auf, wie auch das Menschliche meine Eigenschaft ist, Ich aber dem Menschen erst durch meine Einzigkeit Existenz gebe.

Die Geschichte sucht den Menschen: er ist aber Ich, Du, Wir. Gesucht als ein mysteriöses Wesen, als das Göttliche, erst als der Gott, dann als der Mensch (die Menschlichkeit, Humanität und Menschheit), wird er gefunden als der Einzelne, der Endliche, der Einzige.

Ich bin Eigner der Menschheit, bin die Menschheit und tue nichts für das Wohl einer andern Menschheit. Tor, der Du eine einzige Menschheit bist, daß Du Dich aufspreizest, für eine andere, als Du selbst bist, leben zu wollen.

Das bisher betrachtete Verhältnis Meiner zur Menschenwelt bietet einen solchen Reichtum an Erscheinungen dar, daß es bei anderen Gelegenheiten wieder und wieder aufgenommen, hier aber, wo es nur im Großen anschaulich gemacht werden sollte, abgebrochen werden muß, um einer Auffassung zweier andern Seiten, nach denen hin es ausstrahlt, Platz zu machen. Da Ich Mich nämlich nicht bloß zu den Menschen, soweit sie den Begriff »Mensch« in sich darstellen oder Menschenkinder sind (Kinder des Menschen, wie von Kindern Gottes geredet wird), in Beziehung finde, sondern auch zu dem, was sie von dem Menschen haben und ihr Eigenes nennen, also Mich nicht allein auf das, was sie durch den Menschen sind, sondern auch auf ihre menschliche Habe beziehe: so wird außer der Menschenwelt auch die Sinnen- und Ideenwelt in den Kreis der Besprechung zu ziehen und sowohl von dem, was die Menschen an sinnlichen, als dem, was sie an geistigen Gütern ihr eigen nennen, einiges zu sagen sein.

Je nachdem man den Begriff des Menschen entwickelt und sich vorstellig gemacht hatte, gab man Uns denselben als diese oder jene Respektsperson zu achten, und aus dem weitesten Verständnis dieses Begriffes ging endlich das Gebot hervor: »in Jedem den Menschen zu respektieren«. Respektiere Ich aber den Menschen, so muß mein Respekt sich gleichfalls auf das Menschliche oder das, was des Menschen ist, erstrecken.

Es haben die Menschen Eigenes, und Ich soll dies Eigene anerkennen und heilig halten. Ihr Eigenes besteht teils in äußerlicher, teils in innerlicher Habe. Jenes sind Dinge, dieses Geistigkeiten, Gedanken, Überzeugungen, edle Gefühle usw. Aber immer nur die rechtliche oder menschliche Habe soll Ich respektieren; die unrechtliche und unmenschliche brauche Ich nicht zu schonen, denn der Menschen wirklich Eigenes ist nur das Eigene des Menschen. Innerliche Habe dieser Art ist z. B. die Religion; weil die Religion frei, d. h. des Menschen ist, darum darf Ich sie nicht antasten. Ebenso ist eine innerliche Habe die Ehre; sie ist frei und darf von Mir nicht angetastet werden. (Injurienklage, Karikaturen usw.) Religion und Ehre sind »geistiges Eigentum«. Im dinglichen Eigentum steht obenan die Person: meine Person ist mein erstes Eigentum. Daher Freiheit der Person; aber nur die rechtliche oder menschliche Person ist frei, die andere wird eingesperrt. Dein Leben ist Dein Eigentum; es ist aber den Menschen nur heilig, wenn es nicht das eines Unmenschen ist.

Was der Mensch als solcher an körperlichen Gütern nicht behaupten kann, dürfen Wir ihm nehmen: dies der Sinn der Konkurrenz, der Gewerbefreiheit. Was er an geistigen Gütern nicht behaupten kann, verfällt Uns gleichfalls: so weit geht die Freiheit der Diskussion, der Wissenschaft, der Kritik.

Aber unantastbar sind die geheiligten Güter. Geheiligt und garantiert durch wen? Zunächst durch den Staat, die Gesellschaft, eigentlich aber durch den Menschen oder den »Begriff«, den »Begriff der Sache«: denn der Begriff der geheiligten Güter ist der, daß sie wahrhaft menschliche seien, oder vielmehr, daß sie der Inhaber als Mensch und nicht als Unmensch besitze.

Geistigerseits ist ein solches Gut der Glaube des Menschen, seine Ehre, sein sittliches, ja sein Anstands-, Schamgefühl usw. Ehrenrührige Handlungen (Reden, Schriften) sind strafbar; Angriffe auf »den Grund aller Religion«; Angriffe auf den politischen Glauben, kurz Angriffe auf Alles, was ein Mensch »mit Recht« hat.

Wie weit der kritische Liberalismus die Heiligkeit der Güter ausdehnen würde, darüber hat er noch keinen Ausspruch getan und wähnt auch wohl, aller Heiligkeit abhold zu sein; allein da er gegen den Egoismus ankämpft, so muß er diesem Schranken setzen und darf den Unmenschen nicht über das Menschliche herfallen lassen. Seiner theoretischen Verachtung der »Masse« müßte, wenn er die Gewalt gewönne, eine praktische Zurückweisung entsprechen.

Welche Ausdehnung der Begriff »Mensch« erhalte, und was durch ihn dem einzelnen Menschen zukomme, was also der Mensch und das Menschliche sei, darüber liegen die verschiedenen Stufen des Liberalismus auseinander, und der politische, der soziale, der humane Mensch nehmen, der eine immer mehr als der andere, für »den Menschen« in Anspruch. Wer diesen Begriff am besten gefaßt hat, der weiß am besten, was »des Menschen« ist. Der Staat faßt diesen Begriff noch in politischer, die Gesellschaft in sozialer Beschränktheit, die Menschheit erst, so heißt es, erfaßt ihn ganz oder »die Geschichte der Menschheit entwickelt ihn«. Ist aber »der Mensch gefunden«, dann kennen Wir auch das dem Menschen Eigene, das Eigentum des Menschen, das Menschliche.

Mag aber der einzelne Mensch darum, weil ihn der Mensch oder der Begriff Mensch, d. h. weil ihn sein Menschsein dazu »berechtigt«, auf noch so viel Rechte Anspruch machen: was kümmert Mich sein Recht und sein Anspruch? Hat er sein Recht nur von dem Menschen und hat er's nicht von Mir, so hat er für Mich kein Recht. Sein Leben z. B. gilt Mir nur, was Mir' s wert ist. Ich respektiere weder sein sogenanntes Eigentumsrecht oder sein Recht auf dingliche Güter, noch auch sein Recht auf das »Heiligtum seines Innern«, oder sein Recht darauf, daß die geistigen Güter und Göttlichkeiten, seine Götter, ungekränkt bleiben. Seine Güter, die sinnlichen wie die geistigen, sind mein und Ich schalte damit als Eigentümer nach dem Maße meiner – Gewalt.

Die Eigentumsfrage birgt einen weiteren Sinn in sich, als die beschränkte Fragstellung herauszubringen erlaubt. Auf das, was man unsere Habe nennt, allein bezogen, ist sie keiner Lösung fähig; die Entscheidung findet sich erst bei dem, »von welchem Wir Alles haben«. Vom Eigner hängt das Eigentum ab.

Die Revolution richtete ihre Waffen gegen Alles, was »von Gottes Gnaden« kam, z. B. gegen das göttliche Recht, an dessen Statt das menschliche befestigt wurde. Dem von Gottes Gnaden Verliehenen wird das »aus dem Wesen des Menschen« Hergeleitete entgegengestellt.

Wie nun das Verhältnis der Menschen zueinander im Gegensatz zum religiösen Dogma, welches ein »Liebet Euch untereinander um Gottes willen« gebietet, seine menschliche Stellung durch ein »Liebet einander um des Menschen willen« erhalten mußte, so konnte die revolutionäre Lehre nicht anders, als, was zunächst die Beziehung der Menschen auf die Dinge dieser Welt betrifft, feststellen, daß die Welt, die bisher nach Gottes Ordnung eingerichtet war, hinfort »dem Menschen« gehöre.

Die Welt gehört »dem Menschen«, und soll von Mir als sein Eigentum respektiert werden.

Eigentum ist das Meinige!

Eigentum im bürgerlichen Sinne bedeutet heiliges Eigentum, der Art, daß Ich dein Eigentum respektieren muß. »Respekt vor dem Eigentum!« Daher möchten die Politiker, daß Jeder sein Stückchen Eigentum besäße, und haben durch dies Bestreben zum Teil eine unglaubliche Parzellierung herbeigeführt. Jeder muß seinen Knochen haben, daran er was zu beißen finde.

Anders verhält sich die Sache im egoistischen Sinne. Von deinem und eurem Eigentum trete Ich nicht scheu zurück, sondern sehe es stets als mein Eigentum an, woran Ich nichts zu »respektieren« brauche. Tuet doch desgleichen mit dem, was Ihr mein Eigentum nennt!

Bei dieser Ansicht werden Wir Uns am leichtesten miteinander verständigen.

Die politischen Liberalen tragen Sorge, daß womöglich alle Servituten abgelöst werden, und Jeder freier Herr auf seinem Grunde sei, wenn dieser Grund auch nur so viel Bodengehalt hat, als von dem Dünger Eines Menschen sich hinlänglich sättigen läßt. (Jener Bauer heiratete noch im Alter, »damit er vom Kote seiner Frau profitiere.«) Sei es auch noch so klein, wenn man nur Eigenes, nämlich ein respektiertes Eigentum hat! Je mehr solcher Eigener, solcher Kotsassen, desto mehr »freie Leute und gute Patrioten« hat der Staat.

Es rechnet der politische Liberalismus, wie alles Religiöse, auf den Respekt, die Humanität, die Liebestugenden. Darum lebt er auch in unaufhörlichem Ärger. Denn in der Praxis respektieren eben die Leute nichts, und alle Tage werden die kleinen Besitzungen wieder von größeren Eigentümern aufgekauft, und aus den »freien Leuten« werden Tagelöhner.

Hätten dagegen die »kleinen Eigentümer« bedacht, daß auch das große Eigentum das ihrige sei, so hätten sie sich nicht selber respektvoll davon ausgeschlossen, und würden nicht ausgeschlossen worden sein.

Das Eigentum, wie die bürgerlichen Liberalen es verstehen, verdient die Angriffe der Kommunisten und Proudhons: es ist unhaltbar, weil der bürgerliche Eigentümer wahrhaft nichts als ein Eigentumsloser, ein überall Ausgeschlossener ist. Statt daß ihm die Welt gehören könnte, gehört ihm nicht einmal der armselige Punkt, auf welchem er sich herumdreht.

Proudhon will nicht den propriétaire, sondern den possesseur oder usufruitier. Was heißt das? Er will, daß der Boden nicht Einem gehöre; aber der Nutzen desselben – und gestände man ihm auch nur den hundertsten Teil dieses Nutzens, dieser Frucht, zu – der ist ja doch sein Eigentum, mit welchem er nach Belieben schalten kann. Wer nur den Nutzen eines Ackers hat, ist allerdings nicht der Eigentümer desselben; noch weniger, wer, wie Proudhon will, von diesem Nutzen so viel abgeben muß, als zu seinem Bedarf nicht notwendig erfordert wird; allein er ist der Eigentümer des ihm verbleibenden Anteils. Also negiert Proudhon nur dies und jenes Eigentum, nicht das Eigentum. Wenn Wir den Grundeigentümern den Grund nicht länger lassen, sondern Uns zueignen wollen, so vereinigen Wir Uns zu diesem Zwecke, bilden einen Verein, eine société, die sich zur Eigentümerin macht; glückt es Uns, so hören jene auf, Grundeigentümer zu sein. Und wie von Grund und Boden, so können Wir sie noch aus manchem andern Eigentum hinausjagen, um es zu unserm Eigentum zu machen, zum Eigentum der – Erobernden. Die Erobernden bilden eine Sozietät, die man sich so groß denken kann, daß sie nach und nach die ganze Menschheit umfaßt; aber auch die sogenannte Menschheit ist als solche nur ein Gedanke (Spuk); ihre Wirklichkeit sind die Einzelnen. Und diese Einzelnen werden als eine Gesamtmasse nicht weniger willkürlich mit Grund und Boden umgehen, als ein vereinzelter Einzelner, oder sogenannter propriétaire. Auch so bleibt also das Eigentum bestehen, und zwar auch als »ausschließlich«, indem die Menschheit, diese große Sozietät, den Einzelnen von ihrem Eigentum ausschließt (ihm vielleicht nur ein Stück davon verpachtet, zu Lehn gibt), wie sie ohnehin alles, was nicht Menschheit ist, ausschließt, z. B. die Tierwelt nicht zum Eigentum kommen läßt. – So wird's auch bleiben und werden. Dasjenige, woran Alle Anteil haben wollen, wird demjenigen Einzelnen entzogen werden, der es für sich allein haben will, es wird zu einem Gemeingut gemacht. Als an einem Gemeingut hat Jeder daran seinen Anteil, und dieser Anteil ist sein Eigentum. So ist ja auch in unseren alten Verhältnissen ein Haus, welches fünf Erben gehört, ihr Gemeingut; der fünfte Teil des Ertrages aber ist eines Jeden Eigentum. Proudhon konnte sein weitläufiges Pathos sparen, wenn er sagte: Es gibt einige Dinge, die nur Wenigen gehören, und auf die Wir übrigen von nun an Anspruch oder – Jagd machen wollen. Laßt sie Uns nehmen, weil man durch's Nehmen zum Eigentum kommt, und das für jetzt noch uns entzogene Eigentum auch nur durch's Nehmen an die Eigentümer gekommen ist. Es wird sich besser nutzen lassen, wenn es in Unser Aller Händen ist, als wenn die Wenigen darüber verfügen. Assoziieren wir Uns daher zu dem Zwecke dieses Raubes (vol). – Dafür schwindelt er Uns vor, die Sozietät sei die ursprüngliche Besitzerin und die einzige Eigentümerin von unverjährbarem Rechte; an ihr sei der sogenannte Eigentümer zum Diebe geworden. (La propriété c'est le vol); wenn sie nun dem dermaligen Eigentümer sein Eigentum entziehe, so raube sie ihm nichts, da sie nur ihr unverjährbares Recht geltend mache. – So weit kommt man mit dem Spuk der Sozietät als einer moralischen Person. Im Gegenteil gehört dem Menschen, was er erlangen kann: Mir gehört die Welt. Sagt Ihr etwas anderes mit dem entgegengesetzten Satze: »Allen gehört die Welt«? Alle sind Ich und wieder Ich usw. Aber Ihr macht aus den »Allen« einen Spuk, und macht ihn heilig, so daß dann die »Alle« zum fürchterlichen Herrn des Einzelnen werden. Auf ihre Seite stellt sich dann das Gespenst des »Rechtes«.

Proudhon, wie die Kommunisten, kämpfen gegen den Egoismus. Darum sind sie Fortsetzungen und Konsequenzen des christlichen Prinzips, des Prinzips der Liebe, der Aufopferung für ein Allgemeines, ein Fremdes. Sie vollenden z. B. im Eigentum nur, was längst der Sache nach vorhanden ist, nämlich die Eigentumslosigkeit des Einzelnen. Wenn es im Gesetze heißt: Ad reges potestas omnium pertinet, ad singulos proprietas; omnia rex imperio possidet, singuli dominio, so heißt dies: Der König ist Eigentümer, denn Er allein kann über »Alles« verfügen, schalten, er hat potestas und imperium darüber. Die Kommunisten machen dies klarer, indem sie jenes imperium der »Gesellschaft Aller« übertragen. Also: Weil Feinde des Egoismus, darum sind sie – Christen, oder allgemeiner: religiöse Menschen, Gespenstergläubige, Abhängige, Diener irgend eines Allgemeinen (Gottes, der Gesellschaft usw.). Auch darin gleicht Proudhon den Christen, daß er dasjenige, was er den Menschen abspricht, Gott beilegt. Ihn nennt er (z. B. Seite 90) den Propriétaire der Erde. 84 Hiermit beweist er, daß er den Eigentümer als solchen nicht wegdenken kann; er kommt zuletzt auf einen Eigentümer, verlegt ihn aber ins Jenseits.

Eigentümer ist weder Gott noch der Mensch (die »menschliche Gesellschaft«), sondern der Einzelne.

Proudhon (auch Weitling) glaubt das Schlimmste vom Eigentum auszusagen, wenn er es einen Diebstahl (vol) nennt. Ganz abgesehen von der verfänglichen Frage, was gegen den Diebstahl Gegründetes einzuwenden wäre, fragen Wir nur: Ist der Begriff »Diebstahl« überhaupt anders möglich, als wenn man den Begriff »Eigentum« gelten läßt. Wie kann man stehlen, wenn nicht schon Eigentum vorhanden ist? Was Keinem gehört, kann nicht gestohlen werden: das Wasser, welches Einer aus dem Meere schöpft, stiehlt er nicht. Mithin ist nicht das Eigentum Diebstahl, sondern durch das Eigentum erst wird ein Diebstahl möglich. Auch muß Weitling darauf hinauskommen, da er ja Alles als Eigentum Aller betrachtet: ist Etwas »Eigentum Aller«, so stiehlt freilich der Einzelne, der sich's zueignet.

Das Privateigentum lebt von der Gnade des Rechts. Nur im Rechte hat es seine Gewähr – Besitz ist ja noch nicht Eigentum, er wird erst »das Meinige« durch Zustimmung des Rechts –; es ist keine Tatsache, nicht un fait, wie Proudhon meint, sondern eine Fiktion, ein Gedanke. Das ist das Rechtseigentum, rechtliches Eigentum, garantiertes Eigentum. Nicht durch Mich ist es mein, sondern durch's – Recht.

Dennoch ist Eigentum der Ausdruck für die unumschränkte Herrschaft über Etwas (Ding, Tier, Mensch), womit »Ich schalten und walten kann nach Gutdünken«. Nach römischem Rechte freilich ius utendi et abutendi re sua, quatenus iuris ratio patitur, ein ausschließliches und unumschränktes Recht; aber Eigentum wird durch Gewalt bedingt. Was Ich in der Gewalt habe, das ist mein eigen. Solange Ich Mich als Inhaber behaupte, bin Ich der Eigentümer der Sache; entgeht Mir's wieder, gleichviel durch welche Macht, z. B. durch mein Anerkenntnis eines Anrechts Anderer an die Sache –, so ist das Eigentum erloschen. So fällt Eigentum und Besitz in Eins zusammen. Nicht ein außerhalb meiner Gewalt liegendes Recht legitimiert Mich, sondern lediglich meine Gewalt; habe Ich die nicht mehr, so entschwindet mir die Sache. Als die Römer keine Gewalt mehr gegen die Germanen hatten, gehörte diesen das Weltreich Rom, und es klänge lächerlich, wollte man darauf bestehen, die Römer seien dennoch die eigentlichen Eigentümer geblieben. Wer die Sache zu nehmen und zu behaupten weiß, dem gehört sie, bis sie ihm wieder genommen wird, wie die Freiheit Dem gehört, der sie sich nimmt. –

Über das Eigentum entscheidet nur die Gewalt, und da der Staat, gleichviel ob Staat der Bürger oder der Lumpe oder der Menschen schlechthin, der allein Gewaltige ist, so ist er allein Eigentümer; Ich, der Einzige, habe nichts, und werde nur belehnt, bin Lehnsmann und als solcher Dienstmann. Unter der Herrschaft des Staates gibt es kein Eigentum Meiner.

Ich will den Wert Meiner heben, den Wert der Eigenheit, und sollte das Eigentum herabsetzen? Nein; wie Ich seither nicht geachtet wurde, weil man Volk, Menschheit und tausend andere Allgemeinheiten darüber setzte, so ist auch bis auf diesen Tag das Eigentum noch nicht in seinem vollen Werte anerkannt worden. Auch das Eigentum war nur Eigentum eines Gespenstes, z. B. Volkseigentum; meine ganze Existenz »gehörte dem Vaterlande«: Ich gehörte dem Vaterlande, dem Volke, dem Staate an, darum auch Alles, was Ich mein eigen nannte. Man fordert von den Staaten, sie sollen den Pauperismus beseitigen. Mir scheint, das heißt verlangen, der Staat solle sich selbst den Kopf abschneiden und vor die Füße legen; denn solange der Staat das Ich ist, muß das einzelne Ich ein armer Teufel, ein Nicht-Ich sein. Der Staat hat nur ein Interesse daran, selbst reich zu sein; ob Michel reich und Peter arm ist, gilt ihm gleich; es könnte auch Peter reich und Michel arm sein. Er sieht gleichgültig zu, wie der Eine verarmt, der Andere reich wird, unbekümmert um dies Wechselspiel. Als Einzelne sind sie vor seinem Angesichte wirklich gleich, darin ist er gerecht: sie sind beide vor ihm – Nichts, wie Wir »vor Gott allzumal Sünder sind«; dagegen hat er ein sehr großes Interesse daran, daß diejenigen Einzelnen, welche Ihn zu ihrem Ich machen, an seinem Reichtum Teil haben: er macht sie zu Teilnehmern an seinem Eigentum. Durch Eigentum, womit er die Einzelnen belohnt, kirrt er sie; es bleibt aber sein Eigentum, und Jeder hat nur so lange den Nießbrauch davon, als er das Ich des Staates in sich trägt, oder ein »loyales Glied der Gesellschaft« ist; im Gegenfalle wird das Eigentum konfisziert oder durch peinliche Prozesse zu Wasser gemacht. Das Eigentum ist und bleibt sonach Staatseigentum, nicht Eigentum des Ichs. Daß der Staat nicht willkürlich dem Einzelnen entzieht, was er vom Staate hat, ist nur dasselbe, wie dies, daß der Staat sich selbst nicht beraubt. Wer ein Staats-Ich, d. h. ein guter Bürger oder Untertan ist, der trägt als solches Ich, nicht als eigenes, das Lehen ungestört. Dies nennt der Kodex dann so: Eigentum ist, was ich »von Gottes und Rechts wegen« mein nenne. Von Gottes und Rechts wegen ist es aber nur mein, solange – der Staat nichts dagegen hat.

In den Expropriationen, Waffenablieferungen und Ähnlichem (wie denn z. B. der Fiskus Erbschaften einzieht, wenn die Erben sich nicht zeitig genug melden) springt ja das sonst verdeckte Prinzip, daß nur das Volk, »der Staat«, Eigentümer sei, der Einzelne hingegen Lehnsträger, deutlich in die Augen.

Der Staat, dies wollte Ich sagen, kann nicht beabsichtigen, daß Jemand um sein[er] selbst willen Eigentum habe, oder gar reich, ja nur wohlhabend sei, er kann Mir als Mir nichts zuerkennen, zukommen lassen, nichts gewähren. Der Staat kann dem Pauperismus nicht steuern, weil die Pauvretät des Besitzes eine Pauvretät Meiner ist. Wer nichts ist, als was der Zufall oder ein Anderer, nämlich der Staat, aus ihm macht, der hat ganz mit Recht auch nichts, als was ein Anderer ihm gibt. Und dieser Andere wird ihm nur geben, was jener verdient, d. h. was er durch Dienen wert ist. Nicht Er verwertet sich, sondern der Staat verwertet ihn.

Die Nationalökonomie beschäftigt sich viel mit diesem Gegenstande. Er liegt indes weit über das »Nationale« hinaus und geht über die Begriffe und den Horizont des Staats, der nur Staatseigentum kennt und nur dieses verteilen kann. Deshalb knüpft er den Besitz des Eigentums an Bedingungen, wie er Alles daran knüpft, z. B. die Ehe, indem er nur die von ihm sanktionierte Ehe gelten läßt, und sie meiner Gewalt entreißt. Eigentum ist aber nur mein Eigentum, wenn Ich dasselbe unbedingt inne habe: nur Ich, als unbedingtes Ich, habe Eigentum, schließe ein Liebesverhältnis, treibe freien Handel.

Der Staat bekümmert sich nicht um Mich und das Meine, sondern um Sich und das Seine: Ich gelte ihm nur als sein Kind etwas, als »Landeskind«, als Ich bin Ich gar nichts für ihn. Was Mir als Ich begegnet, ist für den Verstand des Staates etwas Zufälliges: mein Reichtum wie meine Verarmung. Bin Ich aber mit allem Meinigen für ihn ein Zufall, so beweist dies, daß er Mich nicht begreifen kann: Ich gehe über seine Begriffe, oder sein Verstand ist zu kurz, um Mich zu begreifen. Darum kann er auch nichts für Mich tun.

Der Pauperismus ist die Wertlosigkeit Meiner, die Erscheinung, daß Ich Mich nicht verwerten kann. Deshalb ist Staat und Pauperismus Ein und dasselbe. Der Staat läßt Mich nicht zu meinem Werte kommen und besteht nur durch meine Wertlosigkeit: er geht allezeit darauf aus, von Mir Nutzen zu ziehen, d. h. Mich zu exploitieren, auszubeuten, zu verbrauchen, bestände dieser Verbrauch auch nur darin, daß Ich für eine proles sorge (Proletariat); er will, Ich soll »seine Kreatur« sein.

Nur dann kann der Pauperismus gehoben werden, wenn Ich als Ich Mich verwerte, wenn Ich Mir selber Wert gebe, und meinen Preis selber mache. Ich muß Mich empören, um emporzukommen.

Was Ich schaffe, Mehl, Leinwand oder Eisen und Kohlen, die Ich der Erde mühsam abgewinne, usw., es ist meine Arbeit, die Ich verwerten will. Da kann Ich aber lange klagen, meine Arbeit werde Mir nicht nach ihrem Werte bezahlt; es wird der Bezahlende Mich nicht hören und der Staat gleichfalls so lange apathisch sich verhalten, bis er glaubt, Mich »beschwichtigen« zu müssen, damit Ich nicht mit meiner gefürchteten Gewalt hervorbreche. Bei dieser »Beschwichtigung« aber wird es sein Bewenden haben, und fällt Mir mehr zu verlangen ein, so wendet sich der Staat wider Mich mit aller Kraft seiner Löwentatzen und Adlerklauen: denn er ist der König der Tiere, ist Löwe und Adler. Lasse Ich Mir nicht genügen an dem Preise, den er für meine Ware und Arbeit festsetzt, trachte Ich vielmehr, den Preis meiner Ware selbst zu bestimmen, d. h. »Mich bezahlt zu machen«, so gerate Ich zunächst mit den Abnehmern der Ware in einen Konflikt. Löste sich dieser durch ein Übereinkommen von beiden Seiten, so würde der Staat nicht leicht Einwendungen machen; denn wie die Einzelnen miteinander fertig werden, kümmert ihn wenig, so fern sie ihm dabei nur nicht in den Weg kommen. Sein Schaden und seine Gefahr beginnt erst da, wo sie nicht miteinander auskommen, sondern, weil keine Ausgleichung stattfindet, sich bei den Köpfen fassen. Der Staat kann es nicht dulden, daß der Mensch zum Menschen in einem direkten Verhältnisse stehe; er muß dazwischentreten als – Mittler, muß – intervenieren. Was Christus war, was die Heiligen, die Kirche, das ist der Staat geworden, nämlich »Mittler«. Er reißt den Menschen vom Menschen, um sich als »Geist« in die Mitte zu stellen. Die Arbeiter, welche höheren Lohn verlangen, werden als Verbrecher behandelt, sobald sie ihn erzwingen wollen. Was sollen sie tun? Ohne Zwang bekommen sie ihn nicht, und im Zwange sieht der Staat eine Selbsthilfe, eine vom Ich gesetzte Preisbestimmung, eine wirkliche, freie Verwertung seines Eigentums, die er nicht zulassen kann. Was sollen also die Arbeiter anfangen? Auf sich halten und nach dem Staate nichts fragen? – –

Wie es sich aber mit meiner gegenständlichen Arbeit verhält, so auch mit meiner geistigen. Es erlaubt Mir der Staat alle meine Gedanken zu verwerten und an den Mann zu bringen (Ich verwerte sie ja z. B. schon dadurch, daß sie Mir von den Zuhörern Ehre einbringen u. dergl.); allein nur so lange als meine Gedanken – seine Gedanken sind. Hege Ich dagegen Gedanken, welche er nicht approbieren, d. h. zu den seinigen machen kann, so erlaubt er Mir durchaus nicht, sie zu verwerten, sie in den Austausch, den Verkehr zu bringen. Meine Gedanken sind nur frei, wenn sie Mir durch die Gnade des Staats vergönnt sind, d. h. wenn sie Gedanken des Staats sind. Frei philosophieren läßt er Mich nur, sofern Ich Mich als »Staatsphilosoph« bewähre; gegen den Staat darf Ich nicht philosophieren, so gerne er's auch nachsieht, daß Ich ihm von seinen »Mängeln« helfe, ihn »fördere«. – Also wie Ich Mich nur als ein vom Staate gnädigst verstattetes, als ein mit seinem Legitimitätszeugnis und Polizeipasse versehenes Ich betragen darf, so ist es Mir auch nicht vergönnt, das Meinige zu verwerten, es sei denn, daß es sich als das Seinige ausweise, welches Ich von ihm zu Lehen trage. Meine Wege müssen seine Wege sein, sonst pfändet er Mich; meine Gedanken seine Gedanken, sonst stopft er Mir den Mund.

Vor nichts hat der Staat sich mehr zu fürchten, als vor dem Werte Meiner, und nichts muß er sorgfältiger zu verhüten suchen, als jede Mir entgegenkommende Gelegenheit, Mich selbst zu verwerten. Ich bin der Todfeind des Staates, der stets in der Alternative schwebt: Er oder Ich. Darum hält er strenge darauf, nicht nur Mich nicht gelten zu lassen, sondern auch das Meinige zu hintertreiben. Im Staate gibt es kein – Eigentum, d. h. kein Eigentum des Einzelnen, sondern nur Staatseigentum. Nur durch den Staat habe Ich, was Ich habe, wie Ich nur durch ihn bin, was Ich bin. Mein Privateigentum ist nur dasjenige, was der Staat Mir von dem Seinigen überläßt, indem er andere Staatsglieder darum verkürzt (priviert): es ist Staatseigentum.

Im Gegensatze aber zum Staate, fühle Ich immer deutlicher, daß Mir noch eine große Gewalt übrigbleibt, die Gewalt über Mich selbst, d. h. über alles, was nur Mir eignet und nur ist, indem es mein eigen ist.

Was fange Ich an, wenn meine Wege nicht mehr seine Wege, meine Gedanken nicht mehr seine Gedanken sind? Ich halte auf Mich, und frage nichts nach ihm! An meinen Gedanken, die Ich durch keine Beistimmung, Gewährung oder Gnade sanktionieren lasse, habe Ich mein wirkliches Eigentum, ein Eigentum, mit dem Ich Handel treiben kann. Denn als das Meine sind sie meine Geschöpfe, und Ich bin im Stande, sie wegzugeben gegen andere Gedanken: Ich gebe sie auf und tausche andere für sie ein, die dann mein neues erkauftes Eigentum sind.

Was ist also mein Eigentum? Nichts als was in meiner Gewalt ist! Zu welchem Eigentum bin Ich berechtigt? Zu jedem, zu welchem Ich Mich – ermächtige. Das Eigentums-Recht gebe Ich Mir, indem Ich Mir Eigentum nehme, oder Mir die Macht des Eigentümers, die Vollmacht, die Ermächtigung gebe.

Worüber man Mir die Gewalt nicht zu entreißen vermag, das bleibt mein Eigentum; wohlan so entscheide die Gewalt über das Eigentum, und Ich will Alles von meiner Gewalt erwarten! Fremde Gewalt, Gewalt, die Ich einem Andern lasse, macht Mich zum Leibeigenen; so möge eigene Gewalt Mich zum Eigner machen. Ziehe Ich denn die Gewalt zurück, welche Ich Andern aus Unkunde über die Stärke meiner eigenen Gewalt eingeräumt habe! Sage Ich Mir, wohin meine Gewalt langt, das ist mein Eigentum, und nehme Ich alles als Eigentum in Anspruch, was zu erreichen Ich Mich stark genug fühle, und lasse Ich mein wirkliches Eigentum so weit reichen, als Ich zu nehmen Mich berechtige, d. h. – ermächtige.

Hier muß der Egoismus, der Eigennutz entscheiden, nicht das Prinzip der Liebe, nicht die Liebesmotive, wie Barmherzigkeit, Mildtätigkeit, Gutmütigkeit oder selbst Gerechtigkeit und Billigkeit (denn auch die iustitia ist ein Phänomen der – Liebe, ein Liebesprodukt): die Liebe kennt nur Opfer und fordert »Aufopferung«.

Der Egoismus denkt nicht daran etwas aufzuopfern, sich etwas zu vergeben; er entscheidet einfach: Was Ich brauche, muß Ich haben und will Ich Mir verschaffen.

Alle Versuche, über das Eigentum vernünftige Gesetze zu geben, liefen vom Busen der Liebe in ein wüstes Meer von Bestimmungen aus. Auch den Sozialismus und Kommunismus kann man hiervon nicht ausnehmen. Es soll jeder mit hinreichenden Mitteln versorgt werden, wobei wenig darauf ankommt, ob man sozialistisch sie noch in einem persönlichen Eigentum findet, oder kommunistisch aus der Gütergemeinschaft schöpft. Der Sinn der Einzelnen bleibt dabei derselbe, er bleibt Abhängigkeitssinn. Die verteilende Billigkeitsbehörde läßt Mir nur zukommen, was ihr der Billigkeitssinn, ihre liebevolle Sorge für Alle, vorschreibt. Für Mich, den Einzelnen, liegt ein nicht minderer Anstoß in dem Gesamtvermögen, als in dem der einzelnen Andern; weder jenes ist das meinige, noch dieses: ob das Vermögen der Gesamtheit gehört, die Mir davon einen Teil zufließen läßt, oder einzelnen Besitzern, ist für Mich derselbe Zwang, da Ich über keins von beiden bestimmen kann. Im Gegenteil, der Kommunismus drückt Mich durch Aufhebung alles persönlichen Eigentums nur noch mehr in die Abhängigkeit von einem Andern, nämlich von der Allgemeinheit oder Gesamtheit, zurück, und so laut er immer auch den »Staat« angreife, was er beabsichtigt, ist selbst wieder ein Staat, ein status, ein meine freie Bewegung hemmender Zustand, eine Oberherrlichkeit über Mich. Gegen den Druck, welchen Ich von den einzelnen Eigentümern erfahre, lehnt sich der Kommunismus mit Recht auf; aber grauenvoller noch ist die Gewalt, die er der Gesamtheit einhändigt.

Der Egoismus schlägt einen andern Weg ein, um den besitzlosen Pöbel auszurotten. Er sagt nicht: Warte ab, was Dir die Billigkeitsbehörde im Namen der Gesamtheit – schenken wird (denn solche Schenkung geschah von jeher in den »Staaten«, indem »nach Verdienst«, also nach dem Maße, als sich's jeder zu verdienen, zu erdienen wußte, Jedem gegeben wurde), sondern: Greife zu und nimm, was Du brauchst! Damit ist der Krieg Aller gegen Alle erklärt. Ich allein bestimme darüber, was Ich haben will.

»Nun, das ist wahrlich keine neue Weisheit, denn so haben's die Selbstsüchtigen zu allen Zeiten gehalten!« Ist auch gar nicht nötig, daß die Sache neu sei, wenn nur das Bewußtsein darüber vorhanden ist. Dieses aber wird eben nicht auf hohes Alter Anspruch machen können, wenn man nicht etwa das ägyptische und spartanische Gesetz hierher rechnet; denn wie wenig geläufig es sei, geht schon aus obigem Vorwurf hervor, der mit Verachtung von dem »Selbstsüchtigen« spricht. Wissen soll man's eben, daß jenes Verfahren des Zugreifens nicht verächtlich sei, sondern die reine Tat des mit sich einigen Egoisten bekunde.

Erst wenn Ich weder von Einzelnen, noch von einer Gesamtheit erwarte, was Ich Mir selbst geben kann, erst dann entschlüpfe Ich den Stricken der – Liebe; erst dann hört der Pöbel auf, Pöbel zu sein, wenn er zugreift. Nur die Scheu des Zugreifens und die entsprechende Bestrafung desselben macht ihn zum Pöbel. Nur daß das Zugreifen Sünde, Verbrechen ist, nur diese Satzung schafft einen Pöbel, und daß dieser bleibt, was er ist, daran ist sowohl er schuld, weil er jene Satzung gelten läßt, als besonders diejenigen, welche »selbstsüchtig« (um ihnen ihr beliebtes Wort zurückzugeben) fordern, daß sie respektiert werde. Kurz der Mangel an Bewußtsein über jene »neue Weisheit«, das alte Sündenbewußtsein trägt allein die Schuld.

Gelangen die Menschen dahin, daß sie den Respekt vor dem Eigentum verlieren, so wird jeder Eigentum haben, wie alle Sklaven freie Menschen werden, sobald sie den Herrn als Herrn nicht mehr achten. Vereine werden dann auch in dieser Sache die Mittel des Einzelnen multiplizieren und sein angefochtenes Eigentum sicherstellen.

Nach der Meinung der Kommunisten soll die Gemeinde Eigentümerin sein. Umgekehrt Ich bin Eigentümer, und verständige Mich nur mit Andern über mein Eigentum. Macht Mir's die Gemeinde nicht recht, so empöre Ich Mich gegen sie und verteidige mein Eigentum. Ich bin Eigentümer, aber das Eigentum ist nicht heilig. Ich wäre bloß Besitzer? Nein, bisher war man nur Besitzer, gesichert im Besitz einer Parzelle, dadurch, daß man Andere auch im Besitz einer Parzelle ließ; jetzt aber gehört Alles Mir, Ich bin Eigentümer von Allem, dessen Ich brauche und habhaft werden kann. Heißt es sozialistisch: die Gesellschaft gibt Mir, was Ich brauche, – so sagt der Egoist: Ich nehme Mir, was ich brauche. Gebärden sich die Kommunisten als Lumpe, so benimmt sich der Egoist als Eigentümer.

Alle Pöbelbeglückungs-Versuche und Schwanenverbrüderungen müssen scheitern, die aus dem Prinzipe der Liebe entspringen. Nur aus dem Egoismus kann dem Pöbel Hilfe werden, und diese Hilfe muß er sich selbst leisten und – wird sie sich leisten. Läßt er sich nicht zur Furcht zwingen, so ist er eine Macht. »Die Leute würden allen Respekt verlieren, wenn man sie nicht so zur Furcht zwänge« sagt der Popanz Gesetz im gestiefelten Kater.

Also das Eigentum soll und kann nicht aufgehoben, es muß vielmehr gespenstischen Händen entrissen und mein Eigentum werden; dann wird das irrige Bewußtsein verschwinden, daß Ich nicht zu so viel, als Ich brauche, Mich berechtigen könne. –

»Was kann aber der Mensch nicht Alles brauchen!« Je nun, wer viel braucht und es zu bekommen versteht, hat sich's noch zu jeder Zeit geholt, wie Napoleon den Kontinent und die Franzosen Algier. Es kommt daher eben nur darauf an, daß der respektvolle »Pöbel« endlich lerne, sich zu holen, was er braucht. Langt er Euch zu weit, ei, so wehrt Euch. Ihr habt gar nicht nötig, ihm gutwillig etwas zu – schenken, und wenn er sich kennenlernt, oder vielmehr wer aus dem Pöbel sich kennenlernt, der streift die Pöbelhaftigkeit ab, indem er sich für eure Almosen bedankt. Lächerlich aber bleibt's, daß Ihr ihn für »sündig und verbrecherisch« erklärt, wenn er nicht von euren Guttaten leben mag, weil er sich etwas zu Gute tun kann. Eure Schenkungen betrügen ihn, und halten ihn hin. Verteidigt euer Eigentum, so werdet Ihr stark sein; wollt Ihr hingegen eure Schenkungsfähigkeit erhalten und etwa gar um so mehr politische Rechte haben, je mehr Ihr Almosen (Armensteuer) geben könnt, so geht das ebenso lange, als Euch die Beschenkten so gehen lassen.

Genug, die Eigentumsfrage läßt sich nicht so gütlich lösen, als die Sozialisten, ja selbst die Kommunisten träumen. Sie wird nur gelöst durch den Krieg Aller gegen Alle. Die Armen werden nur frei und Eigentümer, wenn sie sich – empören, emporbringen, erheben. Schenkt ihnen noch so viel, sie werden doch immer mehr haben wollen; denn sie wollen nichts Geringeres, als daß endlich – nichts mehr geschenkt werde.

Man wird fragen: Wie wird's denn aber werden, wenn die Besitzlosen sich ermannen? Welcher Art soll denn die Ausgleichung werden? Ebensogut könnte man verlangen, daß Ich einem Kinde die Nativität stellen solle. Was ein Sklave tun wird, sobald er die Fesseln zerbrochen, das muß man – erwarten.

Kaiser hofft in seiner der Form- wie der Gehaltlosigkeit wegen wertlosen Broschüre (»Die Persönlichkeit des Eigentümers in Bezug auf den Sozialismus und Kommunismus usw.«) vom Staate, daß er eine Vermögensausgleichung bewirken werde. Immer der Staat! der Herr Papa! Wie die Kirche für die »Mutter« der Gläubigen ausgegeben und angesehen wurde, so hat der Staat ganz das Gesicht des vorsorglichen Vaters.

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