Kleine Fragmente für Denkerinnen

Ein bejahrts Weib, die ihre Tage der Tugend, der Gatten- und Mutterliebe, der Duldung und Sanftmuth gewiedmet hat; ist gewiß eine eben so ehrwürdige Erscheinung, als ein alter Mann. Jede Einwendung gegen diesen Saz, ist Vorurtheil.


Bald würde das Vorurtheil, das man gegen alte Weiber hat, schwinden, wenn sie in der Jugend schon aufhörten Weiber zu seyn. Schwazhaftigkeit, Unsäuberlichkeit, Grillenfängerei, Andächtelei, sind Untugenden, die ihren Ursprung schon aus der frühen Jugend her haben. Das Alter und die Langweile vermehrt sie. So bald die Vernunft nicht die Führerinn eines Mädchens war; so wird sie die eines alten Weibes nie werden.


Der Neid eines alten Weibes ist ein großes Triebrad, um das sich alle ihre Schwachheiten drehen.


Die unerträglichsten Gattungen alter Weiber sind, die heuchlerischen Andächtlerinnen. Sie üben sich in der Kunst: Gott und die Welt zu betrügen.


Eine alte Bethschwester ist der wahre Beweis ihrer jugendlichen Thorheiten. Sie verläßt die Welt nicht eher, als bis die Welt sie verläßt. Dann erst eilt sie mit großen Schritten, um der Gesellschaft der Heiligen eine groteske Karikatur vorzustellen.


Wenn ich zu befehlen hätte, alle alten unvernünftigen Weiber müßten mir von frühem Morgen bis in die späteste Nacht, auf einen Lehnstuhl gebunden werden, damit sie doch dem Anlaß entgiengen, aus Neid Böses zu stiften.


Wahre Andacht wohnt im Herzen und nicht in äußerlichen Dingen.


Es giebt wenige, die so zu bethen wissen, wie sie bethen sollen.


Religion erhöht die Reize eines Frauenzimmers, aber Aberglaube und Bigoterie entstellt sie.


Ohne Religion würden die Frauenzimmer weit zügellosere Geschöpfe seyn, als die Männer, natürliche Schwäche würde ihnen den Weg zu unendlichen Ausschweifungen bahnen.


Ein Mädchen ohne Religion gleicht einem Wildfang, der nur schwer bezähmt werden kann.


Wahre Andacht auf einem schönen weiblichen Gesichte zu erblikken, übersteigt für den gefühlvollen Beobachter jeden Ausdruk!


Wer Andacht, Gefühl, und Liebe in ihrem ganzen Werth erblikken will, der beobachte ein verliebtes, bethendes Mädchen! – O Natur, dein herrlichstes Meisterstük ist in solchen Situationen unverkennbar!


Wer ist hartherziger, als Afterkristen? Wer ist unduldsammer, als Afterkristen? Wer ist gefühlloser, eigensinniger, als Afterkristen?


Mit Recht kann man einer erzürnten Andächtlerin den Namen Furie geben. Ihre Grausamkeit scheint unerschöpflich. Von dem Irrwahne begeistert, als ob sie mit Vertilgungssucht der Religion Dienste leistete; ist sie zu jeder Unmenschlichkeit bereit.


Eine Kokette gleicht einer verschmizten Budenkrämerinn, die nur dann ihren Künstgriffen den freien Lauf läßt, wenn sich Wollüstlinge und Schwachköpfe melden.


Wer kann mit mehrerer Kälte Unwahrheit sprechen, wer mit mehr Natur sich verstellen, wer künstlicher die schwachen Männer-Herzen in die Enge treiben, als eine Kokette?


Sind die teutschen Weiber und Mädchen auch so sehr zur Koketterie geneigt? Nur die, die sich nicht schämen, den leichtsinnigen Französinnen nachzuahmen. Aber können dieß auch teutsche Biedermannstöchtern thun?


Das Gefühl einer Kokette hat nicht den Werth einer Steknadel – und doch giebt mancher seinen ganzen Reichthum dafür hin. Kann dies aber auch ein Mann thun, der Menschenkenner genug ist, um sich nicht Affektation für Liebe aufdringen zu lassen?


Das menschliche Leben ist viel zu kurz, als daß einer Kokette Zeit genug übrig bliebe, alle ihre Künsten ins Werk zu sezzen.


Und wenn die grösten Denker alle ihre Beurtheilungskraft anstrengen; so werden sie doch ewig nie das Herz einer Kokette enträthseln. Ist sie schön, so übertäubt sie ihre Sinnen – ist sie wizzig, so umnebelt sie ihre Vernunft – ist sie beredt, so giebt man ihr aus Höflichkeit nach und staunt sie noch oben drein an – ist sie betrügerisch, so glauben es die Männer nicht eher, als bis es zu spät ist, – es zu glauben – ist sie spröde, dann wird sie vollends angebethet. Kurz, der, der in ihr Nez geräth, hat keine andere Rettung vor sich, – als wenn er die Schlange flieht, eh sie zu zischen anfängt.


Die Eroberungssucht einer Kokette ist selbst an jenen Gränzen noch unersättlich, wo nichts mehr zu erobern ist.


Wenn die Mädchen von dem erhabenen Wort Liebe einen bessern Begriff hätten – nur wenige würden dann zu jener verächtlichen Eroberungssucht ihre Zuflucht nehmen, die ihnen nichts, als ein leeres Herz übrig läßt.


Männer sagt einer Kokette alles, was Liebe, Gefühl, und Gutherzigkeit auszeichnet, ihr Herz bleibt doch Stein.


Das künstlichste Meisterstük des heimtükischen Lasters entdekt der Beobachter in dem Bild einer Kokette.


Gebt wohl acht teutsche Biedermannstöchter auf eure Herzen, bei der Eitelkeit fängt die Koketterie an und mit dem Laster hört sie auf.


Das trefflichste Gegengift für Koketterie ist Liebe und Anhänglichkeit für einen biedern teutschen Jüngling.


Es herrscht unter den Mädchen ein verkehrter, schändlicher Geschmak, wenn sie glauben, viele Eroberungen zeichnen ihren Werth aus. Ihr irrt euch Ihr lieben schwachgläubigen Töchter, nur eine vorzügliche Eroberung ist der Beweis des Verdienstes – oder wimmelt etwa der große Haufe nicht voll Gekken, Dummköpfe und Wollüstlinge? Sind etwa die Eroberungen dieser Insekte nicht ewige Schande für denkende Frauenzimmer?


Wenn Eitelkeit nicht die Hauptleidenschaft der Frauenzimmer wäre, dann würden die Männer auch eine Menge Thorheiten unterlassen. Nur selten würde es einer wagen, einem Mädchen Weyhrauch zu streuen, um sie zu seinem Vortheile bis zur eiteln Närrinn zu begeistern.


Ich kenne kein schwächeres, kein schwankenderes Wesen, als ein eitles Frauenzimmer. Sie ist die Närrinn jedes Narren, das Opfer jedes Bösewichts.


Wenn man die kindischen Tändeleien, die vielen Affenbeschäftigungen des Puzzes, die unendlichen Künste, ihre Schellenkappen an Mann zu bringen, von einem eitlen Frauenzimmer abrechnet, – was bleiben dann ihrem Gatten noch für Verdienste übrig, um mit diesen vor der vernünftigen Welt ohne Hohngelächter erscheinen zu dürfen?


Ein eitles Frauenzimmer gleicht einer verrükten Person, sie sezt ihre lächerlichen Grimassen in eines jeden Gegenwart fort, und buhlt um den Beyfall der Zuschauer auch aus der niedrigsten Klasse.


Eitelkeit und Schwachheit sind unläugbare Erbtheile der Frauenzimmer. Warum sezzen sie ihnen nicht frühe genug Philosophie und Geistesstärke entgegen? Sind die weiblichen Unvollkommenkeiten nicht eben so bezwingbar als die männlichen? Ganz gewiß, wenn Sie nur wollen meine Freundinnen!


Ich wundere mich nicht, daß so viele Frauenzimmer ihr ganzes Leben durch an der Eitelkeit kränkeln. – Die Mütter stekken sie mit gleicher Schwachheit schon in der Wiege an, und die Männer nähren sie im Mädchenalter durch Schmeicheleien.


Nicht jedes Mädchen ist eitel, die sich standesmäßig und mit Geschmak kleidet; aber die sind eitel, die ihre Köpfe und Körper in eine Mode zwingen wollen, die ihrem ganzen Wesen widerspricht.


Beim Puztische muß ein Mädchen nie dem Urtheile der Männer glauben –. Entweder loben sie alles aus Schmeichelei, oder sie tadeln alles aus Allklugkeit, aus Männergrille.


Es giebt Männer, die sich ein unumschränktes Recht anmaßen, auch über den artigsten, wohlgeordnetsten Puz zu spotten. Dergleichen großmauligte Hansen reiten dies Stekkenpferd blos darum, um ihre eigne Eitelkeit durch eine uns angemasste zu verbergen. Weisen sie diese unartigen mit munterem Wiz in ihre Sphäre zurük meine Freundinnen, wenn ihnen hie und da einer aufstossen sollte.


Ein junges Frauenzimmer muß den Hang auf eine vernünftige Art, auch in ihrer Kleidung zu gefallen, nicht ablegen, sonst wird sie zur gleichgültigen Schlampe oder zur Karikatur aus dem vorigen Jahrhundert. Was kann diese Klugheitsregel dafür, wenn sie von einigen überstiegen, von andern gar nicht benüzt wird?


Nehmt den Mädchen den Trieb zu gefallen, und es bleibt euch in ihnen nichts übrig, als unthätige Geschöpfe. Gebt ihnen Grundsäzze, die sie lehren zu erst mit der Seele, und dann erst mit dem Körper zu gefallen. Ich stehe dafür, die welche darüber nachdenken lernten, werden diesen Trieb zu gefallen, nicht blos sinnlich benüzzen.


Ein junges Mädchen, welche die Nachläßigkeit in ihrer Kleidung zu weit treibt – wird am Ende so unreinlich, daß sie selbst ihre Seele nicht mehr sauber hält.


Wenn du wissen willst, ob eine wohlgeordnete, reinliche Seele in einem Mädchen wohnt, so beobachte ihren Anzug. Leichtsinn und Unordnung in der Kleidung, – verrathen Grundsäzze, die nicht viel taugen. Wer auf solche Kleinigkeiten nicht achtet, der wird über kurz, oder lang unfähig auf größere Pflichten zu achten.


Das Mädchen, das in ihrer Kleidung, in ihren Handlungen Faulheit einreissen läßt, ist nicht werth geliebt zu werden. Wer weis, ob dieses schändliche Laster am Ende nicht so um sich greift, daß sie für Gattenliebe und Wirthschaft ganz untauglich wird?


Nur das Mädchen kann ich schäzzen, die im Hauswesen keinen Schritt thut, ohne ihr sorgfältiges Auge auf Dinge zu heften, die blos da liegen, um von ihr in jene Ordnung gebracht zu werden, die der thätigen Beschäftigung eines Mädchens Ehre macht.


Ich kann nicht begreifen, wie es Frauenzimmer geben kann, die in einem Hauswesen über Langweile und wenige Arbeit klagen. – Für die welche aus Pflicht, aus Ehrengefühl arbeiten wollen; sind selbst ihre Lebenstage zu kurz. – Wohlgemerkt für die – welche arbeiten wollen.


Wer Wollust, Verzärtelung, üble Laune, Lüsternheit, kurz wer das Bild einer lebendigen Todten sehen will, der beobachte ein müßiges Frauenzimmer!


Ich will glauben, daß die Männer über das weibliche Geschlecht nicht ganz ohne Grund klagen, wenn es hier, oder dort ein Frauenzimmer wagt, sich mit geistigen Beschäftigungen abzugeben, – die meisten richten ihre Beschäftigungen so wenig vernünftig ein, daß ihnen nicht einmal Zeit genug zum Hauswesen übrigbleibt, geschweigen zu den geistigen Beschäftigungen. – Wenn aber ein thätiges Frauenzimmer ihre Sachen so einzurichten weiß, daß eins mit dem andern besorgt wird: was geht es dann die Männer an, wenn wir unsere müßigen Stunden mit Lesen oder Schreiben ausfüllen wollen? – Ist es nicht rühmlicher, sie so, als zu gedankenlosen Beschäftigungen zu benüzzen? – Dort nikt mir ein freundlicher nicht neidischer Philosoph ein gnädiges Ja zu! – Giebt es denn unter den Männern auch freundliche Philosophen???


Mann und Weib haben in der Welt ihre angewiesene Beschäftigung, der zu erst aus seiner Sphäre weicht, eh er seine Standespflichten erfüllt hat – ist der Schöpfung nicht würdig.


Man behauptet, die Weiber wären zu ernsthaften Geschäften nichts nüzze. Hierinnen haben die Herren Männer nicht ganz unrecht – aber man erzieht uns schon darnach, daß wir zu ernsthaften Geschäften nichts nüzze werden können! – Auch wieder ein Glük für die männliche Welt – wenn wir überall in ihre Geschäfte hinein gukken dürften, wie bald würde Sie ihre strenge Regierung niederlegen. – Wie leicht würden dann die Männer Weiber und die Weiber Männer werden. Aus welcher Ursache? – Die welche es angeht, mögen es sich selbst enträthseln.


Es ist ein sonderbarer Anblik, wenn man in Gesellschaften zusieht, wie ein Geschlecht das andere unter tausend Spizfindigkeiten herabzusezzen sucht – wie jedes den Vorzug in der Schöpfung behaupten will und doch kann keines ohne das andere bestehen. Ich denke immer die wechselseitigen Fehler würden einander wohl aufwiegen, wenn man beim weiblichen Geschlechte die wegrechnete, woran die Männer selbst schuld sind. – Wenn die Männer in ihren Leidenschaften nicht so ausarten, so haben sie es viel der guten Erziehung zu danken, die sie von Jugend auf zur Festigkeit anhält, und die wir nicht genießen – man überläßt uns blos dem Ungefähr.


Es giebt Augenblikke, wo uns die Männer für sehr unbedeutende Wesen halten – zum Glükke, daß diese Augenblikke selten lang dauern – sonst wären sie unglüklicher, als wir. – Was wäre ihr Leben, was wären ihre Geschäfte ohne unsere Aufmunterung? Man weiß es ja aus Erfahrung, was für ein rohes Murmelthier ein Mann ist, der ohne Gattenliebe seine Tage verbrummt und verfaullenzt.


Die Natur hat, als sie beide Geschlechter schuf, die beste Einrichtung getroffen. Diese gütige Mutter versah sie mit hinlänglichen Anlagen, um wechselseitige Tugend fortzupflanzen. – Was kann der Mann durch Männersinn und das Weib durch Sanftmuth und Vernunft nicht alles ausrichten?


Man erblikt in gewißen Augenbliken in beiden Geschlechtern doch immer den Menschen, sie mögen noch so sehr darauf antragen, ihn durch Vernunftschlüße zu verbergen.


Wohl dem Manne, wohl dem Weibe, die sich nicht nicht als schwache Menschen dünken, – sie sind viel weiter vom Falle entfernt, als jene phylosophischen Praler, die sich über menschliche Schwäche erhaben glauben. Hängt nicht auch der stärkste Sterbliche blos von einem unglüklichen Augenblike ab?


Ein Mädchen begehet immer die gedankenloseste Unbesonnenheit, wenn sie kühn auf ihre augenblikliche Tugend, über ihre schwächern Freundinnen die Nase rümpft.


Nur die Mädchen sind klug, die beim Falle anderer das Mißtrauen gegen sich selbst vermehren.


Vorsicht ist die Schuzwehr der Tugend. Warum die Gefahr nicht mit aller Stärke des Geistes fliehen, wenn man seinen Untergang durch eine innere Stimme, und diese spricht bei einem noch unverdorbenen Mädchen gewiß allezeit – zum voraus ahndet?


Mädchen traut eurer Stärke im Männerumgange nicht zu viel, sie haben tausend Kunstgriffe bereit, eure Schwäche zu überraschen.


Wie beredt ist nicht der Betrüger, wie sanft der Schleicher, wie begeistert der Wollüstling, wie wizig der Stuzzer, wie laurend der Häuchler, wie künstlich sind sie nicht alle, um bei schwachen unerfahrnen Mädchen Blossen zu entdekken, die sie auf eine schändliche Art zu benüzzen sich vorgenommen haben!


Das Mädchen handelt am klügsten, die sich an der Seite eines Jünglings so lange mit Mißtrauen bewaffnet – bis sie seine Grundsätze, sein Ehrengefühl, seine absichtslose Neigung ganz geprüft hat.


Wenn die Mädchen nur wollen; so sind die Jünglinge gezwungen in ihrem Umgange, wenigstens aus Lebensart, die Sprache der Hochachtung zu führen. Ich möchte den Grobian sehen, der eine andere Sprache als diese wagte, so bald ein Mädchen Denkerinn genug ist, ihn ohne Affektation, ohne Ziererei, mit Würde in jene Schranken zurückzuweisen, die er dem Wohlstande schuldig ist.


Freundinnen gebt genau acht auf die Sprache eines Jünglings, wenn ihr ihm nur eine einzige Silbe Anzüglichkeiten hingehen läßt – dann werden sie nach und nach sich so anschwellen, daß ihr sie nicht mehr zu bemeistern im Stande seid. Und die Folge? O daß ich es sagen muß – Verführung meine Besten!


Ich wünschte, daß die Mütter ihre Töchter so frühe als möglich in Männergesellschaften führten, damit ihnen der Verführungston bekannter würde. Erst dann würden die Mädchen sich gegen ihre Kunstgriffe mit Erfahrung und Vernunft waffnen können!


Welches unerfahrne Mädchen kann vor der Gefahr zittern, wenn ihre Abgründe ihr noch ganz unbekannt sind?


Wenn die Mutter Menschenkennerinn ist; so wird es ihre Tochter auch werden, wenn sie anders nicht ausartet. Dies schöne Studium ist wahrlich die beste Mitgabe, die Sie ihr geben kann, es wird sie für Betrug und Verführung schüzzen.


Ein Mädchen, die sich in Gesellschaften frühe schon gewöhnt, die Beobachterinn ihrer eigenen und anderer Fehler zu werden, wandelt gewiß dem Wege der Tugend zu; denn Leichtsinn oder Eitelkeit wird nicht so leicht ihre Seele übertäuben.


Man muß zu erst Denkerinn seyn, ehe man Beobachterinn werden kann.


Wo kann ein Mädchen die Welt, ihre gute und schlimme Seite beßer kennen lernen, als in Gesellschaft? Versteht sich – an der Seite ihrer Mutter, oder Erzieherinn.


Die sanften, mitleidigen Empfindungen eines Mädchens werden im Umgange beßer geübt; sie erhalten durch Welt und Menschenkenntniß jene vernünftige Richtung, die der Denkerinn Ehre machen.


Ein unerfahrnes Mädchen, deren Empfindungen blos die Wirkungen ihrer natürlichen Güte sind, wird nie zu so großen, edlen Handlungen fähig, als die Denkerinn. Gute Handlungen müßen nach Plan, Ordnung und Zwek ausgeübt werden, sonst gränzen sie an alberne Güte, nicht an Edelmuth.


Nur der ist edel, der sich selbst über dem Wohl anderer vergißt. – Nur die handelt edel, welche eine Wohlthat, eine Dienstleistung im Feuer ihrer gutherzigen Begeisterung ausübt, wo minder großmüthige nicht den Muth dazu haben.


Dem Unglüklichen Geld hingeben, kann jeder reiche Thor, aber ihn, da mit milder Hand aus dem Abgrund herausreissen, wo ihn jederman verläßt, das ist edel!


Glauben sie mir, meine Freundinnen, es giebt oft verfolgte Unglükliche, wider die der Pöbel seine Stimme erhebt. Mit diesen in ihrem Elend eine Thräne weinen, ist mehr werth, als meine Feder auszudrüken vermag.


Ueberhaupt besteht Edelmuth in dem, was keine niedrige Seele unternimmt. – Sie ist der schönste Sieg der Vernunft, und des Gefühls.


Wenn ich die Schöpfung in ihrer Größe, die Natur in ihrer Wohlthätigkeit, den Werth des Menschen in seinem ganzen namenlosen Umfang erbliken will; dann erscheint mir das Bild eines edelmüthigen Frauenzimmers.


Im Ganzen genommen lassen sich von der Edelmuth keine Regeln angeben; diese schöne göttliche Tugend erstrekt sich überallhin, wo kein gemeiner Sinn hinlangt, überallhin, wo nur grosse Seelen hinreichen können. Gewiß wird sie bei niedrigen, eigennüzzigen Seelen nie ihren Wohnsiz aufschlagen.


Eine edelmüthige Seele ist kühn in ihren Unternehmungen; wenn es auf die Rettung eines Freundes ankömmt, wagt sie da alles, wo kleindenkende feige Seelen nichts wagen. Sie ist groß im Verzeyhen; da, wo andere Rache ausüben, verzeyht sie. Kurz, sie ist in jeder ihrer Handlungen so unsterblich, daß nur die ihr nachahmen können, die von einer gleichen Begeisterung beseelet werden.


Nun auch ein Wörtchen von der Ehe und ihren Verbindungen!

Dies göttliche Land scheint ganz zur Beförderung menschlicher Glückseligkeit bestimmt zu seyn, und doch wird es nicht selten die Störerinn derselben. Ei woher kömmt denn diese entgegengesezte Wirkung? Aus dem unverzeyhlichen Irrthum, unter dem es meistens geknüpft wird. Nur wenige treten mit jenen unbefangenen, reinen Herzen, mit hinlänglichen, moralischen Grundsäzzen in den Ehestand; wie es Liebe, – Vernunft – und Sittenlehre fordern.


Gott! warum gleichen doch die meisten Ehen einem Tausch, wobei Eigennuz, Dummheit, Wollust oder überspannte Empfindelei das Wort führen? Wie kann dies Band dauern, wie kann es die menschliche Glükseeligkeit befödern helfen, wenn es auf so hinfälligen, wurmstichigen Säulen ruht?


Die meisten Aeltern befördern und erzwingen so gar die Verbindungen ihrer Kinder aus Eigennuz, Herrschsucht, Eigendünkel, Vorurtheil u.s.w. Die Kinder gehorchen ihnen dann aus Schwäche, Unerfahrenheit, aus Lust zur Freiheit, aus Sinnlichkeit, aus Mangel an wahrer Liebe, aus Gedankenlosigkeit u.s.w. – Menschenfreunde vertilgt zu vor diese Barbareien; dann erst wird das Band der Ehe jenes Menschenglük befördern helfen, das man von ihm erwartet.


Es giebt leider Aeltern, die das wichtige Gefühl der Liebe, die Neigung und harmonirende Grundsäzze der Brautleute erst dann nur obenhin überdenken, wenn ihr Eigennuz und andere schändliche Leidenschaften schon befriediget sind. Was läßt sich wohl von dergleichen Verbindungen erwarten? Das was man täglich sieht: Zank, Hader, Ausschweifungen, – Trennung, oder Verzweiflung!


Ich habe während meinen Beobachtungen nur wenige alte Leute gefunden, die nicht mit einer Kälte, worüber einem die Haut schaudert, mit einer Stärke des Vorurtheils, das jeden Fühlenden entsezzen muß, kurz, mit solchem beißenden Spott, der den Menschenfreund zittern macht, von Neigung und Liebe gesprochen hätten! Weg ist bei diesen Unduldsamen jene empfindsame Begeisterung, die ihnen Mitleid einflößen könnte!


Ich fodere nicht, daß Aeltern jede Unbesonnenheit der Jugend billigen sollten, nicht, daß sie Empfindelei für Liebe halten, nicht daß sie dem Eigensinn, Schwäche entgegensezzen u.s.w. – Aber ich wünschte, daß sie mit Sanftmuth Unbesonnenheiten verhüten, mit Vernunft wirkliche Liebe von der Empfindelei unterscheiden; die erstere aus Vorurtheil nicht wie die leztere behandeln, – kurz, ich wünsche, daß sie in kleine Vergehungen willigen, um grössere Verbrechen zu verhüten, mit denen nicht selten, auch öffentliche Schande verknüpft ist. Nur zu oft machen die bis zum höchsten Grade gestiegenen Leidenschaften den Aeltern mehr Schande, als ihren Kindern jede Widersezlichkeit in der Liebe. Warmes Blut, und die daraus entspringenden Fehler entschuldigt selbst der Schöpfer – Aber kaltes Blut und boshaftes Uibergewicht, barbarischen Vertilgungsgeist, – wer wird einst diese entschuldigen?

 Top