Abschied

Zweierlei Qualitäten mit zweierlei Chancen, meint Christa Schyboll

Abschiednehmen ist immer wieder auch so ein bisschen wie Sterben, so es sich um ganz besonders nahe Menschen handelt, die gehen, obschon man sie gerne bei sich behalten hätte. Was da „stirbt“ ist das Schöne des gemeinsam Erlebten, das mit dem Abschied eben nicht mehr vorhanden ist… es ist wie tot.

Dabei ist natürlich nichts nur nicht tot, sondern durch den Abschied wird die Erinnerung oft umso lebendiger. Dies führt dazu, dass man den Verabschiedeten unter Umständen viel intensiver und klarer in seinen Gedanken hat als jemanden, der ständig in der Nähe ist und den man vielleicht kaum noch wahrnimmt. Insofern kann es sein, dass der Ferne näher ist als der Nahe, der sehr fern sein kann, weil er ständig so nah ist.

Betrachtet man Abschied unter diesem Gesichtspunkt, stellt sich quasi schon wieder eine zwangsläufige Nähe ein, die keine Örtlichkeit im Raum mehr hat, jedoch eine psychische Qualität und Wirklichkeit im eigenen Empfinden. Der, der geht, bleibt nicht nur, sondern bleibt intensiv. Insofern können sich durch einen Abschied sogar die Verhältnisse geradezu umkehren, wenn man den persönlichen Bezug eben nicht nur auf die körperliche Anwesenheit eines Menschen reduziert, sondern seine Gedanken und seine Empfindungen mit hinzunimmt.

Vielleicht hängt damit auch die Innigkeit zusammen, die man beim Abschied hin und wieder erfährt und voller Freude und Jubel auf das nächste schöne Treffen ist. Vorfreude statt Verlustschmerz. Eine Erwartungsfreude, die die Situation des Abschieds dominieren kann, kann zum Motor werden, die Gedanken aneinander in der Zwischenzeit bis zum nächsten Treffen ganz intensiv zu sammeln und aufeinander zu fokussieren.

Aber es gibt auch den anderen Abschied. Jenen, den man ersehnt und auf den man schon seit Stunden wartet. Das einzige, was dabei weh tut, ist die Zeit, die man aushalten muss, bis es endlich soweit ist. Das sind die Momente, wo eben Zeitgenossen zueinander gefunden haben, die sich eigentlich (einseitig oder beidseitig) nicht wirklich riechen können. Einfach deshalb, weil sie aus einem anderen Stall kommen und der eigene Stallgeruch fehlt.

Unabhängig davon, ob es das fehlende Bindeglied in Sachen Vertrauen oder Sympathie ist oder man Geistiges oder Interessen nicht miteinander teilt oder auch sonst keine Gemeinsamkeiten hat, die auch nur ein wenig inspirierenden Charakter haben und Lust aufeinander machen. Und warum treffen sich solche Menschen dennoch? Manchmal sind es äußere Notwendigkeiten, die dazu führen – vielleicht sind es aber hin und wieder auch halbbewusst inszenierte kleine Experimente um herauszufinden, ob nicht doch ein Funken Sympathie oder Gemeinsamkeit irgendwie beim anderen zu orten ist? Dem eine Chance zu geben, hat sicher schon manchen später ins Staunen gebracht, wenn man das Gerümpel der Vorurteile einmal gründlich sortiert hat.

— 25. Juli 2011
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