Alter

Ein Secondhandladen für geistige Ressourcen?, fragt Christa Schyboll

Biografisch unvermeidliche und körperlich sichtbare Unbarmherzigkeiten gehen an keinem von uns vorbei. Selbst die verschworene Weltfangemeinde von Botox, Kolagengel oder Hyaluronsäuregel werden früher oder später mit der Wirklichkeit des Zerfalls konfrontiert, der hinter dem scheinbar harmlosen Wort "Alter" steckt.

Alt werden wir alle, so wir nicht jung sterben. Wie schön oder krumm auch immer, wie durchgestylt oder pfuschoperiert. Was zählt, ist letztlich jenseits all der lächerlichen Eitelkeiten die eigene Persönlichkeit, die darüber entscheidet, wie es uns mit dieser letzten Station im Leben geht.

Hat sich ein Mensch rechtzeitig mental darauf eingestellt, kann es eine mehr oder weniger lockere oder lustige Angelegenheit werden, so man nicht noch ins Siechtum oder Siechenheim kommt, selbst wenn es vornehm Seniorenresidenz genannt wird und genauso auch ausschaut. Aber auch dort muss es nicht zwangsläufig senil oder schlecht zugehen, da man pfiffig immer mehr Events auch für die Alten unserer Spaßgesellschaft plant, damit sie ihre derzeit teils noch großzügig bemessenen Pensionen fröhlich in den Wirtschaftskreislauf streuen und ihren lustigen Platz dort finden. So weit, so von Herzen gegönnt.

Das Alter jedoch hat noch mehr zu bieten. So man geistig fit ist und rege an der Wirklichkeit teilnimmt, sie kritisch zu beleuchten und zu reflektieren weiß, so kann man jenen Teil der Altersweisheit selbst genießen und zugleich anderen schenken lernen, der sich über viele Jahrzehnte Lebenserfahrung reich angesammelt hat. Das Alter kann dann zu einem weiteren neuen Lebenshöhepunkt werden. Individuell gesammelte Welterkenntnis mit allem Scharfsinn sollte jetzt jedoch nicht mehr an Äußerlichkeiten wie Geld oder Eitelkeiten gebunden sein. Als Spätheischender nach den Pfründen der Selbstbestätigung zu suchen, wäre ein Bumerang größter Peinlichkeit.

Jene Alten aber, die vom Leben wissen, weil sie Schmerzen und Irrtümer, schwere Wege und Täuschungen, Missgriffe und Niedertracht nicht nur durchlitten, sondern auch anschließend durchdachten, bearbeiteten und erfolgreich transformierten, sind verstreute Perlen, die einer jeden Generation wertvollste Ressourcen zu bieten hätte.

Hier könnte Alt-Sein zu einer neuen Blüte während ihrer letzten Lebenszeit emporsteigen. All die erworbene Urteilskraft und Menschenkenntnis, gepaart mit Sachkenntnis und unbestechlichem Blick, der nicht mehr korrumpierbar ist könnte als neuer Same in die nächste Generation gesät werden, die offen und klug genug ist, zu hören, wo es tatsächlich etwas zu sagen gibt.

— 03. August 2010
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