Senioren - die stille Reserve

Zu fit zum sterben und zu klug zum verblöden, meint Christa Schyboll

Alte Menschen können genauso wenig über einen Kamm geschert werden, wie Berufstätige, Jugendliche oder Kinder. Sprechen wir also an dieser Stelle nicht von jenen alten Menschen, die einfach zuviel bereits im Leben gearbeitet haben und ihre wohlverdiente Ruhe dringend wollen und brauchen.

Auch nicht von jenen, die im Alter zugleich auch noch gebrechlich, krank und hilfsbedürftig sind. Sondern nur von jenen fitten älteren Menschen, die aus individuellen Gründen entweder schon früh in Rente gehen oder jenen, die einfach auch in ihren späten Sechzigern oder Siebzigern körperlich wie geistig weiterhin topfit sind und eigentlich nicht wissen, wohin mit all ihrem wertvollen Wissen und ihrer angesammelten Erfahrung als bloß in die eigene Schatulle der Erinnerungen, die zudem zuhause keiner mehr hören will.

Hier schlummert nicht nur für die Gesellschaft eine immer noch ungehobene Ressource, sondern auch für den Einzelmenschen selbst, der noch so viel zu schenken hätte.

Zieht man den Anteil jener fitten Alten, der trotz vieler Möglichkeiten dennoch lieber seine Ruhe haben und sich gesellschaftlich auch nicht mehr einbringen möchte, ab, so bleibt aber immer noch ein erkleckliches Sahnehäubchen von erfahrenen und weisen Menschen übrig, die gerne einige Stunden pro Tag oder in der Woche eine soziale Arbeit für die Gemeinschaft machen würde, sofern man sie nur fragen würde oder entsprechende Signale aussendet.

Die bereits bekannten und sinnvoll eingesetzten Alters-Scouts für Jugendliche, die ihre alten Beziehungen und vor allem aber auch Kompetenz, Lebenserfahrung und Berufs-Know-how einsetzen, sind vorbildhaft. Leider sind sie aber noch zu selten vertreten und könnten gewiss dringend Unterstützung auf allen Berufs- und Wissensfeldern gebrauchen. Auch die Vermittlung von handwerklichem Geschick kann eine entscheidende Hilfe sein.

Doch da gibt es eine Reihe von Vorbehalten, die zunächst Hürden sind und abgebaut werden müssen. Eine davon ist, dass eine Reihe von Jugendlichen mit älteren Menschen nicht so richtig „kann“ und umgekehrt. Da steht nicht nur die Sprache und der Zeitgeist entgegen – oder auch die verschiedenen Erwartungshaltungen, die zum Problem werden können. Von beiden Seiten sind oft Vorurteile vorhanden, die nicht selten aus den Medien entstanden sind, aber mit der Wirklichkeit im Einzelfall überhaupt nichts zu tun haben. Dann wiederum können es organisatorische Gründe sein, die ein sinnvolles Aufeinanderzugehen verhindern. Wo finde ich jenen speziellen alten Menschen, der mir bei meinen Problemen tatsächlich helfen könnte? Wo finde ich den Jugendlichen, der meine Kompetenz benötigt und dankbar annimmt? Was wird gebraucht, was ist zu geben? Und wie vor allem kann man es in manchen Fällen auch zu einer doppelseitig sinnvollen Einrichtung machen, wo beide Teile Nehmen und Geben in Einklang bringen?

Letzteres wäre besonders schön. Also eine Gemeinschaftsarbeit von jungen und alten Menschen, die sich gegenseitig etwas geben: Zeit gegen Wissen, Ratschlag gegen kleine Gefälligkeiten wie Rasenmähen. Ausgenutzt sollte sich niemand fühlen. In Cent und Euro sind solche Dienste auch nicht zu erbringen. Aber durchaus in vertrauensvoller Zusammenarbeit, die gegenseitig wunderbar von einander profitiert.

— 13. Juni 2012
 Top