Qualitätsschmarotzer

Innehalten (nicht nur) zur Weihnachtszeit – von Christa Schyboll

Jeder von uns liebt es wohl, von Qualität umgeben zu sein, sie nutzen und genießen zu können. Was dabei als Qualität empfunden wird, ist individuell. Bei aller Unvergleichlichkeit gibt es jedoch einen Nenner, den man mit Wohlgefühl, Wohlempfinden oder einem gewissen Wert für den Menschen benennen kann.

Qualitäten schaffen wir uns teils selber, teils nehmen wir Anteil an schon vorhandener Qualität, die einst andere für uns schafften. Dort, wo wir sie geschenkt bekommen durch die Vorarbeit anderer Mitmenschen sind wir insofern doppelt beschenkt, als wir nicht einmal uns für diese Segnungen mühen mussten. Halt Glückskinder von Fall zu Fall.

Andere Qualitäten müssen aber erst erzeugt werden. Damit meine ich hier nicht materielle Erzeugnisse, die unsere körperlichen Sinne befriedigen, sondern die Qualitäten für Seele und Geist. Sie heißen Freiheit oder Demokratie, Mitmenschlichkeit, Liebe oder Verständnis. Auch Gerechtigkeit, Fairness und viele andere Tugenden, die wir lieben, gehören darunter und sind nur eines: keineswegs so selbstverständlich wie wir es gerne hätten. Selbst wenn es gesetzlich verankert ist – wie mit der Demokratie – so steht sie oft im Gegensatz zur Wirklichkeit, auch wenn es dafür ein genaueres Hinschauen braucht. Denn wie viel Demokratie sich der eine wünscht und der andere nicht braucht oder will, ist nicht nur eine Definitionsfrage. Sie ist auch eine Frage der Bereitschaft für Verantwortung, die größer wird, je mehr Freiheiten man friedlich leben möchte.

Nun gibt es die Unermüdlichen, die nach der Erreichung solcher Tugenden streben – und andere, die sie sich durchaus wünschen, aber lieber „andere machen lassen“. Es ist ja bequemer und schöner, wenn andere auf die Straße gehen und man sich das Spektakel vor dem Fernsehen bei Bier und Knabbergebäck anschauen kann. Es nervt nicht so, wenn man selbst nicht persönliche Angriffsfläche sein muss. Oder es ist eben auch erfreulicher, seine Zeit bei Hobby, Sport und Spiel zu verbringen, als sich Abende oder ganze Nächte mit Sitzungen um die Ohren zu schlagen, dazu noch Sachkompetenzen nebenberuflich zu erwerben und auch viele schöne Dinge zu verzichten, um dem Ideal einer humaneren Gesellschaft näher zu kommen.

Jeder hat das Recht, es so zu handhaben wie er es will …. und macht es ja letztlich auch. Dennoch lohnt sich ein Innehalten, sofern man selbst Qualitäten wünscht, aber aktiv dafür nichts tun kann (vielleicht wegen Krankheit oder wichtiger Verpflichtungen) oder… nicht will. Man könnte alternativ zum Beispiel finanzielle Unterstützung gewähren. Auch das ist oft eine wertvolle Hilfe. Nicht im Sinne des „frei kaufens“, sondern als Herzensangelegenheit, dass man hinter jenen Menschen steht, die soviel für die Sache des Guten opfern. An all die Stellen eben eine leise Unterstützung gewähren, die einem mit den Zielen politisch oder sozial, gesellschaftskritisch oder sonst wie nahe stehen und die für uns alle kämpfen und sich persönlich zeitaufwändig einbringen. Ihnen fehlt es oft am Notwendigsten, um überhaupt Aktionen starten zu können.

Dass jeder dabei eine andere Zielrichtung im Auge haben mag, liegt in der Natur der Sache. Aber es liegt auch in der Sache der Qualität, dass Menschen verstehen müssen, dass sie durch gemeinsame Anstrengungen schneller erreichbar ist.

Qualität hat ihren Preis. Er ist immer zugleich materiell wie immateriell zu erbringen. Die Menschen, die es gleich auf beiden Ebenen bedienen, sind wichtige Vorreiter für eine bessere Zukunft. Die aber, die ständig mehr Qualitäten in allen Bereichen des menschlichen Lebens fordern, ohne sich persönlich oder wenigstens finanziell adäquat einzubringen, sollten sich leise fragen, ob sie eventuell auch zur Gruppe der Qualitätsschmarotzer gehören… also zu jener Gruppe vom Stamme „Nimm!“ – obschon sie durchaus könnten. Besonders krass wird es dann, wenn jene Gruppe dann auch noch mit idealistischen Lippenbekenntnissen das Bessere fordert. Nur jeder selbst kann sich dieses Feedback geben. Aber es ehrlich auch zu tun, braucht schon innere Größe.

Vielleicht beschert ein solches Innehalten – gerade jetzt auch zur Weihnachtszeit – der tapferen Schar der Aktivisten und ihren oft mageren Konten einen wertvollen und stärkenden Impuls?!

— 09. Dezember 2010
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