Beleidigungen

Wege und Auswege - von Christa Schyboll

Beleidigungen sind Verletzungen, die nicht nur privat, sondern auch juristisch je nach Schwere geahndet werden können. Mehr jedoch als die Fälle, die tatsächlich vor dem Richter entschieden werden, sind die, die uns privat schmerzen und kränken.

Die Nicht- oder Missachtung der eigenen Person, die dabei empfunden wird, ist jedoch ein schwieriger Grenzgang, der nicht zu trennen ist vom eigenen Selbstbewusstsein und auch dem Humor, über den ein Mensch bereits verfügt.

Humor hört da auf, wo Beleidigung anfängt – und umgekehrt? Das würden nun vermutlich von zehn Menschen mindestens sieben unterschiedlich betrachten, so man ihnen bestimmte Situationen vorhält. Denn wer was als kränkend empfindet, hängt keineswegs allein vom Gebrauch der Worte ab, sondern vom Kontext der gesamten Situation wie auch von der Art und Weise der Menschen, die daran beteiligt sind.

So gibt es Menschen, die „können“ einen gar nicht beleidigen, weil man ihr Wort in gewissen Zusammenhängen beim besten Willen nicht ernst nehmen kann – unabhängig davon, wie sie es selbst gemeint haben. Das ist eine Frage von eigener Souveränität und echtem Selbstbewusstsein. In der Analogie könnte man sagen, dass eine Ameise einen Elefanten heftig ans Bein tritt. Dann, wenn sich ein Partner authentisch und ohne Hybris überlegen fühlt, wird Beleidigung nur schwer greifen – da man die faktische Unterlegenheit, die eventuelle Ohnmacht oder Wut, aus der heraus etwas gesagt wird, voll in seiner Verstrickung überblickt.

Menschen, die schnell und nachhaltig beleidigt sind, zeigen damit sowohl ihre Offenheit wie aber auch Schutzlosigkeit für Leid, dass ihnen andere Menschen fast nach Belieben zufügen können. Ob dies durch Gesten, Handzeichen oder verbal geschieht, ist nicht so entscheidend. Entscheidend ist mehr, dass der Beleidiger eine Art von Macht(missbrauch) ausübt – aber auch ausüben „darf“, die der Beleidigte tief in sich aufnimmt – und dadurch eine Kränkung erfährt.

Macht man sich klar, dass man aber selbst die Oberhand in einer Situation gewinnen oder zurückerobern kann, wird man Beleidigungen gegenüber seelisch immun und schützt sich zudem selbst. Juristische Ahndungen in schweren Fällen sind deshalb ja nicht ausgeschlossen. Emotional darunter jedoch nicht mehr oder viel weniger als bisher zu leiden, wäre ein Zugewinn an wirklicher Souveränität, die zugleich auch ein Mehr an Lebensqualität ist.

Es funktioniert sehr gut, wenn man im Falle einer Eskalation ruhig und klar bleibt, den Überblick behält, selbst fair und gerecht auf die gemeinsame Sache sieht und dann vollbewusst entscheidet, dass der Giftzwerg, der gerade den Aufstand tobt, jener Ameise gleicht, die den Elefanten gegen das Schienbein tritt.

— 17. November 2010
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