Singles

Warum sie nicht kürzer leben müssen. Von Christa Schyboll

Singles sind oft einsam. Singles sind frei und können machen, was sie wollen. Singles haben es gut, da sie nicht von der Verantwortung für andere Menschen erschlagen werden. Singles führen ein wesentlich bequemeres Leben. Ich will sofort wieder Single sein!

Die Liste von gängigen wie oftmals falschen Behauptungen könnte lang fortgeführt werden. Was mit einem Single-Leben so los ist, wie es sich für die Person darstellt, ob es stresst oder nicht, ob es mit hoher Verantwortung beladen lebt oder keineswegs macht, was es will, hängt ebenso vom Einzelfall ab, wie das Leben in Paarbeziehungen.

Also doch letztlich alles gleich, aber anders? Jein… Es kommt darauf an. Singles sind keinesfalls eine homogene Masse freiwillig Alleinlebender, sondern hinter diesem Lebensmodell verbergen sich oft tiefe unerfüllte Wünsche oder auch sehr gezielt gewählte Alternativen. Ein Einsiedler ist sicherlich ein völlig anderer Typus als ein Hagestolz. Ein Witwer ist nicht unbedingt mit dem allein lebenden Eigenbrödler gleichzusetzen. Und das Hotel Mama hat zudem noch den parasitären Single ins Leben gerufen, der heute aber auch wieder handfeste finanzielle Sorgen haben kann und gut tut, sich in ein Mehrgenerationenmodell einzubringen.

Dann kommt der Status des vorübergehenden Singles dazu, der immer mal wieder heiratet oder sich über Jahre fest bindet, um dann wieder freiwillig oder ganz unfreiwillig neu in die Singlerolle zu schlüpfen, um nach der Verpuppung auf ein neues die Zweisamkeit zu suchen.

Die Berufssingles, wie Ordenspriester, Schamanen oder Wandermönche bilden eine weitere Gruppe, die der Zweisamkeit bewusst entsagt – oder aber diesen Weg bewusst ergreift, weil er sich keine Chancen auf Zweisamkeit ausrechnet bzw. sich davor ängstigt.

Heirat allein garantiert heute jedoch auch kein Nicht-Singledasein, da nicht wenige Paare aus beruflichen oder privaten Gründen dann doch wieder alleine leben oder nur kurzzeitig Bett und Küche mit dem Partner teilen. Umgekehrt gibt es auch immer mehr Paarbeziehungen, die sich innerhalb ihrer Zweisamkeit ein zusätzliches Singledasein mit vielen Freiheiten und Freizügigkeiten gönnen.

Die klassische Form, wonach der Single ein Alleinstehender ist und das Paar eine in sich gebundene Einheit verschwindet mehr und mehr in den Katakomben alter Gesellschaftsstrukturen.

Das Hauptproblem der Gruppe der unfreiwilligen Singles ist nach wie vor die Einsamkeit. Das, worum sie von Familienmenschen oft still und leise beneidet werden, wird ihnen selbst oftmals zur Last: Frei sein von Verantwortung für andere. Frei sein für jede mögliche Aktivität nach dem beruflichen Pflichtprogramm. Niemanden fragen müssen, nichts teilen müssen….

Aber auch: Niemanden fragen können, nichts teilen dürfen. Weder Geld noch Lachen, weder Zuwendung noch Rat. Keiner, der auf einen wartet und der einen braucht. Hier tun sich stille Abgründe auf bei jenen, die allein leben. Im Gegenzug gestresste Überlastungssyndrome bei jenen, die sich für einen eigenen neuen Großclan entschieden und diesen nun verantwortungsvoll aufzuziehen und zu versorgen haben.

Die freiwilligen Singles werden von solchen Anwandlungen eher nur selten gedrückt. Sie haben eine andere Ausrichtung, die oftmals beruflich motiviert ist oder soziologische Hintergründe hat. Die Übergänge zwischen den beiden Gruppen jedoch sind oft fließend.

Die klassische Form löst sich offensichtlich mehr und mehr auf. Lebensabschnitte werden häufig mehrfach in Single-Schüben wie auch Paarbeziehungen gelebt und unterteilt. Ob jemand und wer dabei auf der Strecke bleibt, ist nur am Einzelfall ablesbar. Eines jedoch ist derzeit eine scheinbar unausrottbare Statistik: dass Singles aus vielen Gründen in der Regel kürzer leben…

Daraus folgt: Wenn sich schon große Teile der Gesellschaft immer wieder neu auf die verschiedenen Varianten von Zweisamkeit und Einsamkeit einlassen, so sollten sie die Zweisamkeit in der letzten Phase möglichst favorisieren… so sie selbst noch ein wenig Lust am prallen Leben haben.

— 02. September 2010
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