Intelligenz versus Intelligenz

Über die Kluft zwischen KI und natürlicher Intelligenz, schreibt Christa Schyboll

Ich kenne die Milliardensummen nicht, die weltweit für die Entwicklung der künstlichen Intelligenz ausgegeben werden. Ich weiß auch nicht, wie hoch der Fan-Anteil an jener modernen Forschungsrichtung ist, die uns so allerlei erleichtert, vor allem zukünftig mehr Menschen als je zuvor von der Arbeit "befreien" wird. Man könnte auch sagen: Arbeitslos macht - ohne die Möglichkeit, selbst sein eigenes Existenzminimum zu erwirtschaften und somit zum Sozialfall der Solidargemeinschaft zu werden (wo es eine solche schon gibt).

Und schon tönen missklängige Töne: Aber die KI schafft doch auch Arbeitsplätze! Und alles wird besser, leichter, sauberer, schöner, schneller, organsierter, überschaubarer, geregelter. Kein Roboter muss ins Krankenhaus, bekommt Psychosen, will Elternurlaub, braucht Kuren oder will einfach mal blau machen. Stimmt. Derzeit noch nicht... Noch sind die KIs halbwegs willenlose Inputwesen. Aber das zu ändern schaffen wir vielleicht ja auch noch.

Doch all das wird die Forschung an der KI nicht aufhalten - und ich weiß sehr wohl, dass es auch viele sehr gute Beispiele gibt, wo sie heilsam sein kann oder bereits ist.

Was mich umtreibt, ist nicht die Förderung der KI überall dort, wo es wirklich sinnvoll ist, sondern die Nichtförderung der natürlichen Intelligenz. Ein kaum bewegliches Dingelchen in unserer Spezies, das ziemlich vertrottelt zwischen den Despoten der Welt hin und her dümpelt, sich allen Blödsinn gefallen lässt, weil es tatsächlich glaubt, dass dagegen nichts zu machen ist.

Das ist es auch nicht, wenn die Masse, sorry, "doof" bleibt... unmündig, fantasielos, manipuliert, in ständiger Angst und Sorge. An dieser Stelle: danke, an viele Pressefuzzies, die dem Credo noch immer folgen: Good News are bad News. Nur das bringt genug Aufmerksamkeit und Kohle und hält die Doofen bei Laune und in beständiger Angst.

Wir Menschen sind schon intelligent genug, herausgefunden zu haben, dass wir nur Bruchteile unseres Hirns nutzen. Die Luft nach oben ist also gigantisch. Doch wird dieser Sauerstoff genutzt? Nein. Kaum. Höchstens hier und da von einzelnen Individuen. Die Masse liegt brach... lungert tatenlos in unseren Köpfen herum, glaubt die falschen Dinge, ohne die richtigen je zu probieren.

Das wäre alles zu ändern, würde man die Hälfte der Forschungsgelder, die man in künstliche Intelligenz steckt, einfach mal in die Erforschung der natürlichen Intelligenz der Menschheit stecken. Künstler von Rang und Namen, Nobelpreisträger oder überhaupt die erfolgreich Forschenden auf welchem Gebiet auch immer zeigen uns doch, das es geht. Und auch das ist doch nur der Anfang vom Anfang.

Um einen solchen Anfang aber zum richtigen Beginn eines dauerhaften evolutionären Prozesses zu machen, braucht es Wille, Geld, Struktur ... und einen sinnvollen Plan. Kreativ muss er sein, nicht statisch. Ansätze sind hier und da auch immer einmal wieder zu finden. Doch viele versanden nachher wieder im Gestrüpp der Alltäglichkeit, die wiederum von Aktienkursen, Geldgier und schnellen Gewinnen als brummender Motor gespeist wird.

Wo stehen wir mit unserer natürlichen Intelligenz? Wir stehen in der Ukraine, in Afghanistan, in der Antarktis, in obskuren Laboren, auf den schmelzenden Gletschern unserer letzten Süsswasserreservate und und und... und fühlen: irgendwas läuft massiv schief. Doch was eigentlich genau?

Ich würde mal sagen: Die Unfähigkeit zum Denken, zur Vernunft, zur Nutzung unserer natürlichen Intelligenz, die hoffentlich nicht blöd genug ist, sich von der KI am Ende noch überholen zu lassen. Passiert dies, dann hat sie die Folgen jedoch auch redlich verdient.

— 26. April 2022
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