Weltbildungstag

Es mangelt nicht nur an der Alphabetisierung. Von Christa Schyboll

Achter September. Die Nachrichten sind nicht positiv, wenn man auf den Gedenktag dieses Datums schaut. Es ist Weltbildungstag. Andere nennen ihn Weltalphabetisierungstag oder World Literacy Day. Noch immer können über 770 Millionen Erwachsene weder lesen noch schreiben.

Denken wir dabei an die armen Länder, verwundern wir uns weniger. Denken wir aber dabei an Deutschland, so dürften wir uns die erstaunten Augen reiben. Nicht weniger als 7,5 Millionen Menschen sind auch bei uns Analphabeten.

Was das bedeutet, können wir, die (halbwegs gut) "Gebildeten" uns kaum vorstellen.

Nicht lesen zu können, bedeutet nicht nur im Supermarkt ein Problem. Es betrifft auch den Straßenverkehr, die Bahnbenutzung, die Flughallen, die flächendeckend zu findenden Hinweistafeln, die uns raten, warnen oder schützen. Es bedeutet, nicht einmal einen Antrag ausfüllen zu können und vollständig hilflos zu sein, wenn Sprache in Schrift gekleidet ist und niemand übersetzt.

Die Geschichte hinter einem solchen Dauerleid ist so individuell, wie es die Menschen selbst sind. Die familiären Verhältnisse spielen in unserer westlichen Industrie-Hemisphäre vermutlich die Hauptrolle. Noch immer verlassen derzeit bei uns zirka 60.000 junge Menschen die Schule ohne Abschluss. Es ist eine persönliche Tragödie, die aber auch die Gemeinschaft teuer zu stehen bekommt. Der Analphabetismus, man soll es kaum glauben, bewegt sich dabei in Deutschland in der Größenordnung, die keine Nische mehr darstellt.

Nicht erst seit Pisa weiß man, dass das hochindustriell entwickelte Deutschland ganz offenbar ein Grundbildungsproblem hat, vor dem wir noch immer kopfschüttelnd stehen. Und auch viele Menschen, die zwar lesen können, sind aber oftmals nicht in der Lage, dem Gelesenen auch die richtigen Informationen zu entnehmen. Denn das Lesen allein bedeutet nichts, wenn es nicht mit Sinn verknüpft werden kann. Das soll nach offiziellen Zahlen bereits 10 Prozent der Jugendlichen betreffen, wenn es um einfache Texte geht. Wie mag es bei komplexen Texten aussehen? Wollen wir diese Zahl überhaupt noch wissen? Jede neue Studie zeigt erneut: Es ist dringender Handlungsbedarf. Je später man aber bei dieser Gruppe „Bildungsferner Menschen“ ansetzt, umso schwieriger ist ein befriedigendes Ergebnis. Hilfen werden ständig gefordert, aber die Wirklichkeit zeigt uns, dass unser derzeitiges Bildungssystem mit einer ausreichenden Bildung für alle, die ein Grundrecht darstellt, selbst hoffnungslos überfordert zu sein scheint. Eine traurige Bilanz. Ob ein solcher Weltbildungstag neue Anschubmotivation vermittelt?

— 08. September 2013
 Top