Über Gut und Böse

Variationen über eine scheinbare Unvereinbarkeit von Christa Schyboll

Gäbe es das Böse nicht, woran sollten wir das Gute erkennen? Das Böse ist die Voraussetzung des Guten.

Wer bewusst (!) gut sein will, muss wissen was das ist. Und wie das geht. Und wie man dazu kommt. Und warum man es will. Oder warum man es nicht will. Und ob es einem schon einmal begegnet ist. Oder ob es einem schon öfter begegnet ist. Oder vielleicht noch nie. Oder wer es sonst noch tut. Oder wer es nie tut. Und ob es weh tut. Oder ob es gut tut. Eigentlich müsste es doch gut tun. Sonst wäre die Bezeichnung falsch. Gutes tut gut. Tut Böses auch nur böses?

Nein! Böses tut manchmal verdammt gut! Jedenfalls für Stunden. Oder für Tage. Oder für Wochen. Ich kenne Menschen, denen tut das Böse ein Leben lang gut. Es geht ihnen gut damit. Das Gute tut auch gut. Aber nicht nur. Nicht immerzu. Nicht jedem. Nicht in jedem Augenblick. Ich kenne Menschen, die leiden unter dem Guten. Jedenfalls für Stunden. Oder für Tage. Oder für Wochen. Ich kenne Menschen, denen das Gute ein Leben lang arg und bitter ist.

Was ist böse? Was ist gut? Wer definiert es. Für wen? Für sich selbst? Für seinen kleinen Umkreis? Oder gleich für die Menschheit? Aber dann: Für wie viele Jahrhunderte? Oder Jahrtausende? Gut und Böse fliegen, schwimmen, strömen durch die Zeiten. Verändern sich. Wechseln sich ab. Vertauschen sich. Dann lachen sie. Sie schlagen uns Schnippchen. Keiner weiß wo er dran ist mit all dem Guten und Bösen, das sich mal so oder so zeigt, sein eigenes oder sogar sein Gegenteil bewirken kann.

Ein Wirrwarr wird entsteht, wenn man es greifen will. Das Gute war bisher definiert durch das Angenehmene, Sympathische und Wohltuende. Das Böse auch durch das Unangenehme, Schwere, Lastende, Unsympathische. Wie greift man es neu und versteht, was es von uns will? – Warum begegnen wir mal dem einen und dem anderen und dazu oft im widersprüchlichen Gewand. Warum fühlen wir uns manchmal zu Tode geliebt und drohen an der Enge von Zuwendung zu ersticken, die alles nur gut und lieb meinte…. Warum empfinden wir manchmal ein Unglück als neue Chance, etwas Wesentliches nun ganz neu zu ergreifen und dem Leben einen neuen starken Schub zu geben?

Ist es am Ende so, dass Gut und Böse untrennbare Einheiten sind, wie das Ein- und das Ausatmen, das Leben und der Tod?

Sollten wir dann vielleicht beides nicht viel genauer und vorsichtiger erwägen, wenn es uns so oder so begegnet?

— 19. November 2009
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