Strategisches Denken

Schachmatt dem Frust. Von Christa Schyboll

Wer Schach spielt ist im Vorteil. Schachspieler sind geübte Strategen, die nicht nur die eigenen Züge berechnen, sondern auch die des Gegners mit ins Kalkül ziehen. Sie sind oft die perfekten Meister, wenn es darum geht, wahrscheinliche Wahrscheinlichkeiten in relativer Wahrscheinlichkeit strategisch in Ansatz zu setzen.

Gelingt es ihnen, diese Winkelzüge auch im Umgang des sozialen und mitmenschlichen Umgangs anzuwenden, so hat man schlechte Karten, wenn man ihnen auf irgendeine Weise dumm kommt. Aber ständig kommen einem irgendwelche Zeitgenossen doch dumm, naseweis, unverschämt, manchmal auch unverblümt fordernd. Clever genug oft, das Eigentliche zu verschleiern, um mit Scheinfreundlichkeiten oder herzerweichenden Bedürftigkeiten einen wieder herumzukriegen.

Naive Gutgläubige stehen dann später häufig vor einem Phänomen, das sie nicht begreifen. Was war das jetzt? Was ging hier eigentlich ab? Wie fremdbestimmt habe ich mich schon wieder spontan verhalten?

Ihnen allen fehlt eben jenes strategische Denken, dass folgendes in Ansatz setzt:

  1. nichts ist wie es scheint
  2. Ursache und Wirkung können durchaus auch akausal sein
  3. Es kommt anders, als man es denkt (warum man möglichst gleich Verschiedenes denken sollte, damit das Richtige darunter sein kann)
  4. Das Spiel mit den Wahrscheinlichkeiten ist relativ

Aber wer macht schon im Zusammenhang mit dem bedürftigen Mitmenschen, der heute etwas Milch borgt, morgen sich den Regenschirm auf nimmer wieder sehen leiht und wenige Tage später dann Geld, solche Gleichungen auf!? In aller Regel horchen wir auf unser Gefühl, welches jedoch oftmals unzuverlässig ist, als dieses gern von sich selbst und dem eigenen Verhalten ausgeht. Und spätestens hier beginnt der Frust, wenn dies offenbar wird. Jeder geht eben anders mit dem Eigentum anderer oder der Zeit und den Gefühlen des Mitmenschen um.

Vielleicht wäre ein Schachkurs für Anfänger ein erster Einstieg. Ein Zusammenspiel mit intelligenter Gegnerschaft, ein Messen der Kräfte, das aus dem Geistigen kommt und im Geistigen verbleibt mit der Chance eines hervorragenden Trainings, Alternativen anzudenken und damit viel reaktionsfähiger zu werden.

Schafft man es, solche Strategien und ihre Prinzipien dann hin und wieder auch auf andere Bereiche des menschlichen Lebens blitzschnell zu übertragen, ist die Chance, vom ehrgeizigen Kollegen oder des routiniert arglistigen Nachbars nicht mehr so schnell Schachmatt gesetzt zu werden, äußerst groß.

— 14. Oktober 2010
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