Der Superklau

Wären Sie darauf reingefallen?, fragt Christa Schyboll

Es ist leider eine wahre Geschichte, die ich hier berichte. Berlin im Sommer 2012. Ein Außenbezirk im Grünen. An einem Gartentor stehen zwei Fahrräder. Der Hausherr oder die Hausherrin hatten wohl keine Zeit, die Räder dort abzustellen, dass sie gesichert wären.

Vielleicht wollten die Besitzer auch gerade selbst die Räder nutzen und machten sich im Haus noch fertig. Diese Einzelheit ist mir nicht bekannt, aber auch nicht wesentlich für die Geschichte. Tatsache ist, plötzlich waren die Räder weg. Geklaut. Frech, am hellen Tag, der sonst vielleicht auch ein schöner hätte werden können. Ärgerlich, weil es sich gleich um zwei Räder handelte, die zudem nicht gerade preiswert waren. Aber damit muss man rechnen, würden vielleicht jetzt all jene sagen, denen ähnliches schon widerfahren ist.

Nun kommt's aber: Nach einer gewissen Zeit standen die beiden Räder wieder an ihrem Platz. Der Besitzer staunte nicht schlecht. Damit hatte keiner gerechnet. Eine Besonderheit in heutigen Zeiten. Getoppt aber wurde die nette Geste noch durch einen freundlichen Entschuldigungsbrief, der klarmachte, dass da zwei Menschen ausnahmsweise in große Terminnot geraten waren und die Räder wirklich nur zum Ausleihen benutzt hatten. Und als Wiedergutmachung für die nicht korrekte Art des Ausleihens hatte man auch zwei Theaterkarten gleich mit dazu spendiert, um keine billige Entschuldigung zu geben, sondern eine ordentliche mit Stil. Hier waren also keine Primitivlinge oder Vandalen am Werk.

Ich war ganz beeindruckt, als ich von dieser netten, ungewöhnlichen Geste hörte und dachte mir noch: Ein Glück, dass es auch solche "Diebe" gibt, die Einsehen hatten und zumindest eine Wiedergutmachung versuchten. Dass ihr Handeln nicht korrekt war, bleibt war unbenommen - aber wer bringt schon sein Diebesgut auf diese nette Weise zurück!

Natürlich äußerte ich mich entsprechend der Erzählerin dieser Gegebenheit gegenüber, die mir mit einer schnellen Handbewegung schnell Einhalt gebot. Die nette Geschichte war noch nicht ganz zu Ende. Denn als die Beklauten ihr Widergutmachungsgeschenk einlösten und schick gemacht zum Theater fuhren, hatten die Fahrraddiebe alle Zeit, in Ruhe die Wohnung auszuräumen. Sie sind dabei sehr gründlich vorgegangen. Letzteres verwundert jedoch nicht angesichts der Strategie, die vorher angewandt wurde. Offenbar hat es sich gelohnt. Aber das hatten sie vermutlich schon vorher ausspioniert.

Beklaut zu werden, ist das eine, das so manchen Menschen erschrecken, vielleicht sogar auch dauerhaft verunsichern, verängstigen oder leicht traumatisieren kann. Aber doppelt hereingelegt zu werden, indem es beim zweiten Mal noch viel heftiger kommt, ist von schwerem Übel, weil es das gerade gefasste Vertrauen ins Mitmenschliche in besonderer Weise nachhaltig erschüttert.

— 10. September 2012
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