Warnsignale

Über die rote Ampel im Kopf, von Christa Schyboll

In den meisten Fällen klappt es mit der eigenen roten Ampel im Kopf halbwegs zuverlässig, sobald Gefahr in Verzug ist. Sei es im Straßenverkehr oder sei es bei einem drohenden häuslichen Gewitter, wo man sich rechtzeitig schnell in einen anderen Raum retten kann.

Man spürt in aller Regel, wenn etwas aus den Fugen zu geraten droht und man selbst kurz davor steht, in Hysterie zu verfallen oder zum Opfer zu werden.

Gefahreninstinkte haben das Überleben unserer Spezies so weit abgesichert, dass sie sich bisher noch nicht vernichtet hat. Aber sie steht ständig im grenzwertigen Bereich. Global wie individuell. Global durch Naturzerstörung, Ressourcenausbeutung, wissenschaftlich unkalkulierbaren Experimenten und einem geradezu infernalischen Hang zu intelligenten Vernichtungswaffen aller Art, die perfide nur dasjenige auszulöschen vermögen, was gerade angesagt ist. Ausrottung und Untergang auf die raffinierte Spitze des Möglichen getrieben. Der Hang zur Selbstauslöschung ist keine Pseudobehauptung, sondern lagert als physischer Beweis in den Arsenalen des weltweiten Militärs und zeigt letztlich nur unsere Haltung zu uns selbst.

Wo der Gefahreninstinkt aber versagt, ist in Sachen Dummheit. Dabei bietet dieser Bereich doch eine besondere Gefahr. Denn wenn Menschen nur dumm genug sind, werden diese Arsenale mit den faktisch vorhandenen Waffen ja auch benutzt oder die unkalkulierbaren Experimente in den menschlichen Freiluftzoo entlassen. Dass aber die Menschen - trotz Bildungsangebote - dennoch recht dumm gehalten werden, ist eine unbestreitbare Tatsache, die sich selbst in demokratischen Systemen zeigt. Man schaue beispielsweise allein die sich wiederholenden Bankenkrisen. Da brauchte es nicht eine, dann noch eine schwerere, sondern jetzt noch eine weitere innerhalb ganz weniger Jahre, um immer noch darüber zu streiten, ob denn die Macht der Banken und ihrer Möglichkeiten beschnitten werden müsste. Allein diese Fragestellung ist doch schon Dummheit im Hochformat. Und diese Dummheit hat aber nicht der "kleine Mann" erzeugt (zumindest nicht unmittelbar), sondern die Politiker, die – mea Culpa – nun auch viele öffentliche Bekenntnisse abgeben und von Fehlern in der Vergangenheit sprechen. Es ist nur eines von vielen Beispielen, die lange hier fortgesetzt werden könnten.

Dumm ist es deshalb, weil man das Bessere durchaus ja wusste und lesen konnte. Auch das ist nachweisbar auf Abertausenden von Seiten der wahren geistigen Elite zu lesen, die aber nicht die Elite der gängigen Macht ist. Hier also versagt bei Politikern, Finanzfachleuten, Wirtschaftsbossen durchaus der Gefahreninstinkt, obschon es sogar letztlich gegen die eigenen Interessen geht. Das ist bemerkenswert. Denn in der Regel verlässt der Instinkt einen ja nur, wenn es um die Interessen der anderen geht und man selbst wohlig in Watte gepackt sein gutes Leben weiter leben kann.

Was also ist das Geheimnis der Dummheit, wenn man von den Folgen doch sogar selbst negativ betroffen ist? Ist es so, dass darüber die Sucht machenden Eigenschaften von Gier und Macht thronen? Ist es am Ende so, dass die Dummheit immer nur ein Ergebnis von Gefühlen ist? Ist Dummheit am Ende also weniger ein geistig-intellektuelles, als vielmehr ein emotionales Versagen, weil die Steuerung von niederen Gefühlen den Restverstand komplett in Schach hält?

— 19. Oktober 2011
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