Die Ehe

Wer ist der bessere Stratege in der Kriegsführung?, fragt Christa Schyboll

Sie sind nicht verheiratet oder lebenslang liiert? Dann tun Sie sich diese Zeilen erst gar nicht an. Sie gehören dann zu dem Teil der Menschheit, den einerseits zwar ein gnädiges Karma umfängt, ihn andererseits aber von einem wesentlichen Lernprozess ausgesperrt hat. Der andere Teil der Menschheit, der mit einer jahrzehntelanger Partnerschaft, ist im Krieg!

Heutzutage dauert der Krieg in der Regel zwar nicht mehr seine "Dreißig Jahre", da das Durchhaltevermögen es heute nur noch wenigen Recken vergönnt, sich hier zu über Jahrzehnte zu schärfen. Die Waffen sind längst vorher stumpf geworden. Doch ein paar heiße Scharmützel sind für viele als Erfahrungsbereicherung durchaus noch drin.

Früher war das anders. Da war die lebenslange Ehe sozusagen das Basislager fürs Kriegshandwerk auf der privaten Ehe. Das taugte zu vielem. Die Kollateralschäden dabei sind leider in Kauf zu nehmen. Vor allem sind das die Nerven der Beteiligten – und ja, trauriger Weise oftmals die Kinder. Ein häufig schlimmer Umstand, an dem es nichts zu beschönigen gibt.

Doch wenden wir uns hier und jetzt mal nicht nur der traurigen Seite des Ehekrieges zu, sondern der quasi-konstruktiven Seite. Nach dem Motto: "Was mich nicht tötet, macht mich hart" haben lang beisammen lebende Eheleute natürlich einen ungeheuren Vorteil gegenüber Singles oder ständig wechselnden Pärchen. Sie werden sozusagen in die Geheimnisse diverser mentaler und psychischer Kampftechniken eingeführt, die unter anderem auch eben mit dem Zeitfaktor arbeiten. Zeit steht hier insofern auch für Qualität als sich im Laufe einer langlebigen Ehe immer wieder so völlig neue Situationen des Kampfes ergeben, dass man nur mit intelligenter Raffinesse dieses Basislager lebendig verlässt.

Der Umstand, dass zwei lange miteinander lebende Partner sich ja nicht nur bis in die letzte Zellebene kennen, sondern all das noch toppen durch Prägkognition - also der Fähigkeit, die Handlungsweise des Partners jeweils schon wie einen geschickten Schachzug voraus zu sehen und das entsprechende Handlungsmuster bereits im Hinblick auf die noch nicht eingetroffene Zukunft selbst dann zu planen und durchzuziehen.

Ob Frauen dabei gerissener vorgehen als Männer, könnte in vielen Fällen durchaus der Fall sein, ist aber nicht wirklich statistisch erforscht worden. Es spricht aber viel dafür, weil Frauen im Hinblick auf raffinierte psychische Schachzüge ihre angeborene Intuition schneller bereit sind einzusetzen als Männer mit einem linear und stringent arbeitenden Verstand, der meist nur auf maximal zwei bis drei verschiedene Aspekte auf einmal ausgerichtet ist.

Es braucht nicht nur die Begabung zum Streit, sondern die Steigerung davon, das atmosphärische Chaos möglichst noch zu chaotisieren. Selbst dann, wenn sich so etwas wie eine friedliche Absicht dazwischen mogeln will. Und aus diesem Oberchaos dann trotzdem den Ausgang zu finden, ist für Frauen oft leichter, weil sie sich nicht zu sehr von störenden Kompliziertheiten aus der Fassung bringen lassen. Stattdessen verlieren sie prophylaktisch oft die Fassung schon vorher, was zur Irritation des Gegners führt, der nun Schwierigkeiten mit seinem ebenfalls vorausberechneten Schachzug bekommt.

All das kann man aber nicht in tapferer Qualität leisten, wenn man lächerliche drei bis zehn Jahre zusammen ist. Streiten schon, aber die Feinheiten eines gewieften Feldherren in strategisch komplizierten Stellungen im Heer starker Argumente stellen sich erst nach Jahrzehnten ein. Lebt der Gegner dann immer noch, hat man es mit Hochbegabungen in strategischer Kriegsführung zu tun. Beiderseits.

Aber, so frage ich Sie, welcher Frau sind jemals solche Posten beim Militär angeboten worden?

— 03. August 2010
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