Eifer-Sucht

Im Fegefeuer der Gefühle. Von Christa Schyboll

"Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft", verriet uns schon Daniel Schleiermacher vor über 200 Jahren und hatte gewiss Recht. Die schmerzliche Erfahrung der Eifersucht dürfte schon so alt wie die Menschheit sein.

Diese Wortschöpfung entstand aus "eiver" – gleich das Herbe, Bittere oder die Verbitterung und die "suht", die eine Sucht, Seuche oder Krankheit bedeutete… oder ein dahinsiechen. All das erlebt man, wenn man sie nur tüchtig kennenlernt. Entsprechend krank fühlt man sich.

Es gibt wohl nur wenige Zeitgenossen, die es niemals im Leben in der einen oder anderen Form wie einen Keulenschlag erfahren haben, wenn ein anderer Mensch in irgendeiner beliebigen Situation so offensichtlich vorgezogen wurde, von jemandem, dem man selbst viel bedeuten wollte. Das ist keinesfalls auf Partnerschaftsfragen eingegrenzt, sondern kann wie eine Heimtücke jederzeit überall auftreten und selbst Tiere betreffen, auf die man eifersüchtig reagieren kann. Eifersucht unterscheidet sich vom Neid dadurch, dass er eben vorzugsweise auf lebende Objekte ausgerichtet ist, während der Neid sich auf Dinge bezieht.

Eifersucht tut weh. Manchmal brennt sie wie ein wildes Feuer. Andere Menschen verzehrt sie ungemein oder löst manchmal auch aggressive Handlung aus, die auch autoaggressiv erlebt werden können, wenn der verantwortliche Bösewicht nicht greifbar ist.

Wer eifersüchtig ist oder wird, bekommt nach seinen eigenen Wunschmaßstäben nicht genug an Anerkennung, Liebe oder Respekt. Zuneigung wird , wenn überhaupt, in zu geringer Dosis gewährt, die aber einer anderen Person üppig zugedacht wird. Zu zumindest empfindet es der von Eifersucht Geplante. Das löst Verlustangst aus.

Die Tatsache, dass man sein eigenes Glück dabei über andere speisen will, wird meist nicht realisiert. Auch nicht, dass man längst in einem fatalen emotionalen Abhängigkeitsverhältnis steht, wo ein anderer über die Qualität des eigenen Lebens bestimmt. All das nimmt man in Kauf, so lange man nur seine ausreichend starke Dosis bekommt. Hier spätestens kommt die Suche, Sucht, Krankheit, "Seuche" als Erfahrung ins Spiel, wenn man beginnt, unter solchen Zuständen entsetzlich zu leiden und keinen Ausweg zu finden. Fatal, wenn man die Zusammenhänge zwischen Verantwortungsabgabe an andere, Erwartungen und Selbstverantwortlichkeit für das eigene Glück nicht begreift.

Dramen bahnen sich deshalb vor allem an, weil man sein Glück in die Hände eines anderen gelegt hat und nicht, weil dem anderen auch andere Menschen gefallen. Wie sehr man sich damit selbst verleugnet, durchschaut man lange Zeit nicht. Die Eifersucht hat ihre Krallen fest ins eigene Herz geschlagen. Und das blutet, schmerzt und leidet. Auch dann, wenn man mit rationalen Erklärungen kommt, beschwichtigt oder trösten will.

Ist der Schmerz groß genug, hat man vielleicht genug Motivation, die eigene Eifersucht nicht nur immer weiter zu züchten und zu pflegen, sondern endlich auch zu hinterfragen: Warum brauche ich ständig Liebesbeweise? Liebe ich mich denn selbst auf gesunde Art? Warum bin ich abhängig von dieser Dosis Liebe? Verhalte ich mich in emotionalen Dingen wie ein unmündiges Kind? Welche Erwartungen erfülle ich denn nicht? Und welche stelle ich mit welchem Recht an einen anderen Menschen? Was ist mit meiner eigenen Verantwortung für mich selbst? Welchen Wert hat die Liebe oder die Beziehung, um die es im Eifersuchtsdrama geht? Füge ich mir diesen Schmerz nicht auch selbst zu durch meine Haltung, die vielleicht ja nur suboptimal für ein gesundes Leben ist?

Jedem Menschen erschließt sich ein eigener Fragenkatalog, wenn sich das Herz wieder ans Hirn wendet und eine neue Kooperation miteinander zu diesem Problemthema beschließt. Beide könnten im Zusammenwirken gewiss gute Dienste für diese uralte Menschheitsseuche leisten, wenn sie in Ruhe, Vertrauen und Ehrlichkeit die Dinge für sich selbst hinterfragen und dann auch zu mehr Gelassenheit und Selbstwertgefühlen kommen können.

— 15. November 2013
 Top