Doktortitel, Plagiate und der Geistesklau

Die noch ungesäuberte Republik beleuchtet Christa Schyboll

Immer mehr Politiker dürfen das Doktorhütchen wieder abnehmen und den Titel gleich mit zurückgeben. Als "Wissenschaftliche Mängel“, so wird die Schummelei, die bis zum echten Betrug gehen kann, formvollendet benannt.

Man ist den selbst gestellten Ansprüchen im Hinblick auf die eigene Dissertation nicht wirklich gerecht geworden. Auch das sind nette Erklärungen, die davon ablenken, wie überall betrogen und geklaut wird.

Aber machen das nur Politiker? Gewiss nicht, auch wenn sie sich natürlich vortrefflich dazu eigenen, vorgeführt zu werden. Damit dann auch sofort eine Partei zu benennen oder sogar noch einen hohen Posten ist halt pressewirksamer, als wenn es sich um den völlig unbekannten Biologen vom Gymnasium XY handelt oder einen Geschichtsforscher aus der dritten Reihe im Institut, dessen Existenz kaum jemand kennt.

Plagiate und Geistesklau sind an der Tagesordnung. Ich selbst bin schon oft Opfer geworden und kann mich letztlich nicht wirklich wehren, wenn man sein Leben nicht ständig vor Gerichten verbringen will. Sobald man mit seinen eigenen Gedanken online geht, ist dem Klau mehr denn je Tür und Tor geöffnet. Es betrifft also nicht nur Dissertationen, sondern es betrifft Geistesgut in jeglicher Form. Seien es Patente, Ideen, Musik, Literatur und vielleicht sogar auch die Sonntagspredigt, die schnell aus dem Netz kopiert werden kann, statt sich eigene Gedanken über Werte zu machen und sich selbst vor der Gemeinde als Urheber feiern zu lassen.

Diese Methode wird negative Auswirkungen haben. Welche, ist schwer zu sagen. Aber wenn immer mehr Menschen, die geistige Erzeugnisse erbringen, von anderen um dieselben betrogen werden, schädigt sich eine Gemeinschaft von innen heraus. Die Urheberrechtsverletzungen sind nach wie vor eine problematische Angelegenheit - und das nicht nur juristisch, sondern vor allem auch technisch und moralisch.

Technisch wird es einerseits immer leichter zu recherchieren. Andererseits erschlägt die Fülle der Recherche oft die Möglichkeiten der eigenen Kapazität, vor allen Dingen dann, wenn man viel schreibt und arbeitet. Auch davon kann ich ein trauriges Lied singen und weiß mich im Verbund mit vielen Menschen, die geistig arbeiten und denen es ähnlich ergeht. Auch das Copyright wird krass missachtet, selbst wenn es gut lesbar dort steht.

Moralisch sieht es ähnlich schlimm aus. Hier zählen die inneren Instanzen, die in vielen Menschen immer bedenkenloser wegbrechen. Eine immer höhere Enthemmung zum geistigen Diebstahl ist festzustellen. Kein Wunder, dass da auch junge Doktoranden manchmal verführbar werden, auch wenn die Masse absolut sauber arbeiten mag. Sippenhaft ist auch ein beliebtes Gesellschaftsspiel. Dennoch ist es gut, dass mit der Guttenberg-Geschichte Wichtiges endlich ins Rollen gekommen ist und die Ehrlichen größere Chancen bekommen, sich von den Unehrlichen abzugrenzen. Aber es bleibt eine beträchtliche Dunkelziffer, mit der nicht nur aus der Vergangenheit zu leben ist, sondern die uns auch noch in Zukunft Probleme bereiten kann.

Ein Lösung fällt mir nicht ein. Ein Appell an Menschen, auch mit Geistesgut anderer sauber umzugehen, wird nur bei jenen fruchten, denen Missbrauch eh nie in den Sinn gekommen wäre, da sie selbst die gleichen Werte vertreten.

Oder sehe ich das alles zu schwarz?

— 03. Mai 2012
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