Ent-Schuldigung!

Die billige Tour der Schädigungsschmarotzer – von Christa Schyboll

Sicher, ich habe einen Fehler gemacht. Ich gebe es zu. Es tut mir ja auch leid. Natürlich sage ich das auch laut und deutlich. Aber ich bin nicht sicher, ob man mir das glaubt. Also, dass es mir wirklich leid tut. Und wenn ja, wie leid denn, bitteschön? Irgendwie muss ich es auch zeigen.

Man wird sich doch fragen, ob ich denn auch nun wenigstens ordentlich unter meinem Leid leide. Sieht man mir kein Leid dabei an, hat doch keiner was davon! Erst recht nicht der Geschädigte, der wenigstens nun ein richtig gequältes Gesicht sehen möchte. Wenn man schon nicht für den Fehler bestraft wird, sollte man genug Anstand besitzen, adäquat freiwillig zu leiden, augenscheinlich, offensichtlich und so öffentlich wie möglich. So mir nichts dir nichts Schuld auf sich zu laden und sich dann lediglich verbal zu entschuldigen, kann doch wohl nicht ausreichen für etwas, das einen anderen Menschen so ärgerte.

Schuldige müssen bestraft werden. Natürlich dürfen sie es auch selbst übernehmen, wenn sie sonst niemanden finden, der das gerne tut. Manche mögen diesen aktiven Bestrafungspart am Übeltäter überhaupt nicht. Andere wiederum lieben ihn geradezu und fühlen sich beim Strafendürfen aufs höchste belohnt für das, was man ihnen antat.

Aber Selbstbestrafung ist das mindeste, was zu geschehen hat. Und das geht ja wohl kaum nur mit ein paar dürren Worten. Wenn jemand behauptet, mehr als sich entschuldigen könne er doch nicht, so hat man es mit einer besonders fiesen Sorte Mensch zu tun. Erst Mist bauen und dann ein paar hohle Lippenbekenntnisse in die Welt posaunen! So wird sich doch nie die Welt zum Besseren entwickeln. Primitivlinge! Nicht einmal ein Fünkchen Phantasie einschalten, wie man die Schuld denn nun lindern könne. Man könnte doch Geld zahlen. Bargeld kann jeder brauchen. Einen Fuffi zum Beispiel. Ausreichend, um in einem Restaurant mittlerer Qualität wenigstens einmal satt werden. Oder man könnte etwas schenken, das geeignet ist, schnell weiter verschenkt zu werden, damit man anlässlich der nächsten Verpflichtung diesen lästigen Kram nicht am Hals hat. Oder man könnte – je nach Schwere – auch den Garten einen Monat lang pflegen. Oder das Auto per Hand waschen. Bei kleineren Vergehen könnte man es zumindest in die Waschstraße bringen. Also das Auto des Geschädigten, nicht das eigene verdreckte.

Hat man gerade mal wieder kein Kleingeld wie auch keine Zeit, könnte man wenigstens weinen. Rotz und Wasser, wenn es schlimm genug war. Das tröstet den Geschädigten ungemein. Oder man könnte so traurig aussehen, als müsse der Notarzt gleich mit einem schweren Geschütz Antidepressiva auffahren. Wir wollen ja nicht den nächsten Selbstmord aus Kummer! Das wäre dann eine finanziell preiswerte, aber immerhin dramatische Inszenierung, die den Geschädigten auf der Ebene des alltäglichen Entertainments wenigstens ein bisschen entschädigt. Und er könnte es später überall erzählen und hätte länger etwas davon. Man würde staunen und es weiter erzählen.

Einfach billig zu sagen, „Ent-Schuldigung!“, ist höchst primitiv angesichts tausender Möglichkeiten von Wiedergutmachung. Und es beweist doch nur, dass man zur Gruppe der Schädigungsschmarotzer gehört.

— 21. Oktober 2010
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