Am Ende der Täuschung

Über das Glück, das in der Enttäuschung liegen kann von Christa Schyboll

Täglich schlägt sie irgendwo zu: die Enttäuschung. Auch Susanne hat sie erwischt. Vor zwei Wochen noch das schiere Glückspaket, steht sie nun da mit verweinten Augen und der traurigsten aller Haltungen, die ein Mensch einnehmen kann. Sie ist tief enttäuscht!

Wieder einmal und natürlich zu recht, wie sie meint. Denn sie hat wirklich alles in die Beziehung gegeben, alles getan, sich selbst aufgeopfert, ihre eigenen Wünsche hinten an gestellt – und all dieses Bemühen wird mit Füßen getreten. Es ist einfach für die Katz, für andere was tun zu wollen. Wie oft ist ihr das schon passiert! Aber da sie ein von Herzen guter Mensch ist, der es nun einmal liebt, für andere da zu sein, kann sie auch von diesem grundguten Tun nicht lassen. Doch warum macht sie wieder und wieder die Erfahrung, dass all dieses Tun nicht gewürdigt wird und man sie enttäuscht?

Susanne ist lernfähig. Sie hat es jetzt so oft erlebt, dass ihr ein inneres Lichtlein aufglimmt und sie sich selbstkritisch zu hinterfragen beginnt. Nach und nach begreift sie, warum diese Enttäuschung mal wieder passieren musste und worin sie ihre eigentliche Ursache hat: in ihr selbst. Ganz sicher aber nicht in ihren guten Taten, die auch gut bleiben, sondern in der Art und Weise der Bedingungen, die sie daran knüpfte. Diese waren ihr jedoch nicht einmal selbst bewusst. Es geschah wie automatisch. Sie wollte Freude vermitteln – und es gelang ihr ja auch. Aber dieses Freude bereiten war nicht zum Nulltarif. Daran waren eine ganze Reihe von inneren Erwartungshaltungen geknüpft. So auch die des Ausgleiches nach der Formel: Du musst mir gleich viel Freude machen wie ich Dir! Oder auch: Ich habe jetzt wieder etwas gut bei Dir! Du solltest dankbar sein und mir das auch zeigen!

Selbst wenn solche Erwartungen nicht ausgesprochen werden, sie sind fast immer spürbar. Sie sind auch menschlich und normal…. Aber das heißt nicht, dass sie auch gesund und sinnvoll sind. Sie sind fatal. Zudem garantieren sie den Verbleib im Hamsterrad von Abhängigkeiten des jeweils eigenen Glückes, für das man den anderen verantwortlich macht nach dem Motto: Wenn ich Dich glücklich mache, musst du mich auch glücklich machen! – Ein Geschäft? Nein, aber eine ständige Bedingung, Herausforderung, Anforderung… die mit vielem zu tun hat, aber eines gewiss nicht ist: frei und reif.

So beginnt das Rad der Ent-Täuschungen immer wieder neu zu laufen. Wir geben etwas und verlangen zurück. Wir nennen es „harmonischen Ausgleich“ – statt dessen ist es oft nichts als Erpressung – oder in minder schweren Fällen doch erdrückend, Luft abschneidend, einengend. Und das soll die Basis für Glück sein?

In jeder Enttäuschung liegt aber eine Riesenchance. Sie heißt schlicht und einfach: Ende der Täuschung. Ich habe kapiert! Ich begreife, dass der Partner nicht Erfüllungsgehilfe meiner eigenen Sehnsüchte zu sein hat! Echte Liebe lässt sich nur auf Freiheit und Reife begründen. Umgekehrt gilt für den Partner das gleiche. Alles, was an Schönem gegeben wird, muss aus einer freien Tat kommen, die nicht ständig neue Ausgleichsbedingungen stellt. Der Ausgleich selbst, den natürlich jeder Mensch anstrebt, ist ein „Nebenprodukt“ durch das rechte Handeln und stellt sich automatisch ein so man auch den passenden Partner gewählt hat, der an dieser Liebe ebenso reif, frei und bewusst arbeitet.

Hat man diesen Partner aber so nicht, kann die Enttäuschung besonders hilfreich sein: Denn oft ist es schlicht und einfach auch die unpassende Partnerwahl. Sie wird nicht selten allein auf Äußerlichkeiten begründet, in die man dann die eigenen Sehnsüchte und Vorstellungen gießt, mit dem der Partner real überhaupt nicht übereinstimmt. Wellenlänge oder charakterliche Nähe bleiben zu häufig in stiefmütterlicher Unbeachtetheit, die dann den Kreislauf von Erwartungen und Enttäuschungen famos in Schwung hält.,

Enttäuschungen sind immer willkommen zu heißen… unter Umständen sogar ein Glücksfall für die eigene Entwicklung. Je mehr, um so mehr sie schmerzen. Denn sie befreien vom Irrtum, in dessen Falle man wieder gelaufen war. Und sie können helfen, ihn zukünftig zu vermeiden.

— 26. November 2009
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