Tag des deutschen Butterbrotes

Und dann kam der Hase mit einer Flinte und stahl mir mein Brot. - Von Christa Schyboll

Die Stulle! Geht’s noch schlichter? Eine Scheibe Brot mit Butter drauf. Und schon hat man das klassische Butterbrot, das bis heute zu den Lieblingsspeisen der Deutschen zählt. Aber zunächst einmal eine schöne Kindheitserinnerung aus den Fünfzigern:

Auch unsere Familie kannte damals das so genannte „Hasenbrot“. Der Vater bekam in den Nachkriegsjahren Jahren seine Butterbrote mit zur Arbeit. Kantinen waren vielleicht etwas für große Städte. Nichts aber fürs platte Land. Was er nicht aß, bekamen wir Kinder des Abends. Nein, wir mussten es nicht essen, wir mussten nicht davon (über-)leben - aber es schmeckte uns dennoch köstlich. Obschon es an den Rändern bis in die Mitte hinein meist vom stundenlangen Liegen in der Blechdose schon sehr hart war, verspeisten wir es, als sei es eine Speise der Götter. Oder der Hasengötter. Hasenbrot eben. Für echte gute Kinderhasenzähne. Vielleicht schmeckte es uns aber auch so gut, weil es ja nur selten Hasenbrot gab, da unser Vater in der Regel alles aufaß. Dazu kam in unserem Fall auch hin und wieder dann eine spannende Hasengeschichte, die speziell mit diesem Brot, das wir nun mümmelten zu tun hatte. Natürlich hatten die Hasen dem Vater das Brot gebracht. Andere Male hatten sie es ihm frech gestohlen, dann wiederum versteckt. Jedes Hasenbrot, das wir aßen, hatte eine eigene Odyssee hinter sich, die uns Kinder immer wieder neu erstaunte. Auch die Hasen und Charaktere änderten sich. Böse und gute Hasen. Wie im menschlichen Leben.

Ob Kinder heute auch noch die wenig frischen Brote des Vaters am Abend so genussvoll verzehren könnten, so er sie ihnen anböte? Oder ob so manches gewiefte Kind der heutigen Zeit vielleicht stattdessen sicherheitshalber einmal nach den Kinderschutzbund im Internet googlen würde wegen einer solchen Zumutung? Und ob Väter heute noch solche schönen spontanen Geschichten erfinden, was es mit dem wertvollen, übrig gebliebenen Brot so auf sich hatte? Brot wegzuwerfen galt als Frevel oder Untat. Zu nah waren die Leiden der Hungernden im Krieg - und zu wenig reich die durchschnittliche Bevölkerung.

Heute ist Deutschland dafür berühmt, dass es eben auch über 300 verschiedene, wunderbare Brotsorten zu verköstigen hat. Dazu kommen noch etliche Buttersorten, aus Süß- oder Sauerrahm, mit oder ohne Salz. Zählt man dann aber auch noch die Möglichkeiten aller passenden Brot-Beläge hinzu, all die unüberschaubar vielen Süßaufstriche aus Schokolade, Beeren, Früchten, Honig. All die verschiedenen Quark oder Kräuteraufstriche, Tausende von Wurst- und Käsesorten, Beläge wie Tomaten, Radieschen oder Rettich so reicht ein Menschenleben nicht aus, alle denkbaren Kombinationen auch nur ein einziges Mal zu probieren. Insofern dürfte das schlichte Butterbrot wohl zu den vielfältigsten Speisen gehören, die dem genussvollen Wesen Mensch je eingefallen sind.

Die Liebe zum Butterbrot mit seinen duftenden, frischen, manchmal auch gern harten altbackenen vielfältigen Geschmacksnuancen ist mir lebenslang lieb geblieben - und toppt an so manchem Abend mit seiner Wärme und seinem Duft manch ein raffiniertes Gourmet-Essen.

— 27. September 2013
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