Fragen

Dumme Fragen sind sehr wohl möglich! – sinniert Christa Schyboll

Eines der lächerlichen Sprichwörter lautet, dass es keine dummen Fragen, sondern nur dumme Antworten gebe. Sicher, es gibt Situationen, wo es genau so ist und man den Unwissenden freundlich motivieren will, sich auf sokratische Methode einer Antwort zu nähern, die er dann auch versteht.

Sich fragend an ein komplexes Problem heranzutasten, ist das Beste was man machen kann. Auf diese Weise ist man den gegebenen Zwischenantworten in der Regel dann auch intellektuell gewachsen. Die Schritt für Schritt Methode (Mäeutik) erschließt dann die Lösung, die man ersehnt. Fragen zu stellen und dabei Zwischenerkenntnisse zu gewinnen, ist also zutiefst sinnvoll.

Doch zu behaupten, es gebe keine dummen Fragen, sondern nur dumme Antworten, würde ich jedoch nicht unterschreiben. Es sei denn, man stellt Dummheit als realen Fakt schon direkt in Abrede und einigt sich darauf, dass Dumme – tja, was sind? Unwissende halt? Welche, die über bestimmte Informationen nicht verfügen? Und wenn ja, weil sie nicht können oder weil sie nicht wollen? Das allein würde sie aber noch nicht als Dumme ausweisen. Dazu gehört schon mehr an Mangel.

Dort, wo Menschen der Informationszugang verweigert wird, stellt sich dieses Fragezeichen nach der Dummheit einer Frage niemals. Hier gibt es ja keine Wahlmöglichkeit. Anders aber sieht es aus, wenn massenhaft Angebote an Information zur Verfügung stehen und der Mensch lediglich geistig/gedanklich zu faul, bequem oder desinteressiert ist. Das wiederum kommt aber in der heutigen Informationsgesellschaft häufig vor, da nur wenigen Menschen ein ausreichender Zugang zur Information verbaut ist.

Und aus diesem Frage-Milieu können dann tatsächlich massenhaft dumme Fragen auftauchen. Kennzeichen ist die konsequente Weigerung, vor der Frage erst einmal selbst nachzudenken, innezuhalten und DANN erst die Frage in den Raum zu geben. Dass eine Frage nach einem solchen inneren Akt in aller Regel aber dann anders, intelligenter, spezieller gestellt wird, dürfte in der Regel erwiesen sein. Man glaube aber nun nicht, dass dies wiederum eine Frage von Bildung oder Intelligenz wäre. Keineswegs! Auch viele Akademiker sind mir bereits begegnet, die sich beharrlich weigern, auf ihr einmal Erlerntes Neues draufzupacken, ihre Weltsicht dementsprechend anzupassen und dann ganz andere Fragen zu stellen, die in einen echten dynamischen Prozess von Entwicklung und Dialog münden können. Stattdessen gibt es dann eine schnell heraus geschnodderte dumme Frage, obschon der Mensch, der sie stellt, keineswegs dumm ist.

Dumme Fragen sind selten ein intellektuelles Problem, sondern zumeist ein Problem des Charakters. Häufig zeigt sich, dass diese Person es mit einer inneren Unbeweglichkeit, einer Festgefahrenheit, einer gedanklichen Sturheit zu tun hat. Es fehlt die Bereitschaft zur Veränderung, es fehlen Offenheit und Wille zu einer eventuellen Korrektur, die vielleicht notwendig sein würde.

Sind dumme Fragen denn schlimm? Das muss jeder für sich selbst beantworten. In jedem Fall ist es aber so, dass durchaus vorhandene Intelligenzressourcen nicht genutzt werden und die Welt durch dumme Fragen – im Gegensatz zu den intelligenten Fragen – die Weiterentwicklung in mehr Weisheit durch mangelndes Bemühen zumindest ausbremst. Denn: Dumme Fragen zu beantworten, braucht Zeit, die dann für die intelligenten Fragen letztlich fehlt.

— 15. Oktober 2010
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