Freundinnen

Tratsch und Klatsch als tägliches Überlebensmittel – von Christa Schyboll

Die Beziehungsqualitäten unter Freundinnen können so verschieden sein, wie die Geschmackssorten der Yoghurts im Supermarkt-Regal. Deshalb möchte ich eine spezielle herausgreifen – wissend, dass alles auch ganz, ganz anders sein kann.

Aber SO ist es eben auch: Rita und Klara lieben sich. Nicht sexuell, aber ansonsten durch und durch. Echte Freundinnen. Sie brauchen sich, fühlen quasi gleich, teilen sich ihre Sorgen, Wünsche und geheimsten Neigungen mit. Sie haben die gleichen schrecklichen Kinder, die entsetzlichsten Ehemänner der Welt und werden den Teufel tun, sie je zu verlassen. Sie trösten sich, weinen sich aus und frönen dem Hobby der dauerhaften Beschimpfung mit Inbrunst. Wer dabei gerade im täglichen Drama die Hauptrolle des Bösewichtes übernimmt, ist in Nanosekunden ausgemacht. Es braucht keine Absprachen, keine Diskussionen darüber. Man spürt es einfach. Wie durch Zauberhand werden die Gehirne und Herzen der Freundinnen gleichgeschaltet und springen wie elektrisiert auf den nächsten Skandal an, der nur ein winziges Stichwort braucht.

Dabei meinen sie es gut. Denn sie wissen, dass das Besprechen von skandalösen Ereignissen der nächsten Umgebung vor allem der der eigenen Bewusstseinserweiterung dient. Man befindet sich sozusagen im heimischen Psychoseminar, wo keine blöden Rollenspielchen erfunden werden müssen, sondern man doch wirklich sehr konkret benennen kann, dass Harald und Sabine zu Recht endlich in die Trennung gehen, nachdem was man alles über ihre sexuelle Abstinenz so gehört hat. Authentische Alltagswirklichkeit. Auch die pubertierenden Zwillinge von Hildebrands haben verdammt viel Dreck am Stecken was kleine kriminelle Geschäfte angeht, vor denen die eigene Brut dringend zu warnen ist.

Um solche Warnungen aber auszusprechen und die Kinder vernünftig für die Gesellschaft und die Welt als solches zu erziehen, braucht es lebendige, echte Anschauungsbeispiele. Durchaus auch was die Bettgeschichten angeht, damit es einem nicht am Ende selbst passiert. Und das sind sie dann, die guten Freundinnen. Beim Tässchen Kaffee am Morgen, so sie das Glück oder Pech haben, sich nicht einem nervigen Berufsalltag hinzugeben oder alternativ am Abend oder Wochenende, wo trotz Karrierestress und Doppelbelastung nun erst recht und dringend die Freundin zur Erbauung der eigenen Seele terminlich eingeschoben werden muss. Sie ist unverzichtbar wie Atemluft.

Was sie sich mitzuteilen haben, ist nur eines: wichtig. Auch wenn es sich für unverstehende Männerohren alles profan und lächerlich anhören mag. Es ist ein geheimes Ritual, bei dem es nur scheinbar um Inhalte und noch viel weniger um die durchgehechelten Skandälchen geht. Das ist doch nur das Werkzeug der Meisterinnen. Es geht um Frau-sein, Vertrautheit, ums Kümmern in einer ganz anderen Form als der, die ständig von einem verlangt wird. Es geht um Nähe, Intimitäten der Seele und einer Art von Befriedigung, die nur echte Freundinnen verstehen. Solche, die darum wissen, dass all dieser Tratsch und Klatsch nicht die Spur eines Bösen hat, sondern die Seele erbaut und stärkt… Fit macht für den nächsten Angriffskrieg, der gleich in der eigenen Familie droht, weil das Essen nicht auf dem Tisch ist oder sich partout die linke Socke sich in diesem Haushalt mal wieder nicht finden lässt.

— 10. Oktober 2010
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