Durch dick und dünn

Über die Belastbarkeit von Freundschaften von Christa Schyboll

Gute Freunde zu haben ist eine Definitionssache. Viele Menschen wähnen sich guter Freunde sicher, sind aber noch nicht in die Verlegenheit gekommen, dies auch zu testen. Kumpel, die für einen immer einstehen und dies mit tausend Schwüren bierselig kundtun, gibt es wie Sand am Meer.

Doch auf welchen von ihnen ist Verlass, wenn es darauf ankommt. Worauf? Auf den Notfall? Wenn ja, auf welche Art von Notfall?

Den wirklich echten Freunden ist die Art von Notfall völlig gleichgültig. Sie sind da, wenn man sie braucht. Egal, ob es sich um schmutzige oder schwere Arbeiten handelt, die zu erledigen sind an Bau, Garten oder Umzug oder ob es sich um sensible Tröstung handelt in Zeiten persönlicher Krisen oder Verzweiflung oder um …Geld.

Beim Geld, so hört man oft, höre die Freundschaft auf. Auch dieses Sprichwort stimmt, wie so viele, keineswegs immer, sondern im Gegenteil: Oft fängt sie damit sogar erst richtig an. Dabei kommt es jedoch auf die individuellen Umstände und die betreffenden Personen und ihre tatsächlichen Möglichkeiten an.

Nicht selten, dass der Begriff der Freundschaft extrem überreizt wird. Dass Hilfen erwartet werden, die den anderen in ärgste Bedrängnis bringen und an einen Rand von Verzweiflung, der seiner eigenen Lebenssituation nicht mehr angepasst ist. Da ist dann schon die Frage, wer hier die Freundschaft belastet oder nicht? Der, mit den ungeheuren Forderungen oder der, der sie nur unter schwersten Umständen geben könnte? Es ist ja nicht so, als seien in so manchen Fällen keine Puffer da. Aber wer bestimmt die Grenze? Der in Not geratene Freund oder die eigene nackte Angst? Wie schnell wird man zum Verräter an einer Freundschaft, wenn man ein Nein sagen muss?

Ob und wie gut eine Freundschaft wirklich ist, zeigt sich allein in Notzeiten. In Zeiten glücklichen Beisammenseins mag vieles schönmalerisch beschworen werden, hat jedoch keine getestete Substanz. Kommt diese dann aber durch die Schicksalstür herein, sieht die uralte feste Freundschaft sich nun Belastungen gegenüber, die sie nicht erwartet und noch weniger trainiert hat.

Gemeinsam durch dick und dünn? Jetzt steht es an, es zu zeigen. Von beiden Seiten. Freundschaft ist nicht nur geben und schenken durch ganz konkrete Taten, sondern es ist dabei auch erspüren, wie sehr sie schon belastet werden darf. Man mache sich nichts vor in diesen Dingen und sehe sich in aller Klarheit das Machbare des jeweils anderen an. Ist der Blick klar und ungetrübt, wird die Forderung, die Freundschaft in der Not nun einzulösen, sie nicht entzweien, sondern sie zu einer vertieften Qualität führen.

— 07. August 2010
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