Freundschaft und Feindschaft

Eine verminte Zone und unsere Chance, meint Christa Schyboll

Freunde sind unbezahlbar. Vor allem dann, wenn sie für ihre Freundschaftsdienste nichts nehmen und manche ihnen auch keinesfalls etwas dafür anbieten würden. Immerhin sind es ja Freunde! (die zu spuren haben!).

Freunde werden zum Salz in der Suppe des eigenen Lebens, wenn sie zugleich die besten Feinde sind. Intimfeinde sozusagen, von denen man nicht mehr lassen mag. Man ist fest an sie gekettet, wie sehr man die Fesseln auch zu manipulieren versucht. Freundschaft und Feindschaft schließen sich keineswegs aus, wie man laufläufig meint, wenn man es nicht tiefer betrachtet. Denn der Mensch an sich liebt es, sich an Ambivalenzen zu reiben, um daran nach und nach zu erstarken. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich, sagt der Volksmund und meint dabei gewiss auch viele echte Freundschaften, die diesen zwischenmenschlichen Salto mortale in immer wieder neuen Formen miteinander erüben.

Auf Freunde sollte man sich verlassen können. Vor allem in der Not. Ist der Freund dann selbst nicht in einer Not und mit großmütigem Herzen begabt, wird das auch gewiss eine Zeit lang funktionieren. Ob sich diese Hilfsbereitschaft dann über Tage, Wochen oder Jahre hinziehen kann oder darf, entscheidet die Kraft dieser Freundschaft und die jeweiligen Umstände und Charaktere, die dort aufeinander treffen. Ob Freundschaften dabei reine Zufälle sind oder fast wie geheimnisvolle Magneten wirken, ist schwer zu ergründen. Aber bemerkenswert sind häufig viele Einseitigkeiten, die ein jeder, aber jeder anders beklagt… und dennoch nicht vom anderen lassen mag. Die Feindschaft in der Freundschaft kann zu einer wahren Verbundenheit werden, die in manchen Fällen Suchtcharakter annehmen kann. Liebe Deine Feinde wie dich selbst!

Viele Freundschaften sind wie fließendes Wasser. Sie verändern nicht nur ihr Bett, sondern auch ihre Fließgeschwindigkeit. Was vor Jahren selbstverständlich war, kann eine Zeit später überhaupt nicht mehr angesagt sein. Denn dazwischen waren Ereignisse, die Freundschaften elementar zum Guten oder Bösen veränderten, weil sich die Freunde selbst veränderten. Aber aus ausgesprochenen Feindschaften können auch dicke Freunde werden. Es sage niemand, der Fluss fließe nicht manchmal auch bergan! Man denke an das Hochwasser des Mekong in Kambodscha oder an Jürgen und Heinrich, die sich früher einmal duellierten und nun einträchtig vor der Champions League sitzen.

Je enger man mit den Freunden liiert ist, je mehr man von einander weiß, je intimer man ihre feinsten Seelenregungen kennt, umso sicherer stößt man früher oder später auf Details, die Schwierigkeiten auslösen können, weil man selbst doch so ganz anders fein gestrickt ist. Dann kommt es nicht selten zu einer tiefgreifenden Zäsur. Und hier beginnt der Wert der Freundschaft sich erst zu zeigen. Wie zerbrechlich ist sie? Wie stark war sie je gewesen? Haben wir uns nicht alle etwas vorgemacht? Oder schaffen wir diese Krise gemeinsam? Wie behandelt man das Schuldproblem, wenn jeder eine andere Sicht auf die Dinge hat? Oder war es doch nur eine jener nichtsnutzigen Oberflächenfreundschaften, die nur für ein bisschen gemeinsamen Spaß ausreichten?

Freundschaften, die noch nicht in der Not erprobt wurden, sind noch keine geprüften Gebilde, die schon ernst zu nehmen wären. Andererseits kann sogar im Gutsein eine böse Absicht stecken. Man fühle sich nur genau in sich selbst und den anderen ein. Wie schnell zerschellt etwas, wenn die Wahrheit endlich auf den Tisch will. Wahrheiten, die dann schon wieder subjektiven Wirklichkeiten und Interpretationen unterliegen, wenn die Freunde es spitzfindig angehen. Freundschaft ist Vertrauen. Aber ja! Doch was, wenn es einmal erschüttert wurde? Dann ist das Vertrauen aus guten Gründen doch erst einmal hin und kann, je nach Fall, doch nicht einfach weiter behauptet werden, wenn’s nicht mehr stimmt. Doch wie erwirbt man es zurück?

Freundschaft zu einem anderen Menschen zu empfinden, basiert in vielen Fällen auf dem Gefühl einer Sympathie. Eine Art Seelenverwandtschaft wird zwischen zwei Menschen spürbar, die zwar nicht immer begründet werden kann, aber deutlich zu erleben wird. Damit wird sie zu einer Wahrheit. Kommen später aber Not, Hilfsbedürftigkeit oder Antipathie hinzu, zeigt sie ihren tatsächlichen Wert, ihre Kraft und ihre Bedeutsamkeit fürs eigene Leben. Der Übergang von Freundschaft zu Feindschaft und umgekehrt ist vermintes Gebiet, das jederzeit detonieren kann. Und weil das so ist, sind Freunde so unendlich wichtig im Leben. An ihnen lernen wir unsere eigene Grenze kennen. Mit ihnen gemeinsam können wir sie nach beiden Seiten überschreiten und die Freundschaft vertiefen, eingedenk der Detonationen und Gefahren, denen wir uns alle dabei freiwillig aussetzen.

— 22. März 2013
 Top