Geburtstag

Nicht das Alter, sondern die eigene Reife feiern, fordert Christa Schyboll

Lange nicht mehr gefeiert? Geburtstage bieten das ganze Jahr über Gelegenheit, ständig auf irgendwelchen Feiern Gast zu sein - oder halt den eigenen Geburtstag und den seiner Lieben auszurichten.

Hat man viele soziale Kontakte und pflegt sie gern, kann man sein Leben von Party zu Party verbringen und vielleicht im Laufe des Lebens einen regen Geschenketauschhandel betreiben, weil keiner mehr weiß, wohin mit all dem gut gemeinten Kram. Peinliche Situationen bringen dann vielleicht auch mal ein paar Lacher in die überwiegend ähnlich zusammengesetzte Dauergemeinschaft, so der Humor noch nicht verschlissen ist.

Geburtstage feiert man ganz offensichtlich, weil man sich des Lebens freut. Selbst Miesepeter machen da schon mal gern eine Ausnahme, stellen sich in den Fokus der Gäste, als sei es eine höchstpersönliche Leistung, biologisch mal wieder ein weiteres Jahr gealtert zu sein. Dabei geht das doch ganz automatisch und ohne unser Zutun. Während die physische Seite die Wirklichkeit mal barmherzig mal ungnädig zeigt, wie die Jahre vergehen, ist es an der geistigen Eloquenz keineswegs immer messbar.

Auf Geburtstagsfeiern sind immer wieder Menschen zu treffen, die sich erfolgreich weigern, aus den vielen gemachten Lebenserfahrungen auch kluge Schlüsse zu ziehen oder sich einer ernsthaften Umwandlung zu stellen. Die jährlichen Gespräche zeigen es gnadenlos auf. Die Hartliner unter ihnen mutieren mit zunehmendem Alter nicht selten zu Kindern, die noch unberührt von Erziehungsmaßnahmen sind. Dass nennt man dann medizinisch altersdebil oder es wird einem gewissen geistigen Starrsinn zugeordnet, ohne die geschmeidige Beweglichkeit der Beine, die durchaus aber noch ihren Walzer geschickt tanzen können.

Was feiern wir denn da eigentlich genau und warum feiern wir es? Feiern wir etwa den erfolgreichen Sex der Eltern, der eine neue Menschenfrucht erschuf, die sich jetzt durchs Leben quält. Oder feiern wir den Erfolgreichen, der seine Karriere mit den hübschen Monatszahlungen mal zum Besten für alle gibt? Oder feiern wir den Altwerdenden, der es tatsächlich schaffte, in dieser verrückten Welt nicht kriminell zu werden - oder zumindest sich nicht erwischen ließ? Oder feiern wir, dass wir einfach nur da sind und zugleich darüber beständig und mit guten Argumenten lästern? Oder benutzen wir den Anlass letztlich nur für weitere entspannende Stunden im unentspannten Dauerstress, die wir uns sonst mit Freunden in einem solchen Aufwand nicht gönnen würden?

Andere Kulturen wie zum Beispiel die Aborigines in ihrer authentischen Tradition lachen über diese Art des Feierns, der allein auf einem zeitlichen Hintergrund - dem wiederkehrenden Tag der eigenen Geburt - beruht. Sie feiern anderes. Zum Beispiel ihre besonderen Träume, die entscheidende Botschaften für ihr Leben bereit halten. Oder sie feiern ganz neu erworbene Fähigkeiten, ihre Talente oder neuen Erkenntnisse, die sie tatsächlich zu MEHR machen als das, was sie bisher waren.

Letztlich feiern sie ihre echte Entwicklung. Das macht Sinn. Denn sie feiern nicht einen plumpen Zeitpunkt, sondern ein qualitatives Ereignis, das tatsächlich errungen wurde und somit einen ganz persönlichen Erfolg darstellt, der die Freude der Gemeinschaft wert ist.

Diesen Gedanken könnte man aber durchaus auch mit unserer Tradition auf schöne Weise verknüpfen. So könnte das Geburtstagskind zum Beispiel diesen Tag dazu nutzen, kundzutun, was es im vergangenen Jahr gelernt hat, woran es gereift ist, welche Ziele errungen wurden. Wer es ganz ehrlich meint, könnte auch noch hinzufügen, was nicht so ganz gelang, aber nun auf der Liste für das kommende Jahr steht. Bei all dem darf keinesfalls Angeberei im Vorder- oder Hintergrund stehen, sondern das Bemühen um Authentizität. Ehrlichkeit, die nicht auf Lob oder Schulterklopfen aus ist, sondern einzig darauf, sich mit den anderen gemeinsam freuen zu dürfen. Und das gilt dann für alle, deren Freundschaft nicht den Virus des Neids und der Missgunst trägt.

Was wäre es doch für eine Aussagekraft an alle! Und welcher Ansporn könnte für alle Gäste daraus erwachsen, bei der nächsten Feier sich auch selbst liebevoll-ehrlich einmal zu fragen, wie es mit der eigenen Bilanz ausschaut. Und hat man nichts Positives zu sagen, so ist es doch kein Problem, ihn einfach mal für ein paar Jahre locker auszusetzen oder auf einen ganz anderen Tag zu verlegen, an dam man ehrliche und schöne Kunde von sich geben kann, die echte Freunde mit erfreuen sollte.

— 15. August 2010
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