Achte auf Deine Gedanken

Aphorismen unter der Lupe von Christa Schyboll

Fast jeder kennt dieses Sprichwort, dessen Verfasser mir unbekannt ist: »Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheit. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.«

Beim Lesen mag man gern zustimmen, kurz innehalten – und lässt es wieder fallen. Die Gewohnheit holt uns wieder ein. Trotz Zustimmung achtet man in aller Regel aber beim nächsten Gedanken nicht auf die Qualität des Gedankens, sondern auf den Inhalt. Wir brauchen uns nur ein wenig geärgert zu haben und schon schießen unsere Gedanken wild ins Kraut. Uns fallen vielleicht andere ärgerliche Geschichten ein oder unschöne Ereignisse aus der Vergangenheit, die uns bedrücken. Oder wir bekommen Wut, weil wir schon wieder eine Ungerechtigkeit hinnehmen mussten, die wir in der Spontaneität der Situation partout nicht günstig für uns regeln konnten. Manch ein Gedanke giert dann nach Rache oder Heimzahlung oder ähnlichen Gefühlen.

Aus diesem Gefühl entsteht schnell das nächste Wort: Blödmann, Mistkerl - was auch immer für eine Beschimpfung es sein mag. Verbunden mit einem guten Gefühl, etwas Lastendes jetzt loszuwerden. Ja, manchmal tut es auch gut, das gebe ich ehrlich zu. So ein kurzes Schimpfen entlastet enorm! Aber wenn man es zügellos schleifen lässt, kann es sich steigern. Soweit, dass aus dem Wort dann auch bald eine Handlung wird. “Dem werde ich es heimzahlen!“ Das ist schon fast ein Versprechen, das ja nach Handlung schreit. Und sollte die Gelegenheit günstig sein, wird es so manch einer tun. Hat man damit Erfolg, na prima! Warum soll man es nicht bei der nächsten Gelegenheit wiederholen. Und schon sind wir bei der Gewohnheit. Das Gewohnte ist das, was unseren Charakter in besonderer Weise bildet, weil es sich um immerwährende Prägungen handelt. Daraus basteln wir unser Schicksal. Wir erleben dann früher oder später durch unsere mitmenschliche Umgebung ein unangenehmes Spiegelverhalten, dass wir unter Umständen überhaupt nicht auf uns beziehen und erkennen, dass wir selbst es waren, dass es begünstigte.

Und dabei könnte es so leicht sein. Man müsste solche sinnvollen Sprichwörter lediglich wörtlich und ernst nehmen. Man müsste sie in bewusster Achtsamkeit lesen und in gewollter Wachsamkeit umsetzen - und schon würde es sich so verwirklichen, wie wir es uns für uns selbst wünschen. Es beginnt mit den Gedanken, die wir denken…

— 02. April 2012
 Top