Von der Leichte des erschwerten Hörens

Über die Sache mit der inneren Stille schreibt Christa Schyboll

Mir ist sie schon lange in die Physis ebenso tief eingeprägt, wie in mein Wesen. Ich höre wenig, also schlecht. Dazu so manches falsch.

Bedauernswert, meinen die einen. Beneidenswert, meinen die anderen. Beide haben recht. Es kommt ganz darauf an, was man verpasst. Manchmal ist es ein wahres Glück. Manchmal gar eine gefährliche Angelegenheit. So schwanke ich zwischen den Extremen. Natürlich gibt es Hilfsmittel. In meinem Fall jedoch sind sie grenzwertig geeignet. Manchmal versagen sie ganz.

Ein gutes Gehör ist etwas Feines. Die, die es haben, finden des völlig normal. Nicht der Rede wert, sofern sie es nicht beruflich in besonderer Weise einzusetzen haben. Dann ist es allerdings mehr als nur der Rede wert. Die, die es nicht mehr haben, wissen um diese naturgegebene Qualität genauer und achten sie. Aber hat es nur Nachteile, wenn man schlecht hört? Oder kommen da noch ganz andere Dinge zum Zuge? Werden andere Sinne geschärft?

Die Antwort wird nur individuell ausfallen können, weil hinter jeder Form von Behinderung eine eigene Geschichte steht. Ein Verlauf, der von vielem beeinflusst wird und vieles andere in Folge beeinflusst. Ich bemerke, dass sich so manch ein innerer Sinn geschärft hat. Also keiner von den fünf klassischen, wie schmecken, tasten, riechen, hören und sehen. Daneben gibt es noch weitere, wie den Gleichgewichtssinn, den Bewegungssinn, Wortesinn, Gedankensinn, Lebenssinn, Wärmesinn und Ich-Sinn. Es gibt damit dann 12 Sinne - unterteilt in Körpersinne, die sozialen Sinne und die Umgebungssinne. Und dennoch meine ich eher hier nun jene Sinne, die noch einen anderen Bereich abdecken. Das Vorausahnen, ein gewisses Hinter-die-Dinge-schauen oder wie immer man es vorsichtshalber nennen will. Das hat sich geschärft, seit mein äußeres Gehör sich ins innere meines Wesens zurückgezogen hat. Ein Blicken und Hören in einer tieferen Dimension, als über Worte und Begriffe. Hört man schlecht, hört man eben nicht nur die Worte (schlecht), sondern achtet schon automatisch mehr auf den ganzen Menschen. Und das bewusster als vorher. Man nimmt auch feinere Gestik und Mimik war, ja, »sieht« auch anders, weil man anders »hört«.

Ist das nun gut oder schlecht? Es ist, wie es ist. Ich nehme es wie es ist und nehme die guten Seiten davon dankbar an. Die weniger guten kommen in die Schublade des pragmatischen Umgangs.

Rein stimmungsmäßig gefällt mir die Stille in mir und um mich herum. Mir fehlt da eigentlich nichts wirklich. Doch, die Vögel, für die zu hören ich dann wieder auf die Technik angewiesen bin. Oder wenn das Wasser in einer bestimmten Weise lebendig gurgelt und plätschert. Zum Glück gibt es dann diese Hilfen, so dass ich auch das genießen kann.

— 11. Februar 2022
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