Gemeinheiten

Ist fies-sein nicht schön?, fragt Christa Schyboll

Die Erde ist voller Gemeinheiten. Das hört weder bei den Menschen auf, noch fängt es bei ihnen an. Ich finde es gemein, wenn Vulkane Spinnen verbrennen oder Taifune frech über das frisch geleckte Fell von Katzen hinwegfegen.

Auch ist es ziemlich mies, dass Flüsse nicht in ihrem Bett bleiben, wo sie hingehören und Hähne mit einer Schreiorgie die ganze Umgebung morgens um fünf schon um den Verstand bringen.

Das alles sei jetzt nur einmal stellvertretend erwähnt für die zigmillionen anderen Gemeinheiten außerhalb der menschlichen Welt. Ist es da ein Wunder, dass wir Menschen – ständig von der Natur und überhaupt von allem geärgert – nicht auch mal gemein sein wollen? Ich beobachte jedenfalls, dass ständig fast jeder geärgert wird. Ich dabei vor allem und überhaupt am meisten, obschon ich keinem was Böses tu. Aber ich würde so gerne! … und all meinen Freunden geht es genauso. Ich bin also nicht allein!

Vortrefflich ist es dabei, schon mal gedanklich mit großen Gemeinheiten zu spielen. Echte Attentate zum Beispiel. Man könnte probeweise mit Ameisenstraßen beginnen. Ist man gut im Terrortraining, könnte man auf ganze Gebäude abzielen, hinter denen sich Finanzämter, Parteizentralen oder Banken verstecken. Oder der TÜV, der aus purer Gehässigkeit hier und da lächerliche kleine Mängel beanstandet, nur damit die Kasse wieder klingelt. Kennt man doch alles, diese Tricks.

Nicht zu sprechen von Arbeitgebern und Chefs. Ein Pool von Fiesheiten, der weitere Schlechtigkeiten am laufenden Band produziert. Die Kollegen werden gegeneinander ausgespielt, in dem man sie einfach ungleich behandelt. Dabei muss man nicht einmal mit einer Gehaltserhöhung kommen. Nein, es reicht aus, dass sich immer der gleiche neben den Chef setzen darf. Oder die Frau des Chefs immer nur Ludwig anlächelt, statt auch mal Peter zu beachten. Woran das liegt? Doch keinesfalls an Peters schmalbrüstiger Attraktivität! Nein, es liegt im Wesen der Frau des Chefs. Sie ist nun mal ein Biest. Egal, wie Peter aussehen würde, sie würde ihn schneiden. Einfach weil Menschen eben gemeine Biester sind.

Also muss Peter auch einmal gemein sein. Er könnte Ludwig ja mal was ins Essen streuen. So ein bisschen Durchfall bringt doch keinen um! Oder noch besser ein kleines Brechmittel. So fein dosiert, dass es beim Mittagstisch wirkt. An Tagen, wenn er wieder neben dem Chef sitzt und seine Tussifrau auch mit dran teilnimmt.

— 18. Oktober 2011
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