Gemeinsamkeit

Steckt das Einsame im Gemeinsamen? fragt Christa Schyboll

An irgendeinem Tage sprang mir das Wort "Gemeinsamkeit" vor die Augen und ich las es ungewollt getrennt: Gem-Einsam-keit. Plötzlich wurde aus dem Begriff das schiere Gegenteil und ich begann, ihn für mich selbst unter die Lupe zu nehmen. Ob es ein sprachlicher Zufall war, konnte ich bisher nicht herausfinden. Das Einsame das im Gemeinsamen steckt jedoch faszinierte mich.

Wer etwas gemeinsam mit anderen Menschen macht, ist in der Regel nicht einsam. Es kann zwar vorkommen, dass man sich speziell in großen Massen von Menschen einsam und sehr verloren vorkommt, aber dann ist eben der Begriff der Gemeinsamkeit nicht anzuwenden.

Hier scheint es mir aber so zu sein, als habe sich das Einsame auf das Wir mit einem weiteren Menschen oder eine Gruppe erweitert. Als sei etwas aus Einsamkeit und Vereinzelung herausgetreten und habe sich zu einem neuen Miteinander gefunden. Ob diese neuen Berührungspunkte nun einer Geistes- oder Seelenverwandtschaft entsprangen, einer konkreten Not, einer Liebelei, Liebhaberei oder einem gemeinsam Hobby, ist unerheblich.

Ab irgendeinem Zeitpunkt erkannten die Gemeinsamen nämlich, dass man aus der Isolation der Einsamkeit heraus mit anderen etwas Größeres, Neues gestalten kann, weshalb eine Gemeinschaft als ein sinnvolles Kooperationsunternehmen schien.

Die Übereinstimmungen fanden Konsens und einer wie auch immer gearteten Zusammenarbeit stand nichts mehr im Wege. Das wiederum vermittelte ein neues Gefühl der Zusammengehörigkeit. Ähnlichkeiten wurden erkannt und geschätzt. Die Verbindung dadurch vertieft. Aus solchen ersten Gemeinsamkeiten, die aus der Vereinzelung oder der Einsamkeit einmal kamen, konnten sich Vertraulichkeiten entwickeln, die zu Freundschaft, Bindung, Kumpanei oder Intimität führten. Der Gleichklang im Wesentlich überwog die individuellen Unterschiede und führte zu Einmütigkeiten, die das Gemeinsame trugen.

Natürlich unterliegt alles Gemeinsame aber auch einer Entwicklung mit Aufstieg, Höhepunkt und Abstieg, da auch hier fließende lebendige Prozesse am Werk sind und sich nicht stoppen lassen. Eine reine Frage der Zeit ist es deshalb, bis ein solches Gemeinsames auch wieder stirbt. Es ist wie Leben und Tod aller Lebewesen und gilt auch für die von Lebewesen geschaffenen Strukturen und Ereignisse.

Ging so aus der Einsamkeit die Gemeinsamkeit hervor und vereinzelte sich wieder ins Einsame um sich im ewigen Rund beständiger Veränderung zum Gemeinsamen wieder auf ganz neue Weise mit anderen Zielen zusammen zu schließen?

— 15. August 2010
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