Männer und Frauen

Ein hoffnungsloses Unterfangen?, fragt Christa Schyboll

„Schatz, wo ist die Salami?“ – „Vor Deiner Nase, direkt vorne im Kühlschrank!“ --- „Aber wo ist meine Nase und was meinst du mit „vorne“?...“

Den ersten Teil des Kurzdialogs kennen fast alle Frauen. Männer haben dingliche Dinge vor den Augen und sind unfähig sie zu erkennen. Säße eine dralle Frau im Kühlschrank, wäre die Reaktion eine andere. Aber das wäre dann ja auch kein dingliches Ding, sondern ein höchst weibliches. Nicht jedoch bei Salami. Und die zweite Frage nach der eigenen Nase oder der Raumorientierung innerhalb eines halben Kubikmeters Kühlschrank wird natürlich erst gar nicht gestellt. Denn damit wäre man ja dann schon einen entscheidenden, lange erhofften Schritt weitergekommen in der schleppenden Kommunikation zwischen den Geschlechtern.

Über die Frauen sind ähnlich schreckliche Dinge von Ignoranz oder Unfähigkeit in anderen Bereichen des Lebens zu berichten, die jedoch so unvergleichlich anders sind, dass beide Geschlechter das Doppeldesaster, dass sie mit sich haben, einfach nicht vergleichend verstehen können. Und so stehen sie dann ratlos voreinander, patschen sich auf die Stirn und begreifen die Welt des anderen Geschlechts einfach nicht.

Dabei haben Frauen in der Regel noch das Glück, dass Männer entsetzlich leicht zu durchschauen sind, so man auch nur über ein Mindestgespür von weiblicher Intuition verfügt und sie auch anwendet. Im Grunde haben sie alle einen Kristallschädel, der alles preisgibt, sofern man ihn nur anschaut. Selbst Lügen ist ihnen in der Regel nicht einmal halbwegs geschickt gegeben, sondern auch das machen sie (so sie es machen!) so dilettantisch, dass es glatt zum Verzweifeln ist. Eine Beleidigung für jegliche weibliche Phantasie, die damit konfrontiert wird.

Männer wiederum haben das Glück, dass sie ihre Frauen wohl nie verstehen werden. Egal, wie sie sich anstrengen und zu welchen Schlüssen sie anschließend kämen. Sie sind immer nur eines: Falsch! Und daraus folgt die logische Konsequenz, es doch erst gar nicht versuchen zu müssen. Ein eh hoffnungsloses Unterfangen zwischen den Geschlechtern? Ja, natürlich! Man kann hier keine Entwarnung geben, da ein paar Millionen Jahre unterschiedlicher Entwicklung und Spezialisierungen diese Spezies auf Äonen entzweit hat. Dass sie es dennoch miteinander treiben, hat ganz andere Gründe, über die sie sich biologisch noch nicht hinwegsetzen können.

Aber manche Männer und Frauen können es ja trotzdem miteinander. Hierbei handelt es sich jedoch um eine sehr verdächtige Gruppe, die dem Rest der männlichen und weiblichen Menschheit brutal einen unbarmherzigen Spiegel ihrer Unfähigkeit vorhält. Diese Menschen sind zu meiden.

Lassen sie sich nicht vermeiden, so sind sie aber mit höchstem Argwohn zu betrachten und zu hinterfragen. Es ist kein Problem und durchaus gestattet, im Zuge von Verliebtheit sich blind zu stellen, was die Marotten des jeweils anderen Geschlechts angeht. In scheinbarer Großmütigkeit dürfen die Albernheiten des Partners geflissentlich übersehen werden und auf dem Höhepunkt dieses kurzweiligen Ausnahmezustandes kann man sie sogar geradezu süß finden. Die Mindesthaltbarkeitsdauer dieser Gefühle ist begrenzt wie die von Frischmilch. Das weiß man, das ist in Ordnung. Aber versteht sich ein Pärchen unterschiedlichen Geschlechts dauerhaft gut, schlägt sich den Schädel nicht gegenseitig ein, bringt gemeinsame Kinder nicht nur zur Welt, sondern zieht sie sogar noch groß und ist danach immer noch zusammen, dann geht es nicht mit rechten Dingen zu. Dass weiß jeder, der Beziehung ausreichend lange gelebt hat.

Denn klar ist: Kommunikation zwischen Männern und Frauen ist nicht wirklich möglich. Das, was möglich ist, sind rudimentäre Informationen zum physischen Überleben im Alltag. Und die Salami wird nämlich auch in solchen idealen Beziehungen dann sicherheitshalber doch von der Frau aus dem Kühlschrank geholt, vor dem der Mann staunend steht – angesichts dieses wahren Mysteriums. Unterdessen flüstern die Frauen dieser Männer ungeniert ihrer Freundin Dinge zu, die jedes Männerherz zu Recht empören würde, hätte es Kenntnis davon. Aber die gibt es ja nicht, weil die Kommunikation nicht klappt. Und genau das klappt bei dieser höchst verdächtigen Gruppe gut. Männer und Frauen, die es miteinander schaffen, haben nämlich im Regelfall einen so feinen Anpassungsprozess an die schiere Unmöglichkeit der Nichtverständigung geschafft, dass ein Möglichwerden echter Verständigung zu einem Schock führte. Auch haben Sie in Sachen Erwartungshaltung geradezu asketische Vorstellungen. Geistige Puristen, die fröhlich staunen können, wenn etwas klappt. Die partnerschaftliche Zutat, die es braucht, ist Humor mit einem schrägen Hang zum Fatalismus… und die Erkenntnis, dass es trotz allem sehr nett miteinander sein kann.

— 04. Juni 2011
 Top