Männer und Frauen

Und nun fallen beide über sich her? Von Christa Schyboll

Liebe Männer, liebe Frauen, nun wird aber vollständig Tacheles geredet. Nachdem nun die ersten Hundertausend Frauen sich in 140 Zeichen-Botschaften das Schlimmste von der Seele geschrieben haben, sind sie für den Moment nun erst einmal notfallmäßig selbst-therapiert.

Das wird jedoch nicht in jedem Fall eine therapeutische Langfristwirkung haben. Aber nun sind heute endlich und erstmalig in der Geschichte des Geschlechterkriegs einmal die Männer dran. In der Morgenzeitung nun der erste Bericht über die sexistischen Übergriffe auf Männer. Ja, sie lesen richtig. Nicht von Männern, sondern auf Männer. Es hat ein paar Tage gedauert, bis sich die Männer erinnerten: Ah, auch wir sind ja Opfer! Und was für welche! Das müssen wir der Weltöffentlichkeit jetzt aber auch erzählen. Feminismus hin oder her. Im Zeitalter von Gleichberechtigung müssen auch wir unser Leid schildern dürfen

Immerhin waren sie damit wesentlich schneller als jene Journalistin, die nach einem Jahr und so weiter… Sie wissen’s ja. Nun also sind beide schuld. Aber die Männer haben es uns Frauen quasi schon verziehen, dass wir sie auch… und so. Also das mit dem Grapschen oder mit bitterbösen Damenwitzen über ihre Männlichkeit lästern. Ob das nun mehr antörnend oder eher abtörnend war, war der ersten Statistik nicht zu entnehmen. Die einzigen, die aber jetzt weiter zicken, sind die Weiber. Sie geben keine Ruhe, bestehen auf ihrem viel schlimmeren Opferstatus und missachten frech, dass sie selbst schuld sind. Denn natürlich sind sie schuld. Was müssen sie auch bauchnabelfrei durch die Gegend laufen! Gehört sich das? Pfui.

Nun liegt das Kind im Brunnen. Flirten wird zum Spiel der Mutigsten, die sich zudem einen guten Anwalt leisten können. Vermutlich kommen bereits am heutigen Samstagabend die ersten betörenden Gurrlaute, die säuseln: Ach, haben wir doch nicht so gemeint. Ich jedenfalls nicht. Ich gehöre da nicht in diese Kategorie empfindlicher Frauen. Also ich mag den Flirt… Du darfst!...

Und wenn nicht dieses Wochenende, dann doch spätestens Karneval. Eine Woche jetzt noch zum Warmlaufen. Frivole Bemerkungen verboten? Anfassen tabu? Na, dann dürfte die Polizei aber die Restbestände der sich in Auflösung befindlichen Bundeswehr noch zusätzlich rekrutieren, um diesem Spiel noch Herr zu werden. Oder werden jetzt die Büttenredner alle verhaftet, wenn sich auf der Karnevalssitzung eine Frau persönlich beschämt fühlt? Nein, nein, keine Sorge, mein Geist reicht schon durchaus für die Differenzierung dieser Übergriffs-Vorgänge aus! Aber es bleibt mir ein Schmunzeln auf den Lippen, wenn ich mir die Frage stelle, wie so manche Frau in der aufgeheizten Atmosphäre frivoler Karnevalsbräuche da noch ein feinfühliges Sortieren zwischen den Unterschieden hinbekommen wird.

— 03. Februar 2013
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