Terror in friedlichen Ländern

Warum sich auch jeder Einzelne persönliche Fragen dazu stellen sollte, hinterfragt Christa Schyboll

Terror ist allein menschengemacht und kein Naturereignis. Es ist auch kein Gottesereignis, "kein Wunder" und auch kein böser Zauber. Dann schon eher ein kollektiver Alptraum, den wir wie scheinbar ohnmächtig erleben. Oder auch eine fast schon logische Folge-Entwicklung vorangegangener Ereignisse. Eine Spurensuche.

Wäre das Geheimnis des Terrors allein durch eine intelligente Fragen-Antwort-Checkliste zu besiegen, wie leicht hätten wir dann Frieden in der Welt. Doch das bleibt wohl noch für lange Zeit ein Traum. Dennoch sind alle Menschen aufgerufen, eine solche imaginäre Fragen-Checkliste zu erstellen, um der Problematik tiefer und tiefer auf die Schliche zu kommen. Denn klar ist: Terror ist allein menschengemacht und kein Naturereignis. Es ist auch kein Gottesereignis, "kein Wunder" und auch kein böser Zauber. Dann schon eher ein kollektiver Alptraum, den wir wie scheinbar ohnmächtig erleben. Oder auch eine fast schon logische Folge-Entwicklung vorangegangener Ereignisse.

Um an die Wurzel des Übels zu kommen, haben sich nicht nur unsere Politiker und die führenden Köpfe der Gesellschaft auf Spurensuche zu begeben, sondern jeder einzelne Mensch. Das ist deshalb wichtig, um beim Umsteuern von terroristischen Zeiten zum Frieden hin auch die rechte Gesinnung für die rechten Maßnahmen zu bekommen. Denn was immer letztlich gewählte Politiker in Sachen Krieg und Frieden entscheiden, ist umso wirkungsvoller, je stärker es von einem Volk mitgetragen wird. Mitgetragen werden kann aber nur das, was tatsächlich auch verstanden, verarbeitet und integriert wurde. Und dazu gehören zunächst die richtigen Fragen zum vorhandenen Problem.

Dass die Dinge kompliziert liegen und keine einfachen Antworten vertragen, weiß jeder. Aber sie sind nicht nur komplex, sondern auch zeitlich uralt. Denn vieles von dem, was wir heute erleben, hat seinen Urgrund in der Vergangenheit, die teilweise schon Jahrhunderte zurückliegt. Spätestens zur Zeit der Kolonialmächte begann etwas in der Welt völlig aus dem Ruder zu laufen. Die Menschen vergangener Epochen hatten darüber aber noch keinen Überblick. Sie nahmen, was sie bekommen konnten. Sie waren unfair, versklavten andere Völker, schafften neues Unrecht und missachteten viele alte, gewachsene Traditionen. Die pure Gier nach Geld und Macht trieb sie dazu. Das ist heute kaum anders. Zurück blieben ausgebeutete, verarmte Völker, mit teilweise korrupten Machthabern oder kriminellen Clans, verbrannte Erde, Armut, Elend, Hoffnungslosigkeit … und Krieg. Kriege um Kriege um Wasser, Land, gegen Seuchen, gegen neue Machthaber, gegen den Hunger, den Durst, zur Ausbeutung der Natur und der Rohstoffe der Erde und für die Freiheit wurden seitdem geführt.

Die Sünden der Vergangenheit schlagen zurück

Damals begannen schon die Fugen zu krachen. Doch niemand sah das Unheil kommen… oder wollte es kommen sehen. Es würde schon gut gehen. Immerhin war die reiche westliche Welt doch gut bewaffnet.

Als man es dann kommen sah, sah man weg. Seit über 30 Jahren und länger flüchten die Menschen beispielsweise von Afrika (und auch teilweise von Asien) in Richtung Europa. Nicht erst seit 2015 gibt es Tausende von Toten, die ertranken oder auf ihren Wegen in eine vermeintlich hoffnungsvolle Zukunft verhungerten. Solange sie auf den Kanaren oder auf Lampedusa strandeten, "taten sie uns leid" – und ließen uns zugleich doch alle ziemlich gleichgültig dabei. Mitleid kann "billig" sein, wenn es nur ein Lippenbekenntnis ist. Humanismus oder Menschlichkeit braucht die konkrete Tat und nicht nur ein offenes Ohr.

Doch dann kam eine historische Wende. Angela Merkel breitete die Arme in einem spontanen Akt der Menschlichkeit aus und löste eine Springflut aus, um es in eine Metapher zu kleiden, die die Wucht der Ereignisse, nicht aber den einzelnen Flüchtling meint. Als Welle wäre diese "Springflug" gewiss auch an unsere Gestade angerollt, nur etwas verzögerter, langsamer halt und nicht mit solch dramatischen Folgen für die Menschen in Not… und auch die, die über Nacht die Not zu organisieren und zu lindern hatten.

Doch zeitgleich und gewiss nicht zufällig, sondern gezielt, hat der neuerliche Terror in Europa zu dieser Belastung eine weitere schwere Belastung hinzugefügt, der unsere Welt nun vollends aus den Angeln hebt. Die Fragen nach der Ursache werden mittlerweile immer genauer gestellt. Und die Fachleute sind sich zumindest im Groben darüber einig, dass Ungerechtigkeit, Perspektivlosigkeit, Fundamentalismus, die immer wieder neuen Kriege, aber auch Klimawandel, Armut, Hunger, Verelendung nicht nur in den heißen Kriegsgebieten, sondern in vielen Ländern des afrikanischen und asiatischen Kontinents die Hauptursachen sind.

Politiker und das Öl ins Feuer des Terrors

Daraus folgt: Wenn wir keine globale Umschichtungen wagen und nicht völlig neue Wirtschafts- und Finanzstrukturen schaffen, wird der Kampf der Armen gegen die Reichen/Wohlhabenden härter und härter werden. Entrechtete und Perspektivlose sind zu Abermillionen auf dem langen Marsch. Und noch immer stecken die Verantwortlichen in Brüssel in bloßen Lippenbekenntnissen, die zwar Beschlüsse fassen, aber sich weder daran halten, noch sie umzusetzen gedenken. Das ist Öl ins Feuer. Sollte sich der Terror mehren, so ist auch auf die Fragen-Checkliste zu setzen, inwieweit wann welche Politiker zu welchen Zeiten mit ihrem Unverständnis oder ihrem Hang zu Verdrängung der gefährlichen Gesamtsituation das Desaster weiter mit heraufbeschworen haben.

Wer sich auch im Privaten und ganz Persönlichen solche Fragen näher stellt, wird mit bestimmten Maßnahmen, die vielleicht nicht schön sind, aber deshalb besser umgehen können, weil er sie einsieht. Das wäre ein wichtiger Schritt zum Frieden. Wenn das ganze Volk "mitdenkt" und sich laut zu Wort meldet, wird auch eine Volksmeinung ein Gewicht bekommen, die gerade einer Demokratie gut zu Gesicht stünde, aber zumeist ja nicht praktiziert wird (viel mehr Volksbefragungen – vorausgesetzt eine sehr gute pro und contra Diskussion über die Sachlage).

Frieden kam uns so lange wie ein Geschenk vor, dass uns schon selbstverständlich war. Aber tatsächlich ist Frieden ein ewiger Prozess. Es ist wie ein Muskelaufbau, der immer wieder das Training braucht. Das Trainingslager des Friedens ist das Reich des Bösen, nur dort können wir trainieren, ob wir tatsächlich friedfertig im Handeln, Denken und im Herzen sind… oder es werden. Und für all das ist eben auch die erbarmungslos klare und ehrliche innere Befragung zur eigenen Haltung in Sachen Terror und Frieden für jedes Individuum unerlässlich. Geht man diesen Weg, dann erwächst auch die Kraft zum tätigen Handeln. Der Politik ist dabei gründlich auf die Finger zu schauen, wie es uns Brüssel mit seinem schlechten Vorbild in Sachen Redlichkeit der Beschlussumsetzung gerade vorlebt.

— 28. März 2016
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