Trost für Kranke

Die Säuferleber fürs Gemeinschaftswohl meint Christa Schyboll

Sind Sie öfter krank und leben noch immer? Dann machen Sie alles richtig. Ihnen ist nicht nur zu gratulieren, sondern man sollte Sie mit einem Sonderbonus belohnen. Sie haben sich genau nämlich so verhalten, dass es der Masse der Bürger nützt. Ich werde Ihnen das beweisen.

Wie Sie wissen, hängen von Ihren Leberproblemen nicht nur die Beschäftigten der gesammelten Alkoholindustrie ab, sondern gigantische Wirtschaftszweige. Die Fassmacher, die Transportunternehmen, die Gerste-Bauern, die Malzhersteller, die Weinbauer, die Schnapsbrenner, die Glasindustrie, die Pharma-Giganten, die aufgeblähten Anstalten von Krankenkassen, Rentenversicherungen und so weiter. Ich könnte Sie mit der Aufzählung zum Wahnsinn treiben, wenn Sie mir bis zum Schluss folgen würden. Und Sie wissen natürlich, dass die Weinbauern viele Osteuropäer brauchen für die Traubenlese, die wieder ständig mit Bussen transportiert werden müssen, dann vielen Traktoren, die Hubschrauberspritzaktionen gegen Krabbelläuse, die Gaststätten, Bars… Ach, ich werde atemlos, wenn ich bedenke, was Ihre Leber alles für uns tut.

Und am meisten profitiert dann der Staat, der von Ihrer freundlichen Säuferleber seinen ganzen Apparat ja finanziert. Nun ja, metaphorisch gesprochen. Es ist ja nicht nur Ihre Leber allein. Aber es ist ihre angegriffene Gesundheit, die eben dann auch den Arzt braucht oder hier mal eine Transplantation oder dort. Das ist heute alles kein Problem mehr. Keine große Sache… Aber Ihr Verhalten ist klasse. Bleiben Sie unbedingt so. Lassen Sie sich von den Krankenkassen nicht dazu verführen, zuviel an Sport zu machen. Sie wissen selbst, dass das Mord ist. Also quasi. Jedenfalls ist letztes Jahr wieder einer an Sport gestorben. Und der war kerngesund.

Würden alle Menschen so handeln wie Sie, würde unsere Wirtschaft doch viel schneller prosperieren und wir hätten die Griechen ruckzuck im Sack. Irgendeiner muss die wertlosen Papiere doch aufkaufen. Und nur Bad Banks in Hinterhöfen aufzumachen ist ja auch nicht so taff. Altertümer und Inseln soll es ja auch schon mal im Sonderangebot geben. Wenn wir diese einmalige europäische Chance nutzen wollen, saufen Sie! Verhalten Sie sich solidarisch. Nicht zuviel, Sie sollen ja überleben. Aber genug, um einen florierenden Apparat vieler Industriezweige am Laufen zu halten.

— 10. Mai 2011
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