Workaholics oder Kreativ-Strömende

Eine kritische Betrachtung von Christa Schyboll

Burnout, Workaholkism, Arbeitssucht. Heute braucht man niemandem mehr diese Begriffe zu erklären. Zu viele leider darunter, werden krank – ja, werden auch teuer für die Gesellschaft.

Die stoffungebundene Sucht, bei der eine zwanghafte Haltung zu Leistung und Arbeit entwickelt wird, ist die eine Seite einer beängstigenden Richtung. Die andere ist, dass in dieses Fass von undifferenziert hinschauenden Menschen aber auch jene brutal mit hinein geschmissen werden, die allzu schnell gern pathologisieren und zu kritischer Analyse wenig befähigt sind.

Wer sind denn jene anderen, die den Arbeitssüchtigen so ähnlich sind? Es handelt sich um die „strömend Schaffenden“, wie Stefan Zweig es einmal ausdrückte.

Es sind Menschen, die ihren Beruf oder ihr Hobby zur tiefen, inneren Berufung machen und nicht mehr mit dem Maßstab eines normalen Werktätigen zu messen sind. Aber eben auch nicht mit dem Maßstab eines Arbeitssüchtigen, der sein Selbstvertrauen an seine Arbeit koppelt, der Erfolg, Macht oder materiellen Lohn will, der gern eine immer höhere Dosis seiner eigenen Leistungen regelrecht braucht, um sich selbst zu ertragen. Dieser Typus, der bereits wie in pathologische Handlungsmuster eingenietet scheint, missachtet dann aber auch nicht nur das komplette Familienleben, sondern leidet im Laufe der Jahre dann auch z.B. häufig unter schweren Depressionen, Angstzuständen, Herz-Kreislauf-Störungen. Und in Folge kommt es oft schon ab Mitte 50 zur Frühverrentung oder dem schweren Burnout oder einem massiven Knick in Bezug auf seine bisher erbrachten Leistungen. Manche fliegen sogar aus der Firma, obschon sie doch immer so überaus fleißig waren. Diese Krankheit hat Stadien und ist auch eine echte Krankheit.

Diese Krankheit hat aber einen kreativen und überaus gesunden Gegenpart, den ungenau Hinschauende nicht leicht unterscheiden können. Denn diese Menschen werden interessanter Weise trotz eines ebenfalls immensen Arbeitsprogramms eben nicht in einen Burnout fallen, machen ihren Selbstwert auf gar keinen Fall von der Leistung abhängig, sondern lieben ihre Tätigkeit oder die Sache selbst. Sie sind mit ihr verwachsen und können wunderbare Erfolge erzielen, die aber nicht unbedingt auch erfolgreich im Außen sein müssen. Sie mögen nach außen hin zeitweise auch ein wenig wie „besessen“ erscheinen, weil einfach soviel Herzblut in der Tätigkeit liegt. Hier ist der Weg das Ziel, auch wenn man ein weiteres Ziel dabei gern noch zusätzlich mit erreicht. Es sind vor allem künstlerische und forschende Berufe aller Disziplinen. Auch häufig bestimmte soziale Berufe oder Berufe die mit der Pflanzen- und Tierwelt eine innige Beziehung eingegangen sind, sind in diesem Kreis der unermüdlich Tätigen zu finden. Wohlgemerkt!, die Sprache ist hier von freiwilliger Tätigkeit, die man gern macht, liebt, die tief befriedigt, weil man sich mit ihr zutiefst auch identifiziert, ohne aber davon in krankhafter Weise abhängig zu sein.

Freud, Händel, Rubens, Balzac, Michelangelo, Tolstoi – und ganze Forscher- und Künstlergenerationen ohne Ende könnten hier nun namentlich angeführt werden. Auch Abertausende Namenlose, die gleichsam in diese Riege gehören und bei oft lebenslanger harter Arbeit bis zum Tod genau diese ihre Arbeit so geliebt haben. Diese Menschen starbe und sterben nicht am Burnout-Infarkt, sondern erreichten oft auch schon früher ein hohes Alter und waren nicht selten bis zu ihrem Ableben täglich noch viele Stunden beschäftigt. Die Strömend-Schaffenden eben!. Kreative "Künstler" ihres jeweiligen Gewerkes, das letztlich alle Berufe umfassen kann, wenn man seine Tätigkeit nur ausreichend liebt und nicht von der Mühsal erdrückt wird. Dahinter steckt eine urgesunde Natur, die aber den Durchschnittsmenschen nur ungesund dünken kann, weil er selbst eine solche Schaffenskraft und auch Schaffenslust in diesem Ausmaß einfach nicht kennt. Arbeiten und Atmung sind in diesen Fällen wie gleichgeschaltet. Arbeitszeit und Freizeit wird nicht mehr einer unnatürlichen Trennung einer modernen Zeit unterworfen, die durch entseelte Tätigkeiten diese künstliche Trennung in Arbeit und Freizeit aus vielen Gründen auch tatsächlich schaffen musste.

Der schöpferisch Strömende und der Workalholic sind auf den ersten Blick in Bezug auf Arbeitspensum und –Intensität kaum zu unterscheiden. Beide scheinen der Arbeit "verfallen". Und denoch! Wie unvergleichlich ist ihrer beider Wirklichkeit. In manchen Fällen mag die Trennlinie hin und wieder überlappend sein. Aber die Freude, die den Erstgenannten im Antlitz steht und die dauerhaft nervöse Erschöpfung, die der andere Personenkreis wie krankhafter Atem ausdünstet, zeigen dem wachen Beobachter, wie unendlich unterschiedlich das scheinbar Gleiche sein und sich diametral auswirken kann.

Das, was den einen krank und unglücklich macht, macht den anderen gesund! Warum? Die innere Haltung zur Sache, die Liebe zum Tätigsein bestimmt den Unterschied.

— 01. Februar 2013
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