Gutmensch

Ich werde dich zu Tode lieben! - von Christa Schyboll

Gute Taten sind ein Segen. Sie sind es dort, wo sie dringend gebraucht und gewollt sind. Wo sie schlimme Not mindern oder Menschen retten.

Gutmenschen sind ein Fluch. Auch sie tun gute Taten. Aber sie tun es auf eine Weise, die ihre Mitwelt manchmal schier um den Verstand bringt.

Was also ist schlecht an Gutmenschen, die gute Taten tun und das Beste doch wollen? Es ist ihre Art und Weise, die sie selbst in aller Regel nicht reflektieren können. Weiter ist es oft ihre unbewusste Motivlage, die sie nicht erkennen, aber hinter wohlfeilen guten Argumenten vor sich selbst unbewusst verstecken. Es ist eine Art von Zwangsmissionierung, die bis zur Entmündigung, gar zur Entwürdigung reichen kann, wenn der so Beschenkte eigentlich gar nicht beschenkt werden will.

Doch wer sagt es dem Gutmenschen, wie fatal sein Gutsein ist? Und wie sagt man es, ohne ihn zugleich zu kränken? Wertvoll wäre es ja, seine guten Ressourcen und seinen generell guten Willen weiterhin zu nutzen, denn Egoisten gibt es wahrlich genug auf dieser Welt.

Zwischen Gut gemeint und gut gemacht ist die Kluft, die der Gutmensch nicht zu überbrücken weiß. Kämpferisch und mit aller Gewalt will er den Frieden und das Heil bringen. Will man nicht, so muss er sich härtere Methoden ausdenken, sich der Bürde seines zwanghaften Gutseinmüssens zu entledigen. Irgendwo muss doch einer stecken, der ihn braucht und den er retten muss. Das ist seine Aufgabe im Leben, die er sich von niemandem nehmen lässt. Die Faktenlage kann er dabei gern geflissentlich übersehen. Er hat sein eigenes Bild vom Ereignis und der Not, die er allerorten durch die eigene Brille sieht.

Aufopferungsvoll schmeißt er sich dem vermeintlichen Opfer an die Brust und bettelt nicht selten darum, seine Hilfe anzunehmen. Die Krönung jedoch ist jener in der Kategorie der Gutmenschen, der dann den Undank nicht nur bekommt, sondern sogar ausdrücklich gut heißt, da dieser Umstand sein Gutsein nur noch erhöht. Je bedingungsloser er gut sein muss, je stärker wächst sein ethisches Konto. Schmach, Undank, Verletzung oder Abwehr steigern seine guten Taten manchmal bis ins Unermessliche. Sieht das dann außer ihm niemand, so ist der vorletzte Höhepunkt seiner Karriere als Gutmensch erreicht. Die letzte Stufe ist die, wo es nicht nur keiner sieht, dass er Undank erntet, sondern man ihn für sein Tun auch noch am Ende grob beschimpft. Mehr geht nicht mehr.

Es versteht sich von selbst, dass die Kategorie dieser letzten Hartliner personell eher schwächer besetzt wird. Es braucht schon eine Reihe von Eigenschaften, um all diese Konsequenzen ja auch persönlich durchzutragen. Die Bandbreite ist weit gestreut. Es beginnt nicht selten mit einem Stück Kuchen aus der Nachbarschaft, das ausufern kann zu einem wöchentlichen oder täglichen Stück Kuchen. Es beginnt tatsächlich oft gut gemeint und kann sich zur Manie entwickeln, die den Beschenkten in eine dauerhafte lästige Danksagung zwingt oder ein offenes einseitiges Konto signalisiert. Manchmal jedoch treffen sich Charaktere dabei, die sich in all dem perfekt ergänzen.

Trifft der Gutmenschen auf einen ausgesprochenen Geizkragen, so ist eine Art Dreamteam entstanden, wo jeder seine bedenklichen Eigenschaften zur höchsten Blüte treiben kann.

Ob man selbst in einem solchen Blütengarten gern zuhause ist, möge man sich gutmütig vor die eigenen Augen halten.

— 07. August 2010
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