Streithähne

Der Krampf mit dem Kampf – von Christa Schyboll

Frau Krampf ist eine Kämpferin. Ihr Lieblingsfeind ist Herr Kampf, der zugleich aber etwas sehr krampfhaftes hat. Sie sind sozusagen die perfekte Ergänzung. Wer nun welchen Anteil von seinem Lieblingsfeind nach und nach übernommen hat, ist heute nicht mehr auszumachen. Tatsache jedoch ist: Frau Krampf und Herr Kampf sind das Dreamteam für gepflegten Streit der regelmäßig in trauter Niederlage endet.

Ein solches Vermögen muss man sich erst einmal erarbeiten. Zoffen kann sich letztlich jeder dumme Mensch. Dazu gehört nichts als lediglich ein gerütteltes Maß an Emotionen, die keiner mehr unter Kontrolle hat. Also Streit unter Primitivlingen, mit dem wir uns hier natürlich nicht beschäftigen wollen.

Hier geht es um Niveau und Können. Frau Krampf kämpft mit Waffen, die speziell sind – und Herr Kampf krampft ihr mutig entgegen bei dem Versuch, eine Dominanz zu erlangen und sie zu entwaffnen. Doch das geschieht nicht wirklich. Sie sind clever genug, sich so perfekt mental niederzumähen, dass niemand das Gesicht verlieren muss… und ein neuer Kampf eine neue faire Chance bekommt. Das nenne ich Respekt!

In einem geradezu zauberhaften Zusammenspiel mit wechselvoller Tragik tauschen sie dabei auch immer wieder schnell wie unbewusst die Rollen. Würde Bewusstsein eingeschaltet, hätte es Zeitverzögerungen zur Folge, die sich durch die Trägheit der Vernunft ergeben. Denn jene lästige Instanz beharrt ja stur darauf, erst einmal nachdenken zu wollen, bevor sie Worte in die dichte Atmosphäre drohender Gefechtsaufstellung gibt.

Frau Krampf setzt die Waffe der mentalen Spasmen freudvoll ein. Dort, wo andere Menschen Muskelanspannungen erzeugen, erzeugt sie krampfartige Spasmen in der Argumentation, mit denen sie ihren Gegner aus der Reserve lockt. Je abstruser, je wirkungsvoller geht er darauf ein, weil es ihn entsetzlich nervt. Er erträgt es nicht, wie sie ihre weibliche Argumentation aufbaut und beginnt – ja: zu krampfen! Das war von Anfang an beabsichtigt. Und nun kämpft Herr Kampf den eigenen Krampf hernieder, in dem er seiner Sparringspartnerin tapfer unter die Nase reibt, dass weibliche Gedankenspasmen keine Chance haben in der Welt der Gesunden, die des klaren Denkens fähig sind. Damit meint er sich selbst und ist überzeugt davon, die lautere Wahrheit zu sprechen und die Wirklichkeit dabei zu überblicken.

Auf dem Höhepunkt des Streites greift er zu einer kleinen Röhre, schreitet drohend zum Wasserhahn, entnimmt eine gewisse Menge Magnesium und … genehmigt sich selbst die erste Dosis. Begütigt durch eine gewisse Entspannung und einen kleinen ersten Schluck entkrampft sich auch die erschöpfte Gespielin und beendet den Krampf mit dem ewigen Kampf in der freudvollen Erwartungen, dass man sich doch noch vieles zu bieten hat.

— 25. November 2010
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