Rituale und Rhythmen

Warum Kinder von Ritualen profitieren können, von Christa Schyboll

Kleine Kinder lieben Wiederholungen. Gesunde Rhythmen tun ihrer Entwicklung besonders gut. Das weiß man schon seit vielen Jahrhunderten. Dennoch bekommen viele Kinder viel zu wenig davon. Das Wissen darüber ist leider in vielen Elternhäusern abhanden gekommen.

Mit Rhythmen und Ritualen fühlen sich Kinder geborgen. Wenn sie Bekanntes neu erleben und fühlen, fühlen sie sich in Sicherheit. Sie erobern sich die Welt mit der erlebten Gewissheit, Bekanntes schon ein wenig oder auch schon recht gut zu beherrschen. Da darf dann auch Neues hinzukommen, weil das Alte schon wunderbar in das kleine Leben integriert ist. Rituale sollten den normalen Tagesablauf eines Kindes auf gesunde Weise strukturieren.

Es beginnt mit der morgendlichen Körperpflege, dem Zähneputzen oder Händewaschen vor dem Essen. Je früher und konsequenter dies trainiert wird, umso selbstverständlich wird es Bestandteil des Lebens, ohne dass hier Kräfte für Streit oder Ermahnungen verschleudert werden.

Aber auch die Rituale für die Seele sind äußerst wichtig. Hierzu können das Tischgebet oder Abendgebet gehören, sofern Kinder im religiösen Kontext erzogen werden. Aber auch die tägliche Gute-Nacht-Geschichte, ein kleines vertrauliches Flüstern vor dem Schlaf mit den guten Wünschen für einen schönen Traum, gewisse gemeinsame Spielzeiten mit Vater, Mutter oder Geschwistern sind stärkend für die kleine Persönlichkeit, die in eine komplexe und schwierige Welt hinaustritt, die uns als Erwachsenen einfach nur normal vorkommt.

Kinder haben aber ganz andere Reize als wir zu verarbeiten und verfügen eben noch nicht über unser ausgefeiltes Sensorium. Ein Grund mehr, die Stärkung des Kindes in Punkto Sicherheit und Geborgenheit wo immer es geht zu fördern.

Aber nicht nur für das Kind allein sind gewisse kleine Rituale und Rhythmen wichtig, sondern auch für die Gemeinschaft, in die das Kind eingebunden ist. So werden beispielsweise Kinder, die ein Dankesgebet zu Tisch sprechen, sich nicht wild und gierig sofort über das Essen hermachen, bevor alle sitzen, sondern erlernen die selbstverständliche Geste, zu warten und die eigenen Bedürfnisse auch einmal zurückstellen zu können.

Solche Disziplinierungen sind dann wiederum auch gesund für ganz andere Lernfelder, in denen sich jedes Kind nach und nach bewähren muss.

Aber die Rhythmen und Rituale haben auch noch einen übergeordneten Einfluss, dem wir Menschen alle unterstehen. Es ist ein Teil unseres kosmischen Erbes, der mit den Tag- und Nachtzeiten, den Jahreszeiten, der Blüte und Ernte, Ebbe und Flut, Sonne und Mond und vielen anderen Erscheinungen einher geht. Alle diese Dinge haben eine feine Auswirkung auf uns, über die man erst ein wenig weiß. Aber dasjenige, was schon bekannt ist, gibt Anlass genug, uns auf eine natürliche Weise frühzeitig in gesunde Rhythmen mit ein zu schwingen, um die Harmonie der Natur auch in das eigene Leben zu integrieren.

— 07. August 2012
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