Unverzichtbare Kriege

Seid friedlich und bekämpfet euch, meint Christa Schyboll

Es gibt kaum eine religiöse, politische, kulturelle Botschaft, die uns nicht mantramartig ständig zum Frieden auffordert. Offenbar haben wir es nötig. Sonst bekämen wir es nicht dauernd zu hören. Warum es aber nicht damit klappt, ist doch erstaunlich nach Jahrtausenden des Übens mit Keulen und Kernwaffen, irgendwie als Menschen miteinander auszukommen und uns nicht vor der Zeit totschlagen zu müssen.

Über die Friedfertigkeit vieler Politiker machen wir uns ja schon lange keine Illusionen mehr. Was sie sagen und tun, ist so entschieden anders wie Nutella und dunkelbraune Schuhcreme. Und getoppt wird es dann noch zu Wahlkampfzeiten, wo die Wichtigkeit des Friedens so kämpferisch beschworen wird, dass einem Angst und Bange werden kann, sie würden es am Ende noch ernst meinen. Aber keine Sorge, das tun sie nicht. Das ist nur politisches Balzen. Wir wissen doch zu genau, wie wir das einzuordnen haben und lassen das Bühnenstück stoisch über uns ergehen. Immerhin müssen in der gigantischen Waffenschmiede eine Reihe guter Posten besetzt werden.

Und auch bei religiösen Führern kommt uns oft ein mitleidiges Lächeln über die Lippen, wenn wir Urbi et orbi zwar gesegnet werden und diesen Segen sicherlich alle auch gut brauchen können, zugleich aber die Vatikanbank an Drogen- und Waffengeschäften in Südamerika mal wieder vortreffliche Einnahmen hat, um Friedensbotschaften mit samt den dazugehörigen Engeln in violetter Soutane in der ganzen Welt zu finanzieren.

Warum also soll es denn bei uns funktionieren, wenn die da oben es auch nicht können? Wieso sollen wir Kleinen besser sein, als die im Vatikan? Nur weil wir etwas unbegabter darin sind, in Kontakt mit den kolumbianischen Kartellbossen zu treten, nicht wissen, wie wir das anfangen können? Wir könnten es ja auf einer kleinen Ebene zunächst versuchen. Beim kleinkriminellen Nachbarn. Vielleicht ist mit ihm ja doch ein kleiner Deal zu machen. Man fragt sich sowieso, was der mit dem ganzen Zeug macht, dass er sich so zusammen raubt. Da kann er das eine oder andere Stück doch auch günstig unter der Hand abgeben! Und wenn nicht, wird er angezeigt. Kampf dem Frieden!

Und der Steuerberater. Eine Art eigener Bankvorstand, selbst wenn man pleite ist. Da muss doch was zu machen sein. Nicht? Sind wir Kleinen dann am Ende zu dumm, den Krieg gegen das eigene Volk zu führen? Befinden wir uns nicht einmal auf dem Niveau Gaddhafis? Jetzt will man schon den großen Friedensvorbildern nachahmen und sich ähnlich verhalten, dann klappt es nicht einmal.

Man fragt sich als kleines Volk natürlich dann ernsthaft, ob wir etwa zum Frieden nun nur deshalb gezwungen werden sollen, weil wir zu blöde für den Unfrieden, gar einen taffen Krieg sind? Nicht mal mit dem Nachbarn, dem Finanzamt oder all den Benzinabzockern in der Tankstelle? Man kann echt nur noch wütend werden, wenn man sich zu Gemüte führt, wie wir heutzutage brachial in den Frieden gezwungen werden durch verbale Spruchattacken, statt uns einfach nur mal mit einer anständigen Keule durchs eigene Dorf laufen zu lassen.

— 19. Mai 2011
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