Augen zu und durch

Vom Umgang mit den Krisenängsten, von Christa Schyboll

Nicht nur aktuell, sondern seit Jahren werden wir wieder und wieder von Krisen aller Art gebeutelt. Die Wirtschaftskrisen kommen mit zuverlässiger Regelmäßigkeit ebenso wie eine Reihe anderer Krisen, seien sie von uns Menschen verursacht oder auch Folge natürlicher Erscheinungsprozesse.

Allen gemeinsam ist die Angst, die viele Menschen aus verständlichen Gründen umtreibt. Kommen noch persönliche, berufliche, gesundheitliche Krisen dazu, ist es irgendwann für viele Menschen zu viel und sie brechen zusammen. Die alarmierenden Zahlen aus dem Gesundheitswesen in Bezug auf psychische Erkrankungen zeugen von einer immensen Zunahme, die ständig weiter wächst. Immer mehr sind diesem inneren und äußeren Druck nicht mehr gewachsen. Doch was sollen sie tun?

Keiner, der eine Naturkatastrophe aufhalten könnte! Auch niemand, der ernsthaft als Einzelner ins globale Wirtschaftsleben eingreifen und die Automatismen verändern könnte. Und selbst, wenn man in der Theorie eine Weltrebellion gegen diesen oder jenen Unsinn vieler Regierungen anzetteln wollte, so weiß man doch, dass sie in der Regel nach einem gewissen Aufwallen ebenfalls verpuffen, wenn es denn überhaupt bis zum Aufwallen und einer Randnotiz in den Weltmedien reicht.

Also Ohnmacht als einzige Alternative? Das kann es nicht sein, bei einer Spezies, die über Verstand, Intelligenz, Herz und Phantasie verfügen…jedoch auch über die Möglichkeit der Selbstvernichtung, und sei es Selbstvernichtung durch beständige Dummheit!

Was aber kann man trotzdem tun, wenn man schon die Welt nicht aus den Angeln heben und neu justieren kann? Das Wichtigste ist wohl zunächst, innere Ruhe zu bewahren und nicht in Panik zu verfallen, zu der viele Medien regelrecht anstiften nach dem Motto: Only bad news are good news!... Ist man innerlich gefasst, gelingt es viel leichter, sich nicht nur seriöse und umfassende Informationen zu besorgen, sondern auch als Laie sie zu verstehen und sein persönliches Handeln danach evtl. neu auszurichten. Das kann zu sinnvollen Verweigerungen führen, bestimmte Dinge nicht mehr mitzumachen oder auch zu sinnvollen Aktivitäten, sich einmal mit den Alternativgedanken zu befassen, die ja auch schon längst "auf dem Markt" der Ideen sind.

Sind diese Informationen dann aber immer noch besorgniserregend, weil schon wieder einmal ein "Schwarzer Freitag" an den Börsen binnen Stunden Milliarden-Werte vernichtet, ist aber auch die persönliche Betroffenheit nüchtern und klar einzuschätzen. Die meisten sind ja gar nicht unmittelbar und direkt betroffen, aber gehen dennoch voll in diese Sphäre der Angst mit hinein, aus Sorgen, die derzeit nicht angebracht sind, jedoch das globale Sorgenthermometer mit einer Fieberkurve ansteigen lassen. Mehr und mehr Menschen aber begreifen diese Zusammenhänge, nämlich dass zuerst die Gefühle und Gedanken/Ideen kommen – und jenen dann die Wirklichkeit folgt. Das gilt für Ängste wie für Hoffungen, für Sorge wie für Zuversicht.

Die Wirklichkeit verhält sich nun mal entsprechend des vorher eingegebenen Inputs der Menschheit.

Anderen Menschen wiederum hilft es, wenn sie sich den Level ihrer Sorgen einmal vor Augen führen und dabei festzustellen, dass es anderen Mitmenschen um ein vielfaches schlimmer ergeht. Man denke z. B. an die Kriegs- und Hungergebiete der Erde. Nun sollten diese unseligen Zustände natürlich nicht dafür stehen, Beruhigungspille zu sein nach dem Motto: Es kann noch viel schlechter kommen! … sondern es sollte die Chance für eine neue Besonnen- und Gedankenklarheit genutzt werden. Dazu gehört auch das kritische Überprüfen der politischen Partei der letzten Wahl, der man seine Stimme vertrauensvoll gab, und überhaupt die kritische Beobachtung vieler wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Prozesse, von denen viele viel zu lange trotz vieler lauter Mahnrufe "nachlässig" mit gefährlichen Tendenzen in Kauf genommen wurden.

Je mehr Menschen begreifen, dass sie zwar als Einzelne nichts machen können, aber dass sie keinesfalls dazu verdammt sind, alternativ sich ohnmächtig zu fühlen, sondern könnten angesichts wiederholter Krisen auch nach Alternativen Ausschau halten. Daraus kann wieder neue Kraft erwachsen, weil es fast immer auch andere Lösungen gibt, die noch nie probiert wurden. Aus dieser Kraft heraus kann man aber auch jede Krise wieder als neue Chance begreifen, diesmal endlich wirklich das Ruder herum zu reißen, was ganz offensichtlich vorher nicht gelungen war.

Das vor allem hätten sich die gesamte EU, die politischen Parteien und die großen Industrienationen der Welt mit ihrem unsoliden Handeln seit langem dick auf die eigenen Fahnen und auf die Tagesordnungen zu schreiben. Warner und Mahner gibt es seit Jahren genug. Warum man nicht auf sie hörte, ist zu ergründen. Jeder Einzelne, der diese Zusammenhänge aber mehr und mehr versteht, ist Mosaikstein für verbesserte Verhältnisse in der Zukunft.

Je tiefer mehr und mehr Menschen die Mechanismen des scheinbar Unveränderlichen durchschauen und auch begreifen, dass sie nur dann ohnmächtig sind, wenn sie sich selbst als ohnmächtig erklären, um so eher die Chance, dass eine gemeinsame Kraft erwächst, die die Krisenbewältigung auch wirklich schafft.

— 17. August 2011
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